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Affären und die Folgen: Wenn Halbgeschwister auf die Welt kommen


Affären
Affären und ihre Folgen

t-online, Simone Blaß

01.09.2010Lesedauer: 6 Min.
Frau zerreißt ihr Hochzeitsfoto.Vergrößern des BildesKinder aus einer Affäre: Zerreißprobe für die Stammbeziehung. (Bild: imago) (Quelle: imago-images-bilder)
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Dass zwei Menschen aus Liebe heiraten, eine Familie gründen und bis dass der Tod sie scheide nur noch Augen für den anderen haben, das ist heutzutage eher eine Seltenheit. Angeblich geht jeder Zweite in Deutschland fremd. Eine Studie der Göttinger Universität zeigt dabei, dass die meisten in ihrer Untreue erstaunlich treu bleiben und längere Affären haben. Bei rund der Hälfte aller Fremdgänger dauert die Affäre ein halbes Jahr oder länger. Wenn dabei dann weiterer Nachwuchs entsteht, hat das fatale Folgen für die Ursprungsfamilien.

Mehr als nur ein Seitensprung

Nach Schätzungen der Interessensgemeinschaft für Abstammungsgutachten in Dortmund handelt es sich immerhin bei jedem zehnten Kind um ein Kuckuckskind; um ein Kind also, das eine Frau ihrem Mann "unterjubelt". Wie viele Frauen offen damit umgehen, dass der neue Familienzuwachs nicht den gleichen Vater hat wie die anderen Kinder, wie viele Frauen mittels einer Schwangerschaft versuchen, einen Familienvater zu ködern und wie viele Männer in außerehelichen Beziehungen Kinder zeugen, darüber existieren keine Statistiken. Dafür gibt es lediglich berühmte Beispiele wie Franz Beckenbauer oder Boris Becker.

Mal abgesehen davon, dass sich auch rein rechtlich hier ziemliche Probleme ergeben können, hat eine solche Tat vor allem enorme psychische Folgen. "Ich hatte schon lange einen Verdacht, und als mein Mann eines Abends ein ernstes Gespräch mit mir führen wollte, da wusste ich, dass er mir einen Seitensprung beichten würde. Damit hätte ich auch irgendwie klarkommen können, schließlich lief bei uns ja kaum noch etwas seit unsere Kleine auf der Welt war und mich nächtelang forderte. Was ich dann allerdings zu hören bekam, zog mir regelrecht den Boden unter den Füßen weg", erzählt die 37-jährige Leona.

Bei der Erinnerung steigen der zweifachen Mutter die Tränen in die Augen, denn sie erfuhr an diesem Abend, dass ihr Mann bereits seit zwei Jahren fremdging und diesen Seitensprung nur aus einem Grund beichtete: Die andere Frau bekam ein Kind von ihm, und er war nun gezwungen, die Karten offen zu legen. "Ich habe es als sehr verletzend empfunden, dass er mir gegenüber nicht aus eigenen Stücken heraus ehrlich war, sondern erst, als ihm das Messer auf der Brust stand. Wie soll ich ihm da glauben, dass er wirklich bei mir und unseren Kindern bleiben will? Das Vertrauen ist zerstört und das Kind dieser Frau, das ja völlig unschuldig ist, wirkt auf mich trotzdem bedrohend. Ich fürchte, dass wir nie wieder zur Ruhe kommen werden."

Folgenschwere Konsequenzen

Nach den Erfahrungen der Diplom-Psychologin Heidi Baitinger geht so etwas tatsächlich selten gut aus. "Die Grundsituation ist für alle schwer, da Gefühle von Schuld für jeden bestehen - für den Mann aber natürlich am meisten." Schließlich muss er eine der beiden Frauen mit dem Nachwuchs sitzen lassen. Aber auch der Versuch, seine Familie zu retten ist ein Kraftakt. "Frauen, die in eine solche Situation kommen, machen dem Mann oft lebenslang Vorwürfe und fühlen sich moralisch überlegen. Dadurch wird die Ehe zur Hölle und der Mann fühlt sich auf ewig schuldig - eine Situation, die kaum ausgehalten werden kann. Hier geht es darum, die beste Lösung zu finden. Und die ist tatsächlich oft die, dass der Mann in irgendeiner Weise zu dem neuen Kind steht. Verlässt er seine Familie und versucht ein neues Glück, dann muss er sich aber darüber klar sein, auf welchem Schmerz er dieses aufbaut. Das neue Paar muss seelisch aushalten können, was ihr Glück die Verlassenen kostet. Die Realität zeigt, dass am Ende meist alle alleine dastehen."

Auch der Diplom-Psychologe Ulrich Gerth, Vorsitzender der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke), ist sich sicher, dass diese Situation eine der schwierigsten ist, die einer Familie überhaupt passieren kann. "Um ehrlich zu sein, das geht wirklich nur selten gut aus. Aber wie auch immer man sich entscheidet: Wichtig ist, was für die Kinder gut ist. Ich würde in jedem Fall dazu raten, Kindern von ihrem Halbgeschwister zu erzählen, denn ein offener Umgang ist hier das Wichtigste. Wenn man ein Geheimnis daraus macht, hat das zwangsläufig Folgen. Es hat eine unheimliche Strahlkraft, wabert unter der Oberfläche und streut - im übertragenen Sinn - Karzinome aus. So ein gravierendes Geheimnis ist für die Familiendynamik immer schlecht. Man muss es täglich umschiffen und irgendwann passiert es, dass sich jemand verplappert, dass das Kind etwas findet und sich dann verraten fühlt von den Eltern - vielleicht sogar, ohne darüber offen sprechen zu können."

Ein offener Umgang mit dem Problem ist wichtig für die Kinderseele

Man sollte, so schwer es fällt, ein so wichtiges Gespräch mit den Kindern nicht vor sich herschieben. Je früher es stattfindet, desto besser. "Natürlich ist es notwendig, dass sich die Personen wieder etwas gesammelt haben. Nach einigen Wochen ist dies aber meist der Fall und dann sollte man sich auch trauen, das Thema anzusprechen." Heidi Baitinger, die in ihrer Praxis systemisch arbeitet, ist da der gleichen Meinung: "Erstmal muss natürlich die Paarbeziehung geklärt werden. Aber: Es ist nie daran zu rütteln, dass es sich bei den Kindern um Halbgeschwister handelt. Dieser Tatsache muss man ins Auge sehen. Denn wenn Eltern etwas unter den Teppich kehren, spüren Kinder solche Konflikte trotzdem und tragen dann in ihrer Seele die Altlasten der Eltern herum, was sich wiederum negativ auf ihre eigenen späteren Beziehungen auswirkt. Hier spielt das Unbewusste eine sehr große Rolle."

Bereits kleinen Kindern kann man die Situation klarmachen. Dabei allerdings muss man immer kindgerecht und auch altersgerecht vorgehen. Ulrich Gerth rät, hier zum Beispiel mit Spielfiguren zu arbeiten, die man vor dem Kind aufbaut und ihm so die Möglichkeit gibt, das Gehörte auch visuell zu verarbeiten. Hat man den Zeitpunkt verpasst, zum Beispiel, weil die Kinder anfangs tatsächlich noch zu klein waren, dann wird es immer schwieriger. Denn den richtigen Zeitpunkt, den gibt es nicht. "Eine solche Information ist immer der absolute Hammer für ein Kind! Schon im Normalfall kann ein Geschwisterchen eifersüchtig machen. Wenn dann der Papa, der vielleicht auch nur selten zuhause ist und wenig Zeit hat, woanders plötzlich noch andere Kinder hat, dann ist das eine unglaubliche Kränkung. Doch es sind Geschwister und von denen sollte man wissen."

Am besten ist es, wenn beide Eltern gemeinsam die Kinder aufklären und ihnen Raum geben für Fragen. "Aber nur, wenn beide damit auch wirklich klarkommen. Ist zum Beispiel die betrogene Mutter emotional zu aufgewühlt und besteht die Gefahr, dass sie in Tränen ausbricht, dann ist damit keinem geholfen." Das würde die Kinder nur zusätzlich verunsichern und in einem solchen Fall ist es, so der Rat des Fachmanns, sinnvoll, sich Hilfe von außen zu holen. Das können die Großeltern, die Paten oder Freunde der Familie sein - am besten jemand, dem das Kind vertraut, und mit dem es auch nach dem ersten "Verdauen" über die Problematik reden kann. "Auf jeden Fall würde ich in einer solch extrem schwierigen Situation sicher gehen und auch nicht zögern, mir professionelle Hilfe zu holen." Eine kompetente Unterstützung von Außen bekommt man übrigens bei den Erziehungsberatungsstellen, die es in fast jeder Stadt gibt. Die örtlichen Adressen findet man auf den Internetseiten der bke (www.bke.de). Hier gibt es auch eine kostenlose Internetberatung mit erfahrenen Fachkräften.

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Massive Existenzängste auf allen Seiten

Natürlich muss man sich im Klaren darüber sein, dass es durch die eigene Offenheit dem Kind gegenüber auch zu einer gewissen Offenheit nach außen hin kommt. "Doch", so der Erziehungsberater, "der Imageschaden entsteht ja nicht durch das Bekanntwerden der Tatsache, sondern durch die Tatsache selbst." Kinder dürften kein Redeverbot erhalten, denn sie bräuchten die Möglichkeit, sich auch mit anderen auszutauschen, sich anderen anzuvertrauen, um mit der Situation klarzukommen. Was man aber tun kann, ist, mit dem Kind gemeinsam zu überlegen, wer sich eignet und ihm dabei auch klarzumachen, dass diese Geschichte nicht jeden etwas angeht. Grundsätzlich neigen Kinder in solchen Situationen sowieso nicht dazu, etwas an die große Glocke zu hängen. "Ein Kind wird sich eher zurückziehen. Es bekommt massive existenzielle Ängste und wird alles tun, um seine Eltern zusammenzuhalten."

Existenzielle Ängste anderer Art sind aber auch für das elterliche Vertuschen oft einer der Hauptgründe. "Ein schönes Häuschen", so Heidi Baitinger, "kann da schon der Grund sein. Schließlich versucht jeder, möglichst unbeschadet aus einer solchen Situation zu kommen. Das allerdings, und das muss man sich bewusst machen, geht nur auf Kosten der Kinder. Wenn man hinschaut, dann findet man auch eine Lösung. Je mehr man aber vertuscht, desto schlimmer wird es."

Wenn sich ein Paar trotz aller Widrigkeiten entscheidet, die Familie erhalten zu wollen, dann geht das nur, wenn beide an der Beziehung arbeiten, da ist sich die Diplom-Psychologin sicher. "Man muss sich darüber im Klaren sein: Ein Mann, der eine Außenbeziehung sucht, tut das nicht aus einer funktionierenden Beziehung heraus und dieser Tatsache müssen sich beide stellen. Und dann sehen, wo jeder seinen Anteil an dem Problem hat! Und man muss dem neuen Kind - wie auch immer - einen Raum in der Familie geben." Alleine kann man das allerdings kaum schaffen. Auch auf der Paarebene ist es also ratsam, sich in einem solchen Fall professionelle Hilfe zu holen.

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