t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeWirtschaft & FinanzenAktuellesWirtschaft

Notfallplan Gas: So bereitet sich der Bund auf einen Ausfall von russischem Gas vor


Möglicher Gas-Ausfall
Putin versetzt Habecks Ministerium in Alarmbereitschaft

Von Frederike Holewik, Mauritius Kloft

Aktualisiert am 23.06.2022Lesedauer: 4 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Robert Habeck: Der Wirtschaftsminister ist wegen Russlands reduzierten Gaslieferungen besorgt, gibt aber vorerst Entwarnung.Vergrößern des Bildes
Robert Habeck: Der Wirtschaftsminister ist wegen Russlands reduzierten Gaslieferungen besorgt, gibt aber vorerst Entwarnung. (Quelle: Chris Emil Janßen/imago-images-bilder)

In Deutschland herrscht Alarmstimmung. Denn Wirtschaftsminister Habeck rief am Donnerstag die Alarmstufe des Notfallplans Gas aus.

Die Lage wird ernst. Der russische Energiekonzern Gazprom hat wie angekündigt Mitte Juni seine Gaslieferungen nach Deutschland durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 weiter reduziert (t-online berichtete). Wie aus im Internet veröffentlichten Transportdaten des Pipelinebetreibers Nord Stream hervorgeht, sank die Gasmenge auf knapp 40 Prozent.

Schuld ist laut Russland ein fehlendes Aggregatorteil, das aktuell in Kanada zur Reparatur liegt. Inwiefern der Kreml aber auch Druck auf den Westen ausüben will, ist offen (mehr dazu lesen Sie hier). Die Drosselung der Gasmenge fällt mit dem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Kiew zusammen.

Doch der Bund bereitet sich bereits seit Wochen auf eine solche Situation vor: Ende März hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bereits die Frühwarnstufe des "Notfallplans Gas" der Bundesregierung ausgerufen. Am Donnerstag aktivierte er nun die zweite Stufe, die Alarmstufe (was das genau bedeutet, lesen Sie hier).

Ob und wann die dritte und letzte Stufe des "Notfallplans Gas" in Kraft tritt, ist offen. Doch was genau ist dieser Notfallplan überhaupt? Was regelt er und wem würde in Deutschland womöglich zuerst das Gas abgedreht? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was ist der "Notfallplan Gas"?

Der "Notfallplan Gas" regelt die Gasversorgung in Deutschland in einer Krisensituation. Er kennt drei Eskalationsstufen, je nachdem, wie deutlich der Eingriff des Staates ist.

  • 1. Frühwarnstufe: In der ersten Stufe, die Habeck Ende März ausgerufen hat, tritt ein Krisenstab beim Bundeswirtschaftsministerium zusammen, der aus Behörden und den Energieversorgern besteht. Die Gasversorger und die Betreiber der Gasleitungen werden etwa verpflichtet, regelmäßig die Lage für die Bundesregierung einzuschätzen. Noch greift der Staat aber nicht ein.
  • 2. Alarmstufe: In der sogenannten Alarmstufe kümmern sich die Versorger noch in Eigenregie um eine Entspannung der Lage. Das geschieht beispielsweise durch einen Rückgriff auf ihre Gasspeicher, den Kauf von Erdgas aus alternativen Lieferquellen oder die Verschiebung von Erdgas innerhalb der überregionalen Pipelinenetze. Doch die Alarmstufe ist die Vorstufe einer Notsituation, die verhindert werden soll.
  • 3. Notfallstufe: In diesem Fall liegt eine "außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas, eine erhebliche Störung der Gasversorgung oder eine andere erhebliche Verschlechterung der Versorgungslage" vor. Jetzt greift der Staat in den Markt ein. Konkret heißt das: Die Bundesnetzagentur bekommt die Kompetenzen zu entscheiden, wer weiterhin Gas bekommt und wer im Zweifelsfall nicht. Sie tritt als "Lastverteiler" auf. Priorität haben "geschützte" Kunden, auch die deutschen Haushalte.

Wem wird zuerst das Gas abgedreht?

Zuerst trifft es die Industrie. Sie zählt zu den sogenannten nicht geschützten Kunden und benötigt dabei mehr als ein Drittel des in Deutschland verbrauchten Gases.

Besonders hoch ist der Verbrauch in der chemischen Industrie. Aktuell führt die Bundesnetzagentur bereits Gespräche "zur Krisenvorbereitung mit der Industrie und der Energiewirtschaft", wie sie auf Anfrage von t-online bestätigte.

Anlass der Gespräche sei "die Vorbereitung für den Fall unvermeidbarer Abschaltungen der Industrie in einer Gasversorgungskrise", heißt es weiter. Man wolle sich zu den Details der Gespräche aber nicht äußern. Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, sagte Ende März: "Es geht darum, vorbereitet zu sein für einen Fall, von dem wir hoffen, dass er nie eintritt."

An diesem Credo hält Müller auch weiter fest. Es müsse vor dem Ausrufen höherer Stufen jeweils eine sorgfältige Prüfung stattfinden, sagte er am Dienstag.

Welche Unternehmen genau vom Gas abgeschnitten würden, ist aber reine Spekulation. Schon jetzt bringen sich die Branchen in Stellung.

Was bedeutet das für Gaskunden?

Erst einmal wenig. Sie zählen wie soziale Einrichtungen und Krankenhäuser zu den "geschützten" Kunden. Auch die Bundesnetzagentur betonte das. "Haushaltskunden unterliegen in einer solchen Situation einem besonderen gesetzlichen Schutz und werden vorrangig versorgt", heißt es.

"Klar ist: Geschützten Kunden, wie etwa private Haushalte, werden so lange, wie es geht, beliefert", sagt auch Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes Energie und Wasserwirtschaft (BDEW), t-online.

Doch das könnte sich auch ändern. Durch die im Mai beschlossene Preisanpassungsklausel im Energiesicherungsgesetz eingefügt, ist es Versorgern erlaubt, hohe Einkaufspreise für Erdgas auch bei langfristigen Verträgen direkt an ihre Kunden weiterzureichen. "Alle hiervon betroffenen Energieversorgungsunternehmen entlang der Lieferkette (haben) das Recht, ihre Gaspreise gegenüber ihren Kunden auf ein angemessenes Niveau anzupassen", heißt es in Paragraf 24.

Voraussetzung dafür ist nämlich das Ausrufen der Alarmstufe. Doch es gibt noch eine weitere Bedingung: Die Bundesnetzagentur muss dafür – zusätzlich zur Alarmstufe – förmlich "eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen" feststellen. Dabei geht es also nicht nur darum, wie viel Gas durch die Ostsee-Pipeline fließt. Die Bundesnetzagentur wird dies zunächst nicht tun, wie Habeck auf der Pressekonferenz bestätigte.

In einem über Twitter verbreiteten Video dankte Wirtschaftsminister Habeck indes der Bevölkerung und den Unternehmen für ihre bisherigen Bemühungen. Der Politiker appellierte mit Blick auf das Energiesparen zugleich: "Es ist jetzt der Zeitpunkt, das zu tun. Jede Kilowattstunde hilft in dieser Situation."

Auf diese Fragen kommt es jetzt an

Denn es kommt selbstredend auf die außenpolitische Lage und die Fragen an: Was macht Putin als Nächstes? Stoppt Russland die Gaslieferungen ganz oder fährt der Kreml sie noch weiter herunter? Und: Wie viel Gas kann kompensiert werden, werden die Gasspeicher zum Winter ausreichend gefüllt werden können?

Sollte sich die Situation verschärfen, würde die Folgestufen des Notfallplans mit hoher Wahrscheinlichkeit zügig aktiviert. Aktuell bleibt also nur: abwarten.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Sprecherin des Wirtschaftsministeriums
  • Statement der Bundesnetzagentur
  • Statement des BDEW
  • Pressemitteilung BDEW
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website