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Schmerzensgeldprozess um Ohrlöcher endet mit Vergleich


Schmerzensgeldprozess um Ohrlöcher endet mit Vergleich

Von dapd, dpa
Aktualisiert am 31.08.2012Lesedauer: 4 Min.
Ohrlöcher - ein Angriff auf die körperliche Unversehrtheit? Ein Gericht muss dies klären.Vergrößern des BildesOhrlöcher - ein Angriff auf die körperliche Unversehrtheit? Ein Gericht muss dies klären. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Ist es eine strafbare Körperverletzung, wenn bei einem Kleinkind Ohrlöcher gestochen werden? Diese Frage hat erstmals ein Berliner Gericht behandelt. Eine Dreijährige in Berlin wollte 70 Euro Schmerzensgeld von einem Tattoo-Studio erstreiten. Nach der heftigen Debatte um das Kölner Beschneidungsurteil hat der Ohrloch-Fall schon vorab Kontroversen ausgelöst. Die Verhandlung endete mit einem Vergleich, doch der Fall ist noch nicht abgeschlossen.

Frage der Körperverletzung ist noch nicht geklärt

Vor dem Amtsgericht Berlin-Lichtenberg einigten sich die streitenden Parteien am 31. August darauf, dass die Inhaberin des Piercing- und Tattoo-Studios an das Mädchen 70 Euro für dessen "Sparschwein" zahlt. Ob der Fall strafrechtliche Konsequenzen nach sich zieht, blieb noch offen. Möglicherweise müssen sich die Eltern oder die Studioinhaberin aber noch wegen Körperverletzung verantworten. Das Gericht erwägt, den Fall der Staatsanwaltschaft zur strafrechtlichen Beurteilung vorzulegen. Die kontroverse Diskussion im Vorfeld des Prozesses hatte die Frage aufgeworfen, ob bei kleinen Kindern dieser Eingriff überhaupt vorgenommen werden dürfe.

Die Vorgeschichte

Das kleine Berliner Mädchen soll geweint haben, als die Ohrlöcher in einem Tattoo-Studio gestochen wurden. Und beim Arzt habe die Dreijährige noch drei Tage später traumatisch reagiert. So steht es in der Schmerzensgeldklage des Kindes, das von seinen Eltern vertreten wurde. Mindestens 70 Euro wollten sie von der Chefin des Studios erstreiten. Doch dann nahm der Fall eine andere Wendung: Das Gericht wollte prüfen, ob sich die Eltern, die Studio-Inhaberin oder alle zusammen strafbar gemacht haben könnten.

Parallelen zum Beschneidungsurteil?

Der erfahrene Richter am Amtsgericht Berlin-Lichtenberg habe wohl das Kölner Urteil zu religiös motivierten Beschneidungen im Kopf gehabt, als er ankündigte, die Strafbarkeit zu prüfen, sagt Gerichtssprecher Ulrich Wimmer. Ob damit Neuland betreten wird? Er habe noch nie von einem solchen Fall vor Gericht gehört, sagt der Sprecher, der für alle Amtsgerichte in der Hauptstadt zuständig ist.

Das Landgericht in Köln hatte im Juni die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen als "rechtswidrige Körperverletzung" gewertet, die grundsätzlich strafbar sei. Das einzelne Urteil hatte weltweit für Aufsehen gesorgt und bei Medizinern und Eltern Verunsicherung ausgelöst. Jetzt denkt die Bundesregierung über Neuregelungen nach, die Rechtssicherheit schaffen sollen.

Haben Eltern gegen das Wohl des Kindes entschieden?

Der Amtsrichter in Berlin-Lichtenberg ließ vor dem Prozess verlauten, es sei zweifelhaft, ob die Einwilligung der Eltern dem Wohl des Kindes gedient habe. Zudem sei zu fragen, warum das Tattoo-Studio es nicht ablehnte, bei einem derart jungen Kind Ohrlöcher zu stechen. Die Eltern hatten ihrer Tochter das Ohrlochstechen zum Geburtstag geschenkt - sie habe sich das so gewünscht.

Ärzte warnen vor Ohrlöchern

Für Kinderärzte ist der Fall klar. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) warnt vor dem Stechen von Ohrlöchern bei Kindern. "Ohrlochstechen, Tätowierungen und Piercings bei Minderjährigen sind aus unserer Sicht Körperverletzung", sagte BVKJ-Präsident Wolfram Hartmann der Nachrichtenagentur dapd. "Jeder Eingriff in den intakten Körper eines Kindes ist problematisch."

Angriff auf die körperliche Integrität

Die selbe Meinung vertritt der Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie, Friedrich-Wilhelm von Hesler. "Jeder Angriff auf die körperliche Integrität ist eine Körperverletzung - auch das Ohrlochstechen", findet der in Hannover und Berlin praktizierende Arzt. «Das Kind kann nicht einwilligen und die Eltern dürfen nicht in alles einwilligen", sagt der 60-Jährige der Nachrichtenagentur dpa. Kinder ab 14 Jahren sollten selbst entscheiden - wenn sie strafmündig sind - aber ausdrücklich nur mit Einwilligung der Eltern.

Außerdem erhöhen Ohrringe die Anfälligkeit für Allergien enorm. Heilpraktiker weisen darauf hin, dass wichtige Energiebahnen in der Ohrmuschel verlaufen, die durch ein Piercing gestört werden.

Schmuck für die Eltern?

Ohrlöcher bei kleinen Kindern seien nicht notwendig, sagt von Hesler. "Die Ohrringe sind doch eher Schmuck für die Eltern." Er habe schon erlebt, dass die Wunden nicht gut heilten. "Wenn das Ohrläppchen abfault, ist man fürs ganze Leben entstellt."

Reaktionen auf die Klage: Alles nicht so schlimm?

"Die Klage der Eltern ist einfach lächerlich und völlig übertrieben - das weiß doch jeder, dass das Löcherstechen wehtut", sagt der Chef eines Studios in Berlin-Marzahn, Detlef Niegisch. Er hat keine Bedenken, auch Kinder zu bedienen. "Das wird doch seit Jahrzehnten gemacht - warum denn auch nicht?"

Berufsverbände handhaben Praxis unterschiedlich

Derzeit gibt es für Tätowierungen und Piercings - und damit auch das Stechen von Ohrlöchern - in Deutschland keine gesetzliche Altersgrenze. Die Berufsverbände haben sich unterschiedliche Regelungen auferlegt. Die Europäische Vereinigung für professionelle Piercings (EAPP) spricht sich gegen Eingriffe bei Jugendlichen unter 14 Jahren aus. «Das lehnen wir grundsätzlich ab», sagte die EAPP-Vorsitzende Martina Lehnhoff. Bei älteren Jugendlichen werde die Zustimmung beider Elternteile gefordert. Diese müssten auch beim Vorgespräch anwesend sein, wo sie über die Risiken, die Pflege sowie die Nachsorge aufgeklärt würden.

Der Bundesverband der Juweliere, Schmuck- und Uhrenfachgeschäfte (BVJ) sieht hingegen keine Notwendigkeit für eine Altersgrenze. "Wir können den Erziehungsberechtigten ihre Verantwortung nicht abnehmen", sagte BVJ-Geschäftsführer Joachim Dünkelmann. Die Empfehlung des Verbandes lautet, bei unter 16-Jährigen die Einwilligung und Anwesenheit eines Erziehungsberechtigten zu fordern. Bei Jugendlichen ab 16 Jahren ist nach Ansicht des BVJ eine schriftliche Einverständniserklärung ausreichend. Der Verein Deutsche Organisierte Tätowierer (DOT) lehnt Tätowierungen für Jugendliche unter 18 Jahren ab.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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