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So groß ist der Lohnunterschied für Zeitarbeiter wirklich


Exklusive Studie
So groß ist der Lohnunterschied für Zeitarbeiter wirklich

Von Frederike Holewik

01.06.2022Lesedauer: 4 Min.
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Ein Mann arbeitet mit einer Kreissäge (Symbolbild): Ein Drittel aller Zeitarbeitskräfte in Deutschland arbeitet in der Metall- oder Elektrobranche.Vergrößern des Bildes
Ein Mann arbeitet mit einer Kreissäge (Symbolbild): Ein Drittel aller Zeitarbeitskräfte in Deutschland arbeitet in der Metall- oder Elektrobranche. (Quelle: Westend61/imago-images-bilder)

Leiharbeiter verdienen deutlich weniger als Festangestellte, heißt es. Doch stimmt das wirklich? Eine neue Studie deckt nun auf: Der Lohnunterschied ist geringer als gedacht.

Leiharbeit hat in Deutschland einen schlechten Ruf. Wer bei einer Zeitarbeitsfirma angestellt ist statt direkt beim Unternehmen, für das er arbeitet, hat eine unsichere Stelle und wird schlechter bezahlt als die festangestellten Kollegen. So zumindest lautet die landläufige Meinung – die sich scheinbar durch Statistiken der Bundesagentur für Arbeit (BA) bestätigt: Demnach bekommen Leiharbeiter rund 40 Prozent weniger Lohn als normal Beschäftigte.

Jetzt jedoch zeigt eine neue Studie: Das muss nicht unbedingt stimmen. Denn bei dem Vergleich werden die Unterschiede zwischen den Mitarbeitern nicht berücksichtigt. Zu diesem Schluss jedenfalls kommen Forscher des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), die die Studie im Auftrag des Interessensverbands Deutscher Zeitunternehmen (iGZ) verfasst haben.

Das Papier liegt t-online vorab vor. Sein überraschendes Ergebnis: Der Stundenlohn von Zeitarbeitern unterscheidet sich teils nur geringfügig von dem anderer Beschäftigter.

Zeitarbeit als Einstieg in den Arbeitsmarkt

Rund 2,2 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland haben einen Zeitarbeitsvertrag, das geht aus Daten der Bundesagentur für Arbeit von 2021 hervor. Die Mehrheit dieser Beschäftigten ist jung und männlich, der Ausländeranteil und der Anteil der Personen ohne Berufsabschluss ist höher als bei den Beschäftigten insgesamt. Ein Drittel der Zeitarbeitskräfte in Deutschland arbeitet laut BA in der Metall- oder Elektrobranche. Rund ein Viertel ist in den Bereichen Verkehr, Logistik, Schutz und Sicherheit tätig.

In der nun verfassten Studie des RWI heißt es, Zeitarbeit biete dieser Personengruppe eine "Einstiegsmöglichkeit in den Arbeitsmarkt". Die Autoren begründen diese Annahme damit, dass 45 Prozent der Zeitarbeiter zwei Jahre nach Ende ihrer Beschäftigung in einer anderen Beschäftigungsform arbeiten.

Doch Zeitarbeit kann sehr unterschiedlich aussehen. Für Unternehmen ist Zeitarbeit als Modell vor allem wegen seiner Flexibilität interessant. Genau das ist es aber auch, was das Modell immer wieder in Verruf bringt. Die Jobs gelten als unsicher, die Bezahlung wird als zu niedrig angesehen.

Unterschiedliche Datensätze führen zu Verzerrung

In konkreten Zahlen der BA ergibt sich eine Lohnlücke von 42,4 Prozent zwischen Vollzeitbeschäftigten, die im Schnitt ein Bruttogehalt von 3.347 Euro beziehen, und Zeitarbeitern, die 1.928 Euro verdienen. Diesen Vergleich jedoch kritisieren die Studienautoren. Sie sagen, dass die BA ihre Werte nur bis zur Beitragsmessungsgrenze erhebe und somit die Daten verzerrt würden.

Noch größer fällt der Lohnunterschiede in einer anderen Statistik zur Zeitarbeit aus, nämlich in der Berechnung der Verdienststrukturerhebung (VSE) des Statistischen Bundesamtes. Diese wird alle vier Jahre unter rund einer Million Beschäftigten durchgeführt. Hier klafft eine Lohnlücke von 45 Prozent zwischen den beiden Gruppen, denn es werden statt dem Median die Durchschnittslöhne verglichen, wodurch Ausreißer nach oben wie unten noch stärkeren Einfluss haben.

Expertise führt zu kleineren Lücken

Doch auch beim Vergleich der Bruttomonatslöhne zeigen sich deutliche Unterschiede je nach Erfahrung. Arbeiter, die Hilfstätigkeiten ausüben, verdienen als Zeitarbeiter im Schnitt 32 Prozent weniger, auf der Expertenstufe beträgt die Diskrepanz hingegen rund 17 Prozent.

Die Studienautoren weisen darauf hin, dass ein solch einfacher Vergleich zwischen den Gehältern von Zeitarbeitern und anderen Beschäftigten eine Verzerrung darstelle. Immerhin würden sich die Gruppen deutlich unterscheiden. Stattdessen müssten sogenannte statistische Zwillinge gefunden werden, also eine Vergleichsgruppe, deren Mitglieder hinsichtlich verschiedener Merkmale wie etwa Bildungsgrad und Dauer der Zugehörigkeit zum Unternehmen in Übereinstimmung liegen.

Die Löhne in der Zeitarbeit sind durch zwei Tarifverträge zwischen den Arbeitgeberverbänden und einem Gewerkschaftsbündnis geregelt. Die Rahmenbedingungen für Kündigung, Sonderzahlungen und Urlaubsanspruch sind ähnlich. 88 Prozent der Zeitarbeitskräfte gehen einer tarifgebundenen Beschäftigung nach.

Tatsächlich zeigt sich dabei schnell: Bei mehr übereinstimmenden Variablen wie etwa Alter, Bildungsstand und Beschäftigungsumfang schrumpft der Lohnunterschied deutlich. Je nach Berechnungsgrundlage liegt die Differenz bei diesem Vergleich zwischen knapp 20 und nur 6 Prozent, also deutlich niedriger als bei den von der BA angegebenen 42 Prozent.

Klar ist: Selbst diese "bereinigte" Lohnlücke stellt einen erheblichen Unterschied dar. Die Studienautoren nennen als mögliche Erklärungen vor allem verschiedene Arbeitszeiten. Aber auch wie lange ein Beschäftigter für ein Unternehmen arbeitet, kann Einfluss auf die Bezahlung haben. Darüber hinaus haben viele Zeitarbeiter mehr Unterbrechungen in ihrer Beschäftigungsgeschichte.

Stundenlohn zeigt kaum Unterschiede

Den Einfluss der Arbeitszeit zu überprüfen, ist aber gar nicht so einfach. Denn: Die Bundesagentur für Arbeit unterscheidet nur zwischen Teil- und Vollzeit und erhebt bei ihren Daten auch keine Stundenlöhne.

Um diesen Aspekt zu überprüfen, stützen sich die Studienautoren daher lediglich auf die Daten des Statistischen Bundesamtes. Vollzeitbeschäftigte verdienen demzufolge im Schnitt 22,68 Euro pro Stunde. Zeitarbeiter hingegen 15,40 Euro, was einer Diskrepanz von 32,07 Prozent entspricht.

Werden allerdings Arbeiter mit gleichem Anforderungsniveau verglichen, schrumpft dieser Unterschied zusammen. Die Studienautoren kommen zu dem deutlichen Ergebnis: "Betrachtet man hingegen die Lohnlücken auf der Ebene der Stundenlöhne, ergibt sich anhand der Verdienststrukturerhebung ein vollkommen anderes Bild. Hier schwankt die Lohnlücke zwischen nahe null Prozent und bis zu 18 Prozent, je nach gewählter Vergleichsgruppe."

Immer noch eine weite Spanne, aber deutlich unter den Werten der Bundesagentur für Arbeit. Und: Bei fast identischen Merkmalen der Arbeitnehmer liegt der Stundenlohnunterschied bei nahezu null Prozent.

Verwendete Quellen
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