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Paracetamol, Ibuprofen und Co.: Schmerzmittel sind oft ohne Nutzen


Nicht einfach schlucken
Schmerzmittel sind oft nutzlos und gefährlich

t-online, Ann-Kathrin Landzettel

Aktualisiert am 31.08.2017Lesedauer: 5 Min.
Frau nimmt PillenVergrößern des BildesEine neue Studie zeigt: Ibuprofen erhöht den Blutdruck bei Patienten mit Arthrose oder rheumatoider Arthritis deutlich. (Quelle: Liderina/Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Schmerzmittel sind ein fester Bestandteil in deutschen Badezimmern. Bei Kopfschmerzen, Rückenbeschwerden oder Erkältungssymptomen scheinen die kleinen Helfer oft die letzte Lösung zu sein. Doch häufig ist der gewählte Wirkstoff nutzlos oder gar gefährlich. Eine neue Studie etwa zeigt: Ibuprofen erhöht den Blutdruck bei Patienten mit Arthrose. Wir erklären, wann die vier bekannten Schmerz-Wirkstoffe Paracetamol, Ibuprofen, ASS und Diclofenac wirklich helfen können und wie Sie gefährliche Nebenwirkungen vermeiden.

"Wir greifen viel zu oft unnötig zu Schmerzmitteln", betont Dr. Gerhard Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS). "Es ist erschreckend, dass diese Präparate in Deutschland wie Lutschbonbons eingenommen werden, oft mit verheerenden Folgen. Zumal die Wirkstoffe bei vielen Leiden überhaupt keine Wirkung zeigen."

Schmerzmittel bei Rücken- und Kopfschmerzen oft wirkungslos

Müller-Schwefe bestätigt, was auch eine Studie 2015 mit 1600 Patienten, erschienen im Fachmagazin "The Lancet", zeigte: Paracetamol ist bei Rückenschmerzen meist völlig nutzlos. Doch das gilt nicht nur für diesen einen Wirkstoff. "Der Grund ist folgender: Paracetamol, Ibuprofen, Diclofenac und Acetylsalicylsäure (ASS) gehören zu den sogenannten Entzündungshemmern. Diese wirken nur, wenn eine Entzündung vorliegt. Doch bei Rückenschmerzen ist in vielen Fällen eine Muskelverspannung die Ursache. Die Einnahme der Tabletten zeigt somit keinen Effekt", sagt der Schmerzexperte.

Ibuprofen erhöht den Blutdruck bei Arthrose-Patienten

Eine Studie mit 444 US-Patienten, deren Ergebnisse am 28. August 2017 am Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie in Barcelona vorgestellt wurden, zeigt nun eine gefährliche Nebenwirkung von Ibuprofen: Nehmen Patienten mit Arthrose oder rheumatoider Arthritis Ibuprofen, steigt ihr Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen verglichen mit anderen Schmerzmitteln. Es ist gemeinhin bekannt, dass Ibuprofen Nebenwirkungen wie erhöhten Blutdruck verursacht. Die Studie zeigt zudem, dass Ibuprofen sich deutlich ungünstiger auswirkt als nichtsteroidale Entzündungshemmer Naproxen und Celecoxib.

Die Nebenwirkungen von Ibuprofen

"Der Blutdruckanstieg unter Ibuprofen ist signifikant", sagt Prof. Frank Ruschitzka, Leiter der Studie und stellvertretender Direktor der Klinik für Kardiologie am Universitären Herzzentrum Zürich auf "usz.ch". Ibuprofen sei "eindeutig nicht so sicher wie früher gedacht", so der Mediziner. Gerade für ältere Patienten, die häufig unter Arthrose und hohem Blutdruck litten, seien die Ergebnisse von großer klinischer Bedeutung, führt Ruschitzka aus: "Eine Senkung des Blutdrucks um nur 2 mmHg verringert das Infarktrisiko um zehn Prozent und das Mortalitätsrisiko bei koronarer Herzkrankheit um sieben Prozent."

Bewegung und Wärme sind oft besser als Tabletten

Bewegung und Wärme helfen dann viel effektiver gegen den Schmerz. Auch Magnesium kann aufgrund seiner muskelentspannenden Wirkung helfen, so Müller-Schwefe. Haben sich die Beschwerden nach einer Woche nicht gebessert, sollten Sie einen Arzt aufsuchen. Laut dem Experten verschwinden 90 Prozent der Rückenschmerzen allerdings von allein wieder.

Auch bei Spannungskopfschmerzen können die genannten Wirkstoffe nicht helfen. "Das liegt daran, dass auch hier keine Entzündung vorliegt“, sagt der Schmerzexperte. Bewegung, eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr sowie Pfefferminzöl auf den Schläfen sind in einem solchen Fall viel hilfreicher.

Wirkungen von Paracetamol & Co. unterscheiden sich kaum

Bei Migräne, Zahnschmerzen und entzündlichen Knieverletzungen hingegen seien die Wirkstoffe aber durchaus wirksam, sagt Müller-Schwefe und betont: "Für welchen Wirkstoff man sich allerdings entscheidet, ist eine Frage der Verträglichkeit. Die Wirkung der Entzündungshemmer ist immer ähnlich. Es gibt keinen Entzündungsschmerz, bei dem ein Wirkstoff besonders gut hilft."

Kein Wirkstoff ist ein Wundermittel ohne Nebenwirkungen

Doch warum gibt es dann überhaupt so viele entzündungshemmende Schmerzmittel auf dem Markt, wenn sich die Wirkstoffe in ihrer Wirkung kaum unterscheiden? "Die Wirkstoffe Paracetamol, ASS, Diclofenac und Ibuprofen sind nicht für bestimmte Beschwerden auf den Markt gebracht worden, sondern Ergebnis einer langen Forschungsreihe mit dem Ziel, ein Schmerzmittel mit möglichst wenigen Nebenwirkungen zu entwickeln", erklärt der Experte. "Zu Beginn ist die Euphorie meist groß, doch dann merkt man, dass auch das neue Präparat Risiken birgt und forscht an einem neuen Wirkstoff weiter. So kommt es zu den vielen Präparaten auf dem Markt."

Wirkstoffe würden heute keine Zulassung mehr erhalten

Jedes Jahr gibt es in Deutschland etwa 3000 Schmerzmittel-Tote. Wer ständig zu Tabletten greift, nimmt gefährliche Nebenwirkungen in Kauf. Und das für Präparate, die lediglich drei bis vier Stunden wirken. Dessen muss man sich bewusst sein.

Wie riskant eine regelmäßige Einnahme für unseren Körper sein kann, verdeutlicht der Schmerzexperte drastisch: "Müssten die Wirkstoffe ASS, Paracetamol, Ibuprofen und Diclofenac die heutigen Zulassungskriterien durchlaufen, würden sie keine Marktzulassung mehr bekommen. So kritisch sind die Nebenwirkungen einzustufen."

Riskant: Der Patient bestimmt selbst die Höhe der Einnahme

Doch warum gibt es diese Wirkstoffe dann überhaupt noch auf dem Markt? "Weil man sich gegen aufwändige und kostspielige Untersuchungen und für neue Dosier-Empfehlungen entschieden hat", antwortet Müller-Schwefe. "Diese Regelung ist aus meiner Sicht allerdings überhaupt nicht sinnvoll. Da Schmerzmittel frei verkäuflich sind, kann jeder selbst bestimmen, wie viel er einnimmt. Da kontrolliert kein Arzt die Einhaltung der Höchstdosis. Und der Patient macht sich in der Regel auch keine Sorgen. Für ihn steht die Schmerzlinderung im Fokus, nicht eventuelle Nebenwirkungen."

Schmerzmittel werden zu oft verschrieben

In Deutschland müsse man endlich umdenken, wünscht sich der Schmerzexperte. Patienten und Ärzte sollten sich viel bewusster machen, wie riskant Schmerzmittel seien. Oft werde gerade älteren Patienten, die zur Risikogruppe für Nebenwirkungen gehören, ohne mit der Wimper zu zucken Schmerzmittel verschrieben. Das sei verantwortungslos. "Die Zeit und die Aufmerksamkeit für den Betroffenen fehlt im Praxisalltag leider oft", bemängelt der Experte. "Patienten müssen so immer wieder für die fehlende Aufmerksamkeit vieler Ärzte büßen."

Nebenwirkung von ASS: Magen droht, sich selbst zu verdauen

Die Nebenwirkungen von Schmerzmitteln können enorm sein. Während die seltene Einnahme der Präparate vom Körper noch recht gut verkraftet wird, kann eine regelmäßige Wirkstoffzufuhr lebensbedrohlich werden. "Nehmen wir als Beispiel den Wirkstoff ASS", sagt Müller-Schwefe. "Dieser ist in Deutschland der beliebteste Schmerzwirkstoff auf dem Markt. Doch das Risiko, bei häufiger Einnahme ein Magengeschwür zu entwickeln, ist groß. Denn ASS greift die schützende Schleimhaut des Magens und des Darms an. Fehlt dieser natürliche Schutz, beginnen Magen und Darm, sich selbst zu verdauen. Doch das Risiko ist kaum jemandem wirklich bewusst.“ Schon nach sieben Tagen Einnahme seien bei 80 Prozent der Patienten bereits Schäden an der Magenschleimhaut zu erkennen, warnt der Experte.

Acetylsalicylsäure ist nicht für Herzgesunde geeignet

Die ursprünglich als Schmerzmittel entwickelte Acetylsalicylsäure hat für Herzpatienten eine positive Eigenschaft: Der Wirkstoff verhindert, dass Blutplättchen zusammenkleben und sich gefährliche Gerinnsel bilden, welche die Arterien verstopfen. Für diese Patienten macht das Medikament auch Sinn. Zumal diese unter ärztlicher Beobachtung stehen und zusätzlich auch magenschützende Medikamente verabreicht bekommen. "Als Schmerzmedikament für Herzgesunde ist das Präparat jedoch überhaupt nicht geeignet", betont Müller-Schwefe.

Nebenwirkungen besser nicht unterschätzen

Die regelmäßige Einnahme von Entzündungshemmern erhöht nicht nur das Risiko, an einem Magen- oder Darmgeschwür beziehungsweise einem bösartigen Tumor zu erkranken. Auch die Gefahr, einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt zu erleiden, steigt. Zudem können Magen- und Darmgeschwüre zu lebensbedrohlichen Blutungen führen. Das Tückische: Meist bemerkt man diese nicht und auch die Blutungen bleiben oft unerkannt.

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Leber und Nieren können Schaden nehmen

Die Leber kann ebenfalls Schaden nehmen und auch die Nieren können versagen. "Besonders kritisch ist es, wenn Schmerzmittel in Verbindung mit Sport eingenommen werden, beispielsweise um bei einem Marathon Schmerzen vorzubeugen", warnt der Experte. "Trinkt der Sportler nicht ausreichend und verliert er aufgrund der Anstrengung noch weiter Flüssigkeit, werden die Nieren nicht mehr ausreichend durchgespült. Das kann zu einer kritischen Wirkstoffansammlung führen. Das ist eine Belastung, die das Organ oft nicht bewältigen kann."

Wirkstoff ASS ist besonders kritisch

Auf die Frage, welcher Wirkstoff am kritischsten einzustufen ist, antwortet Müller-Schwefe: "Der Wirkstoff ASS ist meiner Meinung nach am gefährlichsten. Doch Nebenwirkungen haben die Präparate bei einer Daueranwendung alle. Paracetamol ist am besten verträglich und wirkt zudem auch fiebersenkend. Diclofenac kann mit einer sehr guten schmerzlindernden Wirkung punkten, Ibuprofen ist für den Magen am wenigsten riskant."

So kurz wie möglich, so wenig wie nötig

Eine langfristige Einnahme sollte bei Schmerzmitteln auf jeden Fall vermieden werden. Generell gilt: So kurz wie möglich und so wenig wie nötig. "Nehmen Sie nie an mehr als zehn Tagen im Monat Schmerztabletten zu sich", betont Müller-Schwefe. "Und sprechen Sie bei länger anhaltenden Beschwerden mit Ihrem Arzt über mögliche Alternativen."

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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