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Ein rätselhafter Patient: Lauter rote Sterne


Ein rätselhafter Patient
Lauter rote Sterne

spiegel-online, Von Heike Le Ker

28.12.2014Lesedauer: 3 Min.
Wie ein Sternenhimmel: Die Frau hat fast am ganzen Körper juckende rote FleckenVergrößern des BildesWie ein Sternenhimmel: Die Frau hat fast am ganzen Körper juckende rote Flecken (Quelle: The Lancet)
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Eine Obdachlose wankt in die Notaufnahme. Rote Flecken übersäen ihren Körper, sie hat Atemnot, plötzlich verliert sie das Bewusstsein. Die Ursache ist eine harmlose Infektion - die bei ihr dramatische Folgen hat.

Als sich die Obdachlose in die Notaufnahme des Lahey Hospitals in der Kleinstadt Burlington (USA) schleppt, hat sie bereits hohes Fieber. Die 33-Jährige hustet, ringt nach Luft und muss sich ständig kratzen. Ihr Kopf, die Arme und Beine, Bauch und Rücken sind übersät mit roten, verkrusteten Flecken unterschiedlicher Größe. Nur die Handflächen und Fußsohlen sehen normal aus.

Die Ärzte sehen sofort, wie schlecht es der Frau geht. Ihre Körpertemperatur ist auf 41 Grad geklettert, sie atmet flach, und ihr Herz schlägt mit 85 Schlägen pro Minute zu schnell. Vor allem ihre Sauerstoffsättigung ist mit 47 Prozent viel zu niedrig, normalerweise sollte der Anteil im Blut deutlich über 90 Prozent liegen. Ansonsten ist die Patientin orientiert, antwortet klar auf Fragen und hat keine weiteren Auffälligkeiten, schreiben Wanxing Chai und Michael Gong-Ruey Ho vom Lahey Hospital im Fachmagazin "The Lancet" .

Um die Luftnot der Frau weiter abzuklären, röntgen die Ärzte den Brustkorb. In den Lungen sehen sie mehrere Verschattungen, die für eine Entzündung sprechen. Plötzlich geht es der Frau immer schlechter. Sie wird zunehmend verwirrt, spricht verwaschen und entwickelt schlaffe Lähmungen. Die Patientin, die eben noch zu Fuß in die Notfallambulanz gekommen ist, schwebt plötzlich in Lebensgefahr. Schnell bringen die Ärzte sie auf die Intensivstation und intubieren sie, um ihre Atemwege frei zu halten.

Hirnblutungen und epileptische Anfälle

Auf den Kernspin-Aufnahmen vom Kopf sind zahlreiche kleine, punktförmige Blutungen zu sehen, die sich auf die beiden Schläfenlappen verteilen, auf Teile des Hinterhauptlappens und eine im Zentrum des Gehirns liegende Struktur (Corpus callosum). Diese Blutungen erklären, warum sich der Zustand der Patientin so plötzlich verschlechtert hat. Im EEG zeigen sich zudem dauerhafte epileptische Entladungen. Zwar krampft die Frau nicht sichtbar, ihre Muskeln zucken nicht. Aber die Anfälle beeinträchtigen ihr Bewusstsein massiv und spielen sich kontinuierlich ab - ein gefährlicher Zustand.

Im Zusammenhang mit dem hohen Fieber, dem Hautausschlag und den Krampfanfällen gehen die Ärzte davon aus, dass die Frau eine sogenannte hämorrhagische Enzephalitis hat, ein Gehirnentzündung mit Blutungen, die durch einen Infekt bedingt ist.

Sie machen einen HIV-Test, der positiv ist. HIV-Infizierte sind besonders anfällig für Erreger, die Menschen mit einem gesunden Immunsystem meist überwinden können, ohne schwer krank zu werden. Dazu zählen auch Herpesviren und die sogenannten Varizellen, die Windpocken und Gürtelrose auslösen. In einer Gewebeprobe der Haut werden die Ärzte tatsächlich fündig: Sie können zwar keine Herpes-, wohl aber Varizella-Zoster-Viren nachweisen. Der juckende Hautausschlag mit den vielgestaltigen Rötungen und unterschiedlich alten Verkrustungen ist typisch für Windpocken, Mediziner sprechen von einem Sternenhimmel.

Ein Körper voller Erreger

Eine Varizellen-Enzephalitis geht oft mit einem Delirium einher und mit Schlaganfallzeichen wie akuten Kopfschmerzen, Lähmungen, Sprach- oder Sehstörungen, schreiben die Autoren im "Lancet". Gegen die Infektion hilft eine Arznei namens Aciclovir. Mehr als eine Woche lang bekommt die Frau das Virustatikum über ihre Venen verabreicht. Zusätzlich braucht sie Antiepileptika gegen ihre Anfälle.

Aber auch in ihren Lungen und in der Harnblase haben sich Erreger vermehrt. Der Schimmelpilz Aspergillus hat eine Lungenentzündung ausgelöst und E.-coli-Bakterien eine Infektion der Harnwege.

Nachdem die Ärzte den Zustand ihrer Patientin auf der Intensivstation wieder stabilisiert haben, beginnen sie mit einer antiretroviralen Therapie gegen HIV. Weil sie eine weitere, mitunter schwer verlaufende Lungenentzündung mit dem Schlauchpilz Pneumocystis carinii befürchten, beginnen sie auch hier eine prophylaktische Behandlung.

Nach zwei Monaten Rehabilitation kann die Frau wieder alleine laufen und ohne Schwierigkeiten sprechen. Auch mehr als ein Jahr nach der schweren Infektion geht es ihr in Bezug auf ihre kognitiven Fähigkeiten und Bewegungsmöglichkeiten fast so gut wie zuvor. Ob die Frau zu diesem Zeitpunkt allerdings wieder auf der Straße lebt und wie stark die HIV-Infektion sie beeinträchtigt, schreiben die Autoren nicht.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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