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Murathan Muslu: "Warum ist das bei uns immer noch so?"


TV-Star über Filmbranche
Murathan Muslu: "Warum ist das bei uns immer noch so?"

InterviewVon t-online, rix

29.08.2021Lesedauer: 6 Min.
Murathan Muslu: Er zählt zu den gefragtesten Schauspielern Österreichs.Vergrößern des BildesMurathan Muslu: Er zählt zu den gefragtesten Schauspielern Österreichs. (Quelle: Future Image / imago images / D. Bedrosian)
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Er spielt häufig den Guten, bleibt vielen jedoch immer als Bösewicht in Erinnerung. Im Interview mit t-online spricht Murathan Muslu über sein Image und verrät, wo die deutsche Filmbranche noch weitaus mutiger sein könnte.

Früher arbeitete er auf dem Bau, heute zählt Murathan Muslu zu den gefragtesten Schauspielern Österreichs. Durch einen Gefallen für einen Freund landete er schließlich in der Filmbranche. Das war vor zehn Jahren. Seitdem steht er mit Filmgrößen wie Iris Berben oder Til Schweiger vor der Kamera, dreht mit Oscarpreisträger Stefan Ruzowitzky oder Hollywoodstar Joseph Gordon-Levitt.

Nun ist er in der Dramaserie "Am Anschlag – Die Macht der Kränkung" (Regie: Umut Dağ) zu sehen. In dem Sechsteiler spielt Murathan Muslu einen Sicherheitsmann. Keine ungewöhnliche Rolle für den 39-Jährigen. Er ist der Mann, der von den Öffentlich-Rechtlichen gerne in Uniform gesteckt wird. Ein Ex-Polizist in "Nicht tot zu kriegen", ein Feuerwehrmann in "Anna Fucking Molnar" – und trotzdem ist er für viele der Bösewicht.

Im Interview mit t-online spricht Murathan Muslu über sein Image, was sich in der österreichisch-deutschen Filmbranche ändern muss und warum er sich auch im Ausland nach Rollen umschaut.

t-online: Herr Muslu, Sie haben das Image des Bad Boys, dabei spielen Sie doch eigentlich überwiegend den guten Polizisten …

Murathan Muslu: Da haben Sie vollkommen recht. Wenn man sich all die Dinge anschaut, die ich gemacht habe, habe ich über 50 Prozent eigentlich immer den Guten gespielt.

… und trotzdem sehen in Ihnen viele den Bad Boy. Stört Sie das?

Vielleicht ist es die Optik. Vielleicht bleibe ich den Zuschauern eher im Gedächtnis, wenn ich den Bad Boy gebe, als wenn ich den Good Guy spiele. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber es stört mich eigentlich auch nicht. Ich werde einfach mein Bestes geben, weil es mir Spaß macht und weil ich mit jeder Figur, die ich spielen darf, immer etwas Neues finde.

Könnte man also bei der Rollenbesetzung mal etwas mutiger sein?

Betrachten wir objektiv den Verlauf der letzten sieben Jahre des internationalen Films, kann man eindeutig erkennen, dass die weiblichen Kollegen immer häufiger als Hauptrolle besetzt werden und das ist auf jeden Fall auch gut so. Auch People-of-Color-Schauspieler werden immer häufiger für große Rollen in Blockbustern eingesetzt.

Aber?

Zieht man nun diese Bilanz der letzten Jahre des internationalen Films und vergleicht man sie mit unserer österreichisch-deutschen Filmografie, kann man deutlich erkennen, wie mager es in Zentraleuropa aussieht, was die Hauptrollenbesetzungen von People-of-Color-Kollegen betrifft. Subjektiv gesehen sollte uns das zu denken geben und ja, hier könnten wir bestimmt noch weitaus mutiger sein.

Was müsste sich Ihrer Meinung nach definitiv ändern?

Zunächst muss man folgendes verstehen. Die Drehbücher, die unsere Schauspieler zum Lesen bekommen, und die Hauptrollen, die darin vorkommen, haben die Tendenz, sehr häufig nur für hellhäutige Kollegen ausgelegt zu sein. Nun bietet sich für die People-of-Color-Kollegen schon im Vorfeld keine Möglichkeit, für die Hauptrollen vorzusprechen. Was ich als sehr unproduktiv empfinde, da unsere Filmindustrie sich damit selbst definitiv einengt. Ich stelle mir dann auch die Frage: Warum ist das bei uns immer noch so, obwohl die Kollegen beim internationalen Film schon seit Jahren angefangen haben, gegen dieses Ungleichgewicht etwas zu tun und auch erfolgreich umsetzen. Können wir nicht versuchen, dasselbe Konzept auch bei uns einzuführen?

Die Lösung ist im Grunde sehr einfach: Hauptfiguren in Drehbüchern – solange es die Backstory nicht unbedingt verlangt – sollten von Anfang an schon so erzählt werden, dass es irrelevant ist, welche Hautfarbe die Hauptfigur hat. So könnte sich jeder Kollege und Kollegin, egal welche Vorfahren er oder sie hat, individuell für noch mehr Rollen vorstellen kommen. Wenn Skripte nicht Schwarz und Weiß denken, dann wird ein Film logischerweise bunter. In allen Aspekten wäre das ein Riesenvorteil für unsere wertvollen Filme. Aus meiner Perspektive wäre es auch mal toll, einen Hooligan zu verkörpern oder auch mal in einem historischen Antikriegsfilm einen Stasi-Offizier interpretieren zu dürfen. Warum nicht? Aber zu solchen Castings werde ich zum Beispiel nicht gerufen. Schauspieler sind wie praktische Werkzeuge und es sollte vollkommen egal sein, von welchem Werk sie produziert wurden, solange sie ihre Arbeit effektiv vor Ort erledigen.

Wie könnte man das aus Ihrer Sicht am schnellsten ändern?

Meiner Meinung nach sollte man sich bei Castings immer stets für jenen Schauspieler entscheiden, der oder die die beste Leistung mit der größten Willenskraft abliefert. So bekommt jeder Schauspieler oder jede Schauspielerin eine Chance. Aber dafür müssen im Vorfeld schon Drehbücher existieren, deren Hauptrolle keine Hautfarbe hat. Damit man auch individueller die Rollen besetzen kann. Persönlich vertraue ich dem Film und ich bin auch überzeugt, dass es eines Tages kein Thema mehr sein wird, welche Rolle mit welcher Hautfarbe gespielt werden soll.

Was hätte das für eine Auswirkung auf die Filmbranche?

Der mitteleuropäische Film könnte in kürzester Zeit noch viel mehr wachsen, könnte noch viel mehr Leute international zusammenbringen, könnte uns Türen öffnen, die uns immer noch verschlossen sind, könnte die Bandbreite der Zuschauerzahlen um ein Vielfaches erhöhen und zudem schlussendlich – aus wirtschaftlicher Sicht – noch mehr technische sowie finanzielle Möglichkeiten anbieten, die unsere Filmschaffenden zurzeit bei den meisten Projekten noch vor eine riesen Mauer stellen, da das Gesamtbudget bei uns im Vergleich zu den Spitzen-Filmmärkten immer noch sehr gering ausfällt. Wir sollten alle gemeinsam, Hand in Hand, diese Mauer durchbrechen, um unsere Filmkultur auf ein Next Level zu bringen. Unsere internationalen Kollegen sind uns in diesem Punkt etwas weiter voraus.

Schauen Sie sich deshalb auch im Ausland nach Rollen um?

Nein, gar nicht, ich habe immer dieselbe Herangehensweise, wenn es darum geht, wie ich meine Rollen aussuche. Außerdem fühle ich mich nicht betroffen, da ich es glücklicherweise zurzeit nicht so schwer habe. Im Moment läuft es gut bei mir und ich bekomme auch laufend Anfragen. Ich möchte mich auf keinen Fall beklagen – um im Kontext zu bleiben.

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Ich lese meine Skripte und entscheide danach, ob ich Lust auf die Rolle habe oder nicht. Ob national oder international, in beiden Fällen mache ich da keinen Unterschied. Und natürlich würde ich auch gerne in einem internationalen Film mitwirken. Vor allem würde ich es spannend finden zu sehen, wie die Kollegen dort arbeiten, um mir dann auch einen eigenen Eindruck zu machen.

Wonach wählen Sie denn Ihre Rollen aus?

Eigentlich immer nur nach dem Bauchgefühl. Vor allem ist mir aber auch das Framing beziehungsweise das Bild wichtig. Es gibt Serien, die Ultra HD sind und nicht mehr diesen Filmlook haben, das versuche ich so gut wie möglich zu vermeiden. Ich bin echt kein Fan von Ultra-HD-Bildern ohne Effekte. Ausgenommen Dokumentarfilme.

Sie sagen also auch mal nein?

Ja, das kommt schon mal vor. Man kann nicht alles übernehmen, man muss mit einem Gefühl an die Sache ran. Im Endeffekt ist es immer das Bauchgefühl.

Jetzt sind Sie in "Die Macht der Kränkung" zu sehen. Was hat Sie an dem Drehbuch gereizt?

Wenn Regisseur Umut Dağ an meiner Tür klopft, dann weiß ich, dass etwas Anspruchsvolles vor meiner Tür steht. Und nachdem ich das Skript gelesen habe, wusste ich sofort: Das mache ich. Ich finde es sehr spannend, wie die Menschen miteinander agieren, wie sensibel sie miteinander umgehen, obwohl sie permanent gekränkt werden. Zumal auch unsere Drehbuchautorin Agnes Pluch mit sehr großem Feingefühl und sehr sensibel die Figuren erschaffen hat.

In "Am Anschlag – Die Macht der Kränkung" übernimmt Murathan Muslu eine der fünf Hauptrollen. In der Filmreihe geht es um einen Amoklauf in einem Einkaufszentrum. In jeder Folge steht das Schicksal einer Figur im Fokus, die mehr und mehr in einen Ausnahmezustand gerät und so zum Täter werden könnte. Zu sehen ist der Sechsteiler ab sofort in der ZDF-Mediathek.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Murathan Muslu
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