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Kaugummi verschluckt: Wie gefährlich ist das?


Mythos oder Medizin
Ist es gefährlich, Kaugummis zu verschlucken?

spiegel-online, Irene Berres

22.10.2014Lesedauer: 3 Min.
Um das Verschlucken eines Kaugummis ranken sich viele Mythen.Vergrößern des BildesUm das Verschlucken eines Kaugummis ranken sich viele Mythen. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Kaugummi

Seine Klebrigkeit verhalf dem Kaugummi zu einem lebensrettenden Einsatz, der MacGyver würdig gewesen wäre. 1911 befand sich ein Flugzeug der britischen Royal Airforce über den Weiten des Atlantiks, als die Besatzung ein Leck entdeckte. Da ein anderes Füllmaterial fehlte, begann die Crew hastig, Kaugummis zu kauen, so überliefert es "The Great American Chewing Gum Book". Mit der klebrigen Masse stopfte sie das Loch, Maschine und Besatzung erreichten ohne weitere Schäden ihr Ziel.

So faszinierend diese Geschichte auch ist, sie macht ein wenig skeptisch: Sollte man etwas, das so stark klebt, runterschlucken? Natürlich nicht, warnen viele Eltern und Freunde im Chor, Kaugummi lässt sich nicht verdauen und bildet über die Jahre im Magen einen riesigen Ball mit Mintbananenkirschgeschmack.

Ganz so fatal ist es dann aber doch nicht. Kaugummi klebt, weil er sich bis ins kleinste Detail anderen Oberflächen anpassen kann. Er heftet sich so perfekt in die Rillen der Jeans oder in die kleinen Kratzer des Holztischs, dass er quasi mit ihnen verschmilzt. Im Körper allerdings bekommt er dazu keine Gelegenheit. Ob im Mund, in der Speiseröhre, im Magen oder im Darm: Überall legt sich ein Feuchtigkeitsfilm auf den Kaugummi, der einen direkten Kontakt mit der Körperoberfläche verhindert. Festkleben ausgeschlossen. Trotzdem bleibt die Frage, was bei der Verdauung mit der klebrigen Masse passiert.

Unverdaulicher Klumpen

Tatsächlich kann unser Körper nur winzige Mengen eines Kaugummis verwerten. Ausschließlich der Zucker und andere Zusätze wie Aromen lösen sich bei der Verdauung aus dem Kaugummi und verteilen sich über die Blutbahn im gesamten Organismus. Mit dem großen Rest aber, der weißen Kaumasse, kann der Körper nichts anfangen. Sie wandert, von den unermüdlichen Wellenbewegungen der Verdauung angetrieben, vom Magen über den Dünndarm weiter in den Dickdarm.

Am Ende plumpst sie dorthin, wo alles landet, was unser Körper aus der Nahrung nicht gebrauchen kann: in die Toilette. "Was oben reingeht, kommt auch unten wieder raus", sagt Axel Enninger, Kindergastroenterologe am Klinikum Stuttgart. Das zumindest gilt für den Großteil der Fälle.

Eine andere Erfahrung musste eine Britin machen, die mit Übelkeit ins Frenchay Hospital in Bristol kam. Die Frau, sie war um die 40 Jahre alt, konnte plötzlich nicht mehr schlucken. Weder Flüssigkeit noch Festes, alles bereitete ihr Beschwerden. Auf Röntgenaufnahmen konnten die Mediziner nichts erkennen, schreiben sie im "British Medical Journal". Als sie jedoch mit einem Endoskop - einem schlauchigen Gerät mit Kamera und Licht - in die Speiseröhre vordrangen, stießen sie auf ein fünf mal fünf Zentimeter großes, cremefarbenes Bällchen.

Auf Nachfrage räumte die Patientin ein, dass sie pro Tag den Inhalt von etwa drei Kaugummi-Päckchen verschlucke. In derartigen Mengen kann sich die zähe Masse tatsächlich zu einem großen Klumpen vereinen und steckenbleiben. Oft passiert so etwas jedoch nicht, auch nicht bei Kindern mit noch kleineren Öffnungen: "Ich kenne niemanden, der an einem verschluckten Kaugummi zu Schaden gekommen ist", sagt Gastroenterologe Enninger. Unter normalen Bedingungen muss sich also niemand sorgen, dass ein verschluckter Kaugummi seinen Verdauungstrakt verstopft.

Die wahre Kaugummi-Gefahr

Die wahre Gefahr des Kaugummikauens sieht Enninger an einer ganz anderen Stelle, genauso wie Ärzte der Berliner Charité. In einem Bericht schildern sie den Fall einer 21-Jährigen, die acht Monate lang unter ständigem Durchfall litt. Vier- bis zwölfmal am Tag rannte die junge Frau auf die Toilette. Ihr Körper schwand, sie wog nur noch 40,8 Kilogramm. Nach verschiedenen Irrwegen stießen die Mediziner auf die Ursache des Übels: zuckerfreie Kaugummis.

Bis zu 16 Streifen kaute die Frau jeden Tag, dabei nahm sie bis zu 20 Gramm des Süßungsmittels Sorbitol zu sich, das auch als Abführmittel genutzt wird. Der Zuckeralkohol durchwandert die Verdauung wie die Kaumasse unangerührt, auf seinem Weg durch den Darm bindet er allerdings Wasser an sich - und verdünnt den Stuhl. "Solche Kaugummi-Durchfälle sehen wir in der Klinik tatsächlich häufig", sagt Enninger. Der Durchfall sei meist aber nur störend. "Dass die Patienten dadurch richtig abnehmen und krank werden, ist selten."

Trotzdem kann der Experte Kaugummis auch Gutes abgewinnen. Bei Patienten, die etwa aufgrund einer Erkrankung für einige Zeit nur Flüssiges essen können, halten die Süßigkeiten die Kaumuskeln in Form. Außerdem zeigen Studien mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen, dass Kaugummikauen nach dem Essen Sodbrennen lindern kann. "Das liegt wahrscheinlich daran, dass das Kauen die Bewegungen des Magen-Darm-Trakts ankurbelt", sagt Enninger. Und dann klappt es auch besser mit der Verdauung.

Fazit: Kaugummikauen kann der Verdauung sogar guttun! Wenn gerade kein Mülleimer in der Nähe ist, schadet es auch nicht, mal einen herunterzuschlucken. Er findet garantiert wieder seinen Weg nach draußen. Nur ein ganzes Päckchen sollte es nicht sein.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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