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Dürfen Erzieherinnen Kindern Medikamente geben?


Medikamente geben oder Zecken ziehen
Erzieherinnen sind keine Krankenschwestern

t-online, Simone Blaß

01.06.2016Lesedauer: 4 Min.
Ein Pflaster aufkleben durften Erzieher und Lehrer schon immer. Doch wenn es um die Gabe von Medikamenten geht, bewegen sie sich in einer Grauzone. Die verschiedenen Einrichtungen handhaben das sehr unterschiedlich.Vergrößern des BildesEin Pflaster aufkleben durften Erzieher und Lehrer schon immer. Doch wenn es um die Gabe von Medikamenten geht, bewegen sie sich in einer Grauzone. Die verschiedenen Einrichtungen handhaben das sehr unterschiedlich. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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In den letzten Jahren hat das Thema Medikamentengabe in Kitas an Brisanz gewonnen. Zum einen gibt es immer mehr Kinder mit chronischen Erkrankungen, zum anderen ist der Bedarf an ganztägiger Betreuung gestiegen. Doch Erzieherinnen und vor allem die Träger der Einrichtungen geraten dabei in eine rechtliche Grauzone.

Eine Zecke ziehen, homöopathische Kügelchen verabreichen, einen Insektenstich mit einer schmerzstillen Salbe behandeln, ein Desinfektionsspray auf eine kleine offene Wunde geben, eine Medizin verabreichen – das müsste doch drin sein, denken die meisten Eltern. Doch viele Krippen und Kindergärten weigern sich.

Susanne hat dafür kein Verständnis. Sie ist alleinerziehend, eine Oma ist nicht in der Nähe und zuhause bleiben kann sie nur, wenn der Kinderarzt ihre Tochter krankschreibt. Das aber wird er nicht tun, denn das Kind ist ja wieder gesund, muss lediglich sein Antibiotikum zu Ende nehmen. "Das kann doch nicht sein, dass man mir im Kindergarten sagt, meine Tochter könne nicht kommen, nur weil man ihr nach dem Mittagessen einen Löffel Medizin geben müsste. Soll ich jetzt vielleicht wegen bürokratischer Hürden das bisschen Urlaub opfern, das die Kleine und ich zusammen haben?"

Die Erzieherin Barbara Langzeuner kennt das Problem zur Genüge und hat Verständnis für die Eltern. Sie muss sich aber an die Reglungen des Kita-Trägers halten: "Wir dürfen keine Medizin geben, auch keine Globuli. Wir hatten schon Eltern, die in der Mittagspause extra gekommen sind und ihrem Kind die Medizin gegeben haben. So konnten sie immerhin arbeiten gehen."

Träger haben Ermessensspielraum

Eine bundeseinheitliche Regelung gibt es nicht. Oft lassen die Landesgesetze den Trägern einen Ermessensspielraum. Niemand kann Erziehern vorschreiben, Medikamente zu verabreichen. Das mag bei sonst gesunden Kindern noch gehen, doch auch Kindern mit speziellen Bedürfnissen, chronischen Erkrankungen und Allergien soll es ermöglicht werden, eine Kindertagesstätte zu besuchen.

"Bei chronisch kranken Kindern machen wir Ausnahmen", so die Leiterin des Gunda-Fuchs-Kinderhauses in Nürnberg. Schließlich haben seit dem Inkrafttreten der Inklusionsrichtlinie alle Eltern ein Recht auf einen Regelplatz für ihr Kind. Denn ein Kind, das zum Beispiel Diabetes hat, gehört nicht in eine sonderpädagogische Einrichtung. Es ist ja nicht behindert, sondern braucht lediglich etwas Hilfe. Gerade für solche Fälle müssen also Lösungen her.

Das Ministerium für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt schreibt dazu: "Eine Kindertagesstätte, die ihren Versorgungs- und Betreuungsauftrag und auch die Interessen der Eltern ernst nimmt, wird sich der Gabe von Medikamenten nicht grundsätzlich verweigern." Dies kann also auch zu einem Qualitätsmerkmal für die Kita werden. Am besten wäre natürlich, es gäbe dafür eine medizinisch ausgebildete Fachkraft . Aber das ist finanziell nur sehr selten realisierbar.

Was passiert, wenn Medikamente falsch verabreicht werden?

Viele Träger von Kindertageseinrichtungen sichern sich ab. Denn wird Medizin falsch verabreicht und entsteht daraus ein Schaden für das Kind, dann ist auch nur dieses versichert. "Strafrechtlich wird das wohl keine Konsequenzen für den einzelnen Mitarbeiter haben, denn er wird es kaum mit Vorsatz getan haben. Aber arbeitsrechtlich kann das schon Folgen haben", erklärt die Bamberger Fachanwältin für Arbeitsrecht, Nadja Häfner-Beil, im Gespräch mit t-online.de.

"Auch, wenn es länderspezifisch Unterschiede gibt – im Großen und Ganzen gibt der Gesetzgeber den Trägern relativ viel Spielraum. Entscheiden diese aber, dass keine Medikamente gegeben werden, dann ist das grundsätzlich von den Mitarbeitern einzuhalten. Ausgenommen sind natürlich Erste-Hilfe-Maßnahmen, zu denen jeder Mitarbeiter ohnehin verpflichtet ist."

Erzieher sind kein medizinisches Fachpersonal

Viele Kindertagesstätten sichern sich mit einem entsprechenden Schreiben ab, auch wenn es rechtlich gar nicht notwendig wäre. In diesem wird geklärt, welches Medikament wie und wann eingenommen werden muss, welche Risiken bestehen, wie es gelagert werden muss und wer es geben darf beziehungsweise wer dessen Vertretung ist.

Gerade bei chronisch kranken Kindern ist es sinnvoll, wenn die Eltern den Arzt gegenüber der Einrichtung von der Schweigepflicht entbinden. So kann bei Komplikationen schnell ärztlicher Rat eingeholt werden. Klargestellt werden sollte auch, dass in kritischen Situationen immer der Notarzteinsatz gerufen werden muss. Doch da entsteht das nächste Problem: Dürfen die Erzieher das Kind in die Klinik begleiten? "Muss ein Kind ins Krankenhaus, dann fährt auf jeden Fall einer vom Team mit", das ist für Langzeuner ganz klar. Ein Kind in einer solchen Notlage allein zu lassen, käme für sie und ihre Kollegen nicht in Frage.

Auch die Schulen sind betroffen

Das Problem der Medikamentengabe betrifft nicht nur Kitas, sondern auch Schulen. Immerhin leiden rund zehn Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland an einer Beeinträchtigung, sind medikamentös eingestellt oder haben ein Notfallmedikament bei sich. Der Großteil von ihnen besucht eine Regelschule.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZGA) hat eine Handreichung für Lehrer herausgegeben. Darin heißt es, dass in der Schule eigentlich keine Medikamente verabreicht werden dürfen. "Eigentlich" ist bekanntermaßen eine Einschränkung. Denn da viele Kinder auf regelmäßige oder notfallbedingte Medikamenteneinnahme angewiesen sind, "ist es für die Lehrperson unumgänglich, sich gegebenenfalls mit dem Thema zu befassen und sich exakte Anweisungen von den Eltern oder eventuell sogar vom Arzt geben zu lassen."

Auch wenn die Verantwortung trotzdem bei den Eltern bleibt, gibt es also durchaus Lösungen, zum Beispiel auch für Klassenfahrten. Wichtig ist die gute Zusammenarbeit zwischen den Eltern und der Schule – im Sinne des Kindes.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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