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Warum Eltern die Jüngsten verwöhnen: Der Nesthäkchen-Effekt


Nesthäkchen-Effekt
Eltern verwöhnen ihre jüngsten Kinder

dpa, mmh, sca

07.04.2011Lesedauer: 6 Min.
Rivale oder Beschützer? Geschwister prägen ein Leben lang.Vergrößern des BildesRivale oder Beschützer? Geschwister prägen ein Leben lang. (Quelle: imago)
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Thronfolger, Nesthäkchen, Sandwich, Nachzügler: Die Reihenfolge der Geschwister entscheidet, wie Eltern mit ihren Kindern umgehen. Verwöhnt werden natürlich immer die Kleinsten. Ist das wirklich so? Eine Umfrage der GfK ging diesem Vorurteil auf den Grund. Das ist dran an den Geschwisterpositionen, die sich auch auf die Rollen im späteren Leben auswirken.

Der Nesthäkchen-Effekt: Die Jüngsten werden verwöhnt

Das ist das Ergebnis der GfK-Umfrage: Drei Viertel aller Befragten glauben, dass Eltern ihre Jüngsten verwöhnen (76 Prozent). Hatten die Befragten selbst jüngere Geschwister, bestätigten sogar 80 Prozent diesen Nesthäkchen-Effekt. Die jüngsten Geschwister sind noch zu 65 Prozent dieser Meinung.

Die Kleinen müssen nicht kämpfen

Zwei Drittel meinen, dass die Jüngeren sich nicht alles erkämpfen müssen und es dadurch leichter haben (66 Prozent). Bei den Befragten mit jüngeren Brüdern oder Schwestern ist diese Einschätzung mit 75 Prozent besonders hoch. Die Nesthäkchen teilen diese Ansicht nur zu 60 Prozent. 59 Prozent aller Befragten meinen, dass Eltern von Erstgeborenen mehr Leistung erwarten als von ihren jüngeren Kindern.

Geburtsfolge prägt das Leben

Diese These unterstützen 66 Prozent der Erstgeborenen, aber nur 50 Prozent der Nesthäkchen. Für die Erhebung wurden 1965 Personen ab 14 Jahren befragt, darunter 1462 mit Geschwistern. Tatsächlich beeinflusst die Geburtsfolge in der Familie ganz entscheidend die Persönlichkeitsentwicklung.

Schon die Kleinen fühlen sich benachteiligt: Der kriegt immer das größere Stück, die kriegt viel mehr Klamotten, den hast Du viel lieber .... Eltern müssen viele Klagen beschwichtigen. Dabei bemühen sich wohl fast alle Eltern, Zeit und Aufmerksamkeit gleichmäßig zu verteilen. Außerdem haben die Kinder oft sehr unterschiedliche Charaktere, obwohl sie die gleichen Eltern haben. Aber prägender als Charakter, Temperament und Erziehungsstil bleibt die Geschwisterposition.

Die Geschwisterposition ist prägend

Die Position als Erstgeborenes, Zweit- oder Drittgeborenes ist entscheidend. Ist schon ein vernünftiges, ruhiges Kind da, das gut in der Schule ist, werden sich die nachgeborenen Kinder eher andere "Nischen“ suchen. Damit wollen sie vor allem eins: auffallen und Beachtung bekommen. Der amerikanische Psychologe Dr. Kevin Leman hat die Charakteristika der verschiedenen Geschwisterpositionen so auf den Punkt gebracht: Erstgeborene sind perfektionistisch, Mittelkinder drücken sich und Nesthäkchen tanzen immer aus der Reihe.

Die vernünftigen Erstgeborenen

Es gibt Eigenschaften und Verhaltensweisen, die sind eher typisch für erstgeborene Kinder: Sie haben zunächst die ungeteilte Aufmerksamkeit der Eltern. Jirina Prekop schreibt in ihrem Buch: "Alle Lebensstationen werden dokumentiert, auch im Foto, und Ereignisse, die bei den weiteren Kindern nur registriert werden, werden von der gesamten Verwandtschaft gefeiert.“ Kein nachgeborenes Kind wird jemals so viel Aufmerksamkeit bekommen. Oft sind die Erstgeborenen sehr vernünftig, übernehmen gerne Verantwortung und sind perfektionistisch. Das liegt daran, dass sie als Babys die anfängliche Unsicherheit, das Lampenfieber ihrer Eltern alles richtig zu machen, spüren. Bald bekommen sie heraus, dass die Zweifel von Mama und Papa eng mit ihren Leistungen zusammenhängen.

Die Entthronung

Die Entthronung durch ein neues Geschwisterchen führt oft zu einer Krise bei dem Erstgeborenen. Der Konkurrenzkampf ist besonders groß bei gleichgeschlechtlichen Kindern mit geringem Altersunterschied. Haben sie sich an den Nebenbuhler gewöhnt, übernehmen sie oft die Beschützerrolle. Indem sie sich besonders gewissenhaft und zuverlässig um das kleinere Geschwisterchen kümmern, erhoffen sie, den ersten Platz bei den Eltern zurückzugewinnen. Die Kehrseite der Medaille kennt Diplom-Psychologe Michael Thiel aus der Praxis: "Lust und Spaß an der eigenen Kindheit können da ab und zu auf der Strecke bleiben.“

Privilegien für die Erstgeborenen

Deshalb ist es wichtig, dass Eltern ihrem großen Kind nicht zu viel Verantwortung aufbürden. Jirina Prekop empfiehlt Eltern, ihr Erstgeborenes "nicht als großes Kind zu behandeln, sondern es auch klein zu lassen." Es könne zwar selber sehen, dass es größer ist, "aber nicht, ob es noch so geliebt wird wie vorher". Wenn die Kinder den Satz "Dich habe ich am längsten lieb" hören, wird es die Entthronung leichter ertragen können. Wichtig ist auch, dass Eltern Zeit mit dem Ältesten alleine verbringen. Ein älteres Kind sollte zwar mehr Pflichten haben, aber achten Sie vor allem auch darauf, ihm mehr Rechte einzuräumen, wie zum Beispiel ein späteres Zubett-Gehen oder ein höheres Taschengeld.

Die Sandwich-Kinder

Für die sogenannten Sandwich-Kinder, die sowohl ältere als auch jüngere Geschwister haben, ist es oft besonders schwer, ihren Platz zu finden. Sie haben einen überlegenen Bruder oder eine überlegene Schwester und hinter ihnen folgt das süße Nesthäkchen. Da ist es gar nicht leicht, aufzufallen. Am einfachsten haben es die mittleren Kinder, die der einzige Junge oder das einzige Mädchen in der Familie sind. Als "Prinz“ oder "Prinzessin“ haben sie eine recht klare Position.

Am wenigsten Zuwendung

Die Bemühungen der "heutigen“ Eltern, Zeit und Geld gerecht aufzuteilen, führt nach einem Modell von Ralph Hertwig vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin paradoxerweise speziell für die "Sandwichkinder" zu Nachteilen. Denn die Ältesten hatten - je nach Altersunterschied - für einige Jahre die ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Eltern und müssen sie dann zunächst nur mit einem Geschwisterkind teilen. Die Jüngsten werden in ihrer Jugend ihre Eltern für sich haben, wenn die Geschwister schon ausgezogen sind. Wenn also in den Jahren, in denen alle Kinder bei den Eltern wohnen, alle Ressourcen wie Geld, Zeit, Nahrung immer gleichmäßig unter den Kindern verteilt werden, haben die mittleren Kinder am Ende am wenigsten Zuwendung auf ihrem emotionalen Konto.

Ansporn in Grenzen

Die "Zwischenkinder" tragen die Kleidung und Sportausrüstung ihrer Geschwister auf, werden weniger gefördert, bekommen weniger Aufmerksamkeit, da der Reiz des Neuen bereits vorbei ist. Ihr Ansporn hält sich oft in Grenzen, da von den Eltern vieles sowieso als selbstverständlich hingenommen wird. Andererseits ist der Erwartungsdruck nicht mehr so groß, was auch ein Entwicklungsvorteil sein kann.

Provokation oder Verschlossenheit

Nicht selten kämpfen sie so durch provokatives Verhalten um die Beachtung der Eltern, sind fordernder und aggressiver als ihre Geschwister. Andere Kinder zeigen ein besonders verschlossenes Verhalten und wenden sich schon früh nach außen, indem sie viele Kontakte außer Haus haben.

So unterstützen Eltern ihr Mittelkind

Zeigen Sie Ihrem Mittleren, das er etwas Besonderes für sie ist. Achten Sie darauf, seine Leistungen hervorzuheben und nicht als selbstverständlich zu betrachten. Damit das mittlere Kind nicht so um seine Aufmerksamkeit kämpfen muss, ist es wichtig, mit ihm alleine Unternehmungen zu machen oder zu spielen. Es sollte auch mal alleine die Großeltern besuchen und ab und zu ein neues Kleidungsstück aussuchen dürfen, zum Beispiel mit seinem Lieblingshelden darauf.

Das Nesthäkchen

Mit dem Begriff des Nesthäkchens wird das letztgeborene Kind bezeichnet, das als letztes "aus dem Nest fliegt“. Die Verwandtschaft ist vom Nachkömmling begeistert, alle finden es süß. Diese Kleinen schaffen es meistens problemlos, ihre Eltern, Omas und Opas, um den Finger zu wickeln. Oft werden sie von den Eltern verwöhnt und es wird auch nicht so viel von ihnen verlangt. Wollen sie zwei- oder dreijährig noch immer viel getragen werden, erreichen sie oft ihr Ziel. Schließlich muss die Mutter weder Kinderwagen schieben noch trägt sie einen dicken Babybauch vor sich her. Das handelt ihnen nicht selten Ärger mit den älteren Geschwistern ein.

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Kleine genießen Privilegien

Die Kleinen erleben ihre Eltern oft entspannter als die Geschwister. Sie stehen nicht mehr so stark unter der Beobachtung der Eltern, alleine aus zeitlichen Gründen. Gleichzeitig genießen sie oft schon früh Privilegien, für die ihre älteren Geschwister hart gekämpft haben. Die Geschwister finden das oft ungerecht.

Ungerecht behandelt?

Auch wenn sie von ihren Eltern mit mehr Nachsicht behandelt werden, so fühlen sich die Nesthäkchen in der Regel ungerecht behandelt. Von ihnen gibt es viel weniger Babyfotos als von ihren älteren Geschwistern, für Babyschwimmen und Kinderturnen bleibt keine Zeit. Die Kleinsten orientieren sich immer an den Großen, sie sind der Maßstab aller Dinge. Manche reagieren darauf, indem sie sich ein Leben lang in der Rolle des "süßen Kleinen" einrichten. Andere spornt es erst richtig an, allen zu zeigen, was in ihnen steckt. Die großen Geschwister zu übertrumpfen, ist das Höchste. Vor allem, wenn sie das gleiche Geschlecht haben.

So unterstützen Sie Ihr Nesthäkchen

Achten Sie darauf, dass auch ihr Nesthäkchen kleine altersgerechte Aufgaben im Haushalt übernimmt und so lernt Verantwortung zu übernehmen. Vergessen Sie nicht, dass auch das Nesthäkchen die Familienregeln beachten muss. Es ist außerdem wichtig, dass sie auch Ihr Nesthäkchen fordern. Letztgeborene sind meist nur wenig ehrgeizig oder geben den Clown, weswegen sie oft hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben. Ähnlich wie die mittleren Kinder brauchen die Jüngsten das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Hängen Sie beispielsweise seine Kunstwerke aus Kindergarten oder Schule auf.

Alle Geschwister profitieren

In Wahrheit aber profitieren alle Geschwister voneinander, ganz gleich, ob älter oder jünger, sagt der Geschwister-Experte am Staatsinstitut für Frühpädagogik, Hartmut Kasten. "Sie trainieren Kompromisse zu verhandeln, Bündnisse zu schmieden, konstruktiv zu streiten - das ist soziales Training für das ganze Leben."

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