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Zuckerfrei: Was hinter dem Ernährungstrend steckt


"Komplett zuckerfrei muss nicht sein"
Zuckerfrei: Wie gesund ist der Ernährungstrend wirklich?

dpa, Gisela Gross, Teresa Nauber

Aktualisiert am 17.10.2017Lesedauer: 4 Min.
Eine Frau hält in der einen Hand eine Apfelsine, in der anderen einen DonutVergrößern des BildesAuf Industriezucker verzichten und lieber die Apfelsine statt den Donut zum Nachtisch essen? Das fällt vielen schwer (Quelle: adrian825/Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Zucker hat viele Namen: Glukosesirup, Fruktose, Saccharose oder Maltose zum Beispiel. Klingt ungesund – aber ist es das auch? Ein Ernährungstrend dreht sich um die Abstinenz von dem "süßen Gift".

Ebola "Ohne Zuckerzusatz" oder "ungesüßt" – das klingt gesund. Manche halten ein so beworbenes Produkt gar für zuckerfrei. Es enthält aber häufig dennoch Zucker, erklärt die Verbraucherzentrale. Er stammt zum Beispiel aus Süßmolkepulver oder Früchten und ist schwer zu erkennen, weil in der Zutatenliste das Wort Zucker meist gar nicht auftaucht. Ernährungsbewusste müssen also ganz genau hinschauen.

Aufpassen muss man auch bei den Mengenangaben. Auf vielen Verpackungen ist der Zuckergehalt pro Portion angegeben. Das Problem: Wie groß eine Portion ist, legt der Hersteller fest. Sie entspricht nicht immer der Packungsgröße. Der Kunde muss also selbst ausrechnen, wie viel Zucker die Chipstüte oder Limoflasche enthält.

Der Feind steckt aber nicht nur in Muffins oder in der Schokolade. Er lauert auch dort, wo ihn kaum einer vermutet. In Essig und Wurstbrot zum Beispiel. Davor warnen eine Reihe von Autoren und Bloggern, das Stichwort #Sugarfree zieht sich durch die sozialen Netzwerke. Zuckerhaltiges Essen wird da schon mal zur Droge erklärt, das Leben ohne zum Selbstversuch. Statt Marmelade gibt es Frischkornbrei, statt Haushaltszucker wandert Ersatzsüße mit Namen wie Erythrit in den Käsekuchen. Der nächste große Hype nach vegan, laktose- und glutenfrei? Experten sehen das kritisch.

Was sich Menschen von der Zuckerabstinenz versprechen

Der neuen Welle der Zucker-Gegner geht es um mehr als Karies. Sie bringen mit dem Verzicht in Verbindung: strahlenden Teint, weniger Falten, purzelnde Pfunde, mehr Geschmackssinn und Konzentrationsfähigkeit. Kann das wirklich am Zuckerverzicht liegen? "Zucker ist nicht übermäßig gesund, und wenn wir davon viel essen, hat er negative Wirkungen für den Stoffwechsel. Aber Daten zu Wirkungen für die Schönheit gibt es nicht", sagt der Endokrinologe Andreas Pfeiffer vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam und der Charité Berlin.

Negative Folgen beträfen vor allem bereits dicke Menschen. Bei gesunden Schlanken sei eine schädliche Wirkung sehr schwer nachzuweisen. Zu Dosis und Wirkung von Zucker gibt es wenige Daten, Versuche an Mäusen sind nur bedingt auf den Menschen übertragbar. "Zucker weglassen hat im Wesentlichen den Effekt, dass man weniger dick wird, wenn man zum Dicksein neigt", bilanziert Pfeiffer.

Kein Zucker, das ist auch Teil von Ernährungsstilen wie Clean Eating (moderne Vollwertkost) und der Steinzeiternährung Paleo. Gemeint ist meist der Verzicht auf Industriezucker und Fertigprodukte, die Zucker etwa in Form von Glukose-Fruktose-Sirup enthalten. Teils kommen stattdessen kalorienärmere Süßstoffe auf den Teller. Streng genommen wäre eine zuckerfreie Ernährung auch frei von Kohlenhydraten und Waren, die von Natur aus Zucker enthalten, wie Obst, Gemüse und Milch.

Ohne Zucker zu leben ist eine "Challenge"

Vermarktet wird "zuckerfrei" mit viel Englisch ("cleanes Lifestyle-Lebensgefühl mit unzähligen Feel-Good-and-Be-Happy-Momenten", aus einer Buch-Beschreibung). Wer spricht noch von Diät? Heute geht es um die "Challenge", eine Herausforderung. Dahinter steckt Altbekanntes: ein Plan zur Ernährung über mehrere Wochen, den es durchzuhalten gilt. Fotos zeigen Frauen mit grünen Smoothies und Obstkörben. Eine Ratgeber-Autorin schreibt vorweg im Freundinnen-Tonfall: "Ich bin keine Wissenschaftlerin, sondern ein menschliches Versuchskaninchen."

Mit schöner Verpackung lasse sich der Laie in Essensfragen schnell verleiten, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Gabriele Kaufmann vom Bundeszentrum für Ernährung. Dabei ist für sie klar: "Komplett zuckerfrei muss nicht sein." Sie betont auch mit Blick auf Gesunde, die etwa auf Gluten verzichten: "Es gibt keine falschen Lebensmittel, nur einen falschen Umgang damit." Das heißt: zu viel, zu einseitiges Essen. Kaufmann warnt sogar, aus dem Takt geraten könne der Stoffwechsel gerade durch Ernährungsumstellungen ohne professionellen Rat. Jojo-Effekt nach der "Challenge" womöglich inklusive.

Antje Gahl, Sprecherin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), ist auch beim Ausweichen auf Süßstoffe skeptisch: Diese seien oft teuer und sollten maßvoll eingesetzt werden. Zwar würden sie als sicher gelten. Eine Neubewertung sei aber erst 2020 abgeschlossen.

"Die Leute essen einfach ziemlich ungesund"

So etwas wie der Papst der Zucker-Abstinenzler ist Robert Lustig von der University of California. Der Mediziner, der ein Millionenpublikum auf YouTube hat, warf der US-Lebensmittelindustrie schon vor Jahren vor, "Gift" im Essen zu verstecken – in Form von Zuckersirup aus Mais, der viel stoffwechselungünstige Fruktose enthält. Diese billige Süße stecke in Limos, Brot und Fertigessen und sei zu einem Hauptnahrungsmittel geworden. Für Lustig die Ursache für Übergewicht und Krankheiten wie Diabetes in den USA.

Lustig gehe von sehr hohem Zuckerkonsum aus, so Forscher Andreas Pfeiffer. Unabhängig davon, dass der Mais-Sirup in Deutschland bisher nicht verarbeitet wird, ist für ihn vielmehr die Kombination aus Zucker und Fett in Gebäck "ziemlich toxisch". Und natürlich seien zu viele zu süße, attraktive Produkte auf dem Markt, allen voran Limonaden. "Das ist ein Riesenproblem. Die Leute essen einfach ziemlich ungesund", sagt Pfeiffer.

Zucker ein Suchtmittel zu nennen, findet er aber problematisch. Starkes Verlangen danach sieht er in Psyche und erlernten Gewohnheiten verwurzelt. Das geht schon im Kindesalter los – wenn es zur Belohnung Süßigkeiten gibt.

Wie viel Zucker ist zu viel?
Ernährungswissenschaftler empfehlen: Je weniger Zucker, desto besser. Konkrete Empfehlungen hängen vom eigenen Energiebedarf ab – also zum Beispiel davon, ob man viel Sport treibt, im Büro oder auf der Baustelle arbeitet. Als Obergrenze rät die Weltgesundheitsorganisation WHO, dass weniger als zehn Prozent der täglichen Energiezufuhr aus freiem Zucker stammen sollten. Damit sind nicht nur zugesetzte Zucker zum Beispiel aus Fertigtomatensoße gemeint, sondern auch jener aus Honig, Sirup und Fruchtsäften. 2015 ergänzte die WHO, es sei für einen gesundheitlichen Extra-Nutzen ratsam, den Zucker-Anteil auf unter fünf Prozent zu senken. Bei einem Durchschnittsverbrauch wären das sechs Teelöffel oder 25 Gramm Zucker aus Cola, Ketchup, Tiefkühl-Pizza oder anderen verarbeiteten Lebensmitteln täglich im Mittel.

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