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Menstruation nicht mehr verschämt verschweigen


Period Shaming
Über Menstruation spricht man nicht, oder?

t-online, Nicola Wilbrand-Donzelli

Aktualisiert am 01.12.2016Lesedauer: 5 Min.
Selbstbewusst mit dem eigenen Körper umgehen - auch während der Periode.Vergrößern des BildesSelbstbewusst mit dem eigenen Körper umgehen - auch während der Periode. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Den meisten fällt es schwer, mit entspanntem Selbstverständnis über die Menstruation zu reden. In jüngster Zeit regt sich allerdings insbesondere unter pubertierenden Mädchen und jungen Frauen immer öfter Widerstand gegen die Tabusierung des Themas - das weltweit verbreitete Period Shaming.

Spätestens wenn in der Schule die menschliche Fortpflanzung auf dem Stundenplan steht, lernt jedes Kind, dass der weibliche Zyklus beziehungsweise die Monatsblutung ein normaler biologischer Prozess ist.

Jungen Mädchen helfen solche aufklärenden Erkenntnisse nur bedingt. Spätestens wenn sie zum ersten Mal ihre Tage bekommen endet die sachliche Sicht auf die Dinge. Welche Frau erinnert sich nicht an den Schreck der ersten heftigen Blutung. Die wichtigsten Ansprechpartner und Ratgeber, wenn es etwa um Schmerzen oder die Verwendung von Hygieneartikeln geht, sind für gewöhnlich die Mutter, die ältere Schwester oder die beste Freundin.

Verschämte Verschwiegenheit oder blöde Sprüche

Ansonsten wird die Periode, mit der die Hälfte der Weltbevölkerung etwa 40 Jahre lang umgehen muss, eher verschämt verschwiegen, als sei sie etwas Krankes, Abnormales oder Ekelerregendes. Eingebürgert haben sich aber auch Späßchen über die allmonatliche Unpässlichkeit.

Viele sind der Überzeugung, dass bei Frauen Übellaunigkeit, Gereiztheit und Gefühlskapriolen durch die Regelblutung verursacht werden. Sprüche wie "du hast wohl gerade deine Tage, weil du so rumzickst" kennt wohl jeder.

Dass die Menstruation fast nie mit derselben Offenheit, Ernsthaftigkeit und Selbstverständlichkeit thematisiert wird wie andere biologische Vorgänge im menschlichen Körper, bringt die Berliner Journalistin und Bloggerin Silvia Follmann auf die Palme.

Sie fordert in einem Kommentar bei "editionF" endlich mit dem absurden Period Shaming aufzuhören und die Regelblutung nicht mehr mit lustigen und verniedlichenden Synonymen zu umschreiben. "Warum bringen wir jungen Mädchen bei, über ihre Tage zu sprechen, als wäre man gerade auf einem Drogentrip? 'Besuch von der roten Tante', 'Auf der roten Welle reiten'‚ die 'Erdbeerwoche haben‘. Was soll das? Und wieso soll das weniger peinlich sein als einfach zu sagen: 'Ich habe meine Periode'.'

Eine solche Kultur des Verschweigens führe dazu, dass es Mädchen unangenehm sei, ihre Regelblutung zu haben und sich unwohl zu fühlen mit etwas, das sehr viele Jahre Teil des Lebens sein wird.

Werbespots mit blauem Blut

Sehr vorsichtig geht auch die Werbeindustrie mit dem Tabu-Thema um. Sie steckt in dem Dilemma, einerseits die Hygieneprodukte umsatzfördernd zu vermarkten, muss aber gleichzeitig das Ganze ästhetisch verpacken. Immerhin sind Frauen von der Pubertät bis zu den Wechseljahren im Schnitt 100.000 Stunden – so eine Rechnung der "Newsweek" – mit diesen Artikeln hautnah in Kontakt.

"Wieso wird noch immer Werbung für Binden und Tampons gemacht, in der eine hellblaue Flüssigkeit unser Blut darstellt?", fragt Follmann. "OK. Man muss ja keine Schmierblutung im TV bringen - aber macht das Zeug doch wenigstens rot! Bei Pflasterwerbung geht das doch auch!"

Globaler Widerstand gegen Period Shaming

Wie niedrig die gesellschaftliche Schamgrenze beim Thema Monatsblutung offenbar ist, zeigte sich kürzlich auch bei Instragram. Die Betreiber löschten ein Foto, das als Teil einer Bilderserie eine schlafende Frau mit einem Blutfleck auf der Hose und auf dem Bettlaken zeigte. Wütend machte die kanadische Fotografin daraufhin die Löschung publik, so dass ihr Foto nach einer Entschuldigung von Instragram wieder veröffentlicht wurde.

Immer öfter werden die Themen Menstruation und Period Shaming auch in anderen sozialen Medien aufgegriffen. Dabei nutzen vor allem Mädchen und junge Frauen diese globale Bühne, um die natürlichste Sache der Welt aus der peinlichen Ecke heraus zu katapultieren.

"Ich schäme mich nicht"

Bemerkenswert ist beispielsweise das Aufbegehren der indischen Schülerin Anushka Dasgupta. Obwohl in ihrer Heimat – genauso wie in vielen anderen Ländern Asiens und Afrikas – Menstruation als etwas Unreines, Schmutziges gilt, erzählte sie auf Facebook ihr Geschichte. Der Heimweg von der Schule wurde für sie zum Spießrutenlauf, weil auf ihrer Kleidung in Schritthöhe ein großer Blutfleck sichtbar wurde, den sie nicht sofort bemerkt hatte.

Trotzig stellte sie später das Foto davon ins Netz und machte im Begleittext klar: "Dieses Posting ist für alle Männer, die mich angegafft haben und für alle Frauen, die mir unterwegs Hilfe angeboten haben, meine Weiblichkeit schnell mit Binden zu verstecken. Ich schäme mich nicht dafür. Ich blute alle 28 bis 35 Tage und es ist manchmal schmerzhaft, manchmal bekomme ich Stimmungsschwankungen, aber ich schäme mich nicht - das sollte sowieso niemand."

Für ihre couragierte Veröffentlichung bekam Anushka viel Beifall. Tausende Mädchen und junge Frauen in aller Welt teilten ihr Posting und dankten ihr für ihre offenen Worte.

Tampon-Frage an US-Präsident Obama

Die US-amerikanische Video-Bloggerin Ingrid Nielsen hat in einem Interview mit Barrack Obama keck nachgefragt, warum ausgerechnet Bedarfsgegenstände wie Tampons in den USA (übrigens auch hierzulande) als Luxusprodukte gelten und deshalb mit einer hohen Mehrwertsteuer belegt seien. Der US-Präsident – ratlos aber nicht verlegen – antwortete, dass er vermute, dass es zu solchen Absurditäten kommen könnte, weil die meisten Gesetze immer noch von Männern gemacht würden.

Sichtbar machen, was unsichtbar sein soll

Ein deutliches Zeichen mit großer Öffentlichkeitswirkung setzte die Studentin und Musikerin Kiran Gandhi. Beim London Marathon im vergangenen Jahr entschied sie sich bewusst dazu, ohne Hygieneschutz mitzulaufen, obwohl sie gerade ihre Tage hatte. Mit dieser Protestaktion wollte die Amerikanerin zeigen, dass sie in einer Welt leben möchte, in der sich Mädchen und Frauen nicht für ihre Periode schämen müssen.

In ihrem Blog schrieb sie: "Frauen und Männer werden gleichermaßen dazu sozialisiert , dass die Menstruation praktisch nicht existent ist. Indem es still und leise abzulaufen hat, werden Mädchen schon sehr früh dazu getrimmt, sich nicht zu beschweren oder über ihre körperlichen Funktionen und Befindlichkeiten zu sprechen, denn keiner kann sehen, was passiert. Und wenn man es nicht sehen kann, ist es wahrscheinlich auch kein großes Ding."

Erfolgreich mit Menstruation-Videos

Eine, die besonders erfolgreich am Tabu kratzt, ist die Schwedin Clara Henry. Mit zwölf Jahren startete die heute 21-Jährige ihren ersten Blog. Nun verzeichnet sie als eine der erfolgreichsten Youtuberinnen Skandinaviens bei ihren Videos, die sich immer wieder mit der Menstruation befassen, hunderttausende Aufrufe. Kein Wunder: Die Stockholmerin packt die Thematik frech und unverkrampft an und ermuntert Mädchen, selbstbewusst mit ihrem Körper umzugehen.

Ihre Erkenntnisse und Gedanken hat Clara Henrys nun auch in einem Buch verewigt, das in Schweden ein Bestseller ist und hier unter dem Titel "Ja, ich habe meine Tage, so what?" erschienen ist. Getreu ihrer Devise "Sprich darüber, wenn du willst, lass es bleiben, wenn nicht, aber hör auf, deine Tage voll peinlich zu finden" verknüpft die Autorin witzig und gehaltvoll Informationen zu Gesundheit, zur Pubertät und zur Biologie des Körpers mit eigenen Erfahrungsberichten und Produkttipps zu einem erfrischendem Plädoyer gegen das Period Shaming.

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