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Oberbayern: Whisky statt Weißbier


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Oberbayern: Whisky statt Weißbier

Stephanie von Aretin

03.06.2014Lesedauer: 4 Min.
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Guten Whiskey gibt es auch aus Deutschland.Vergrößern des Bildes
Guten Whiskey gibt es auch aus Deutschland. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Gerstensaft mal ganz hochprozentig: In der am schönen Schliersee reifen respektable Single Malts heran, die sich vor den schottischen Vorbildern nicht verstecken müssen

An schönen Tagen muss der Blick aus dem Panoramafenster großartig sein. Doch der Wendelstein und die Rotwand verbergen sich heute hinter tiefliegenden Wolken. Es regnet in Strömen und im Halbdunkel der Fasshalle macht sich so etwas wie eine schottische Stimmung breit: Über dem stillen Raum liegt eine leichte Melancholie, die wohl der Ungewissheit entspringt, ob es noch später Mittag oder doch schon früher Abend ist.

In Sherryfässern nachgereift

"Zeit", sagt Birgit Scheithauer, Prokuristin der Slyrs Destillerie, "Zeit spielt eine große Rolle beim Whisky." Die bodenständige Frau, Mitte Vierzig, spricht in gepflegtem Oberbayerisch, während sie drei Gläser in goldgelben Farbschattierungen kredenzt: In einem der dreijährige Bavarian Single Malt, die Hausmarke, im nächsten ein mit Honig und Vanille versetzter so genannter Liqueur, und schließlich ein limitierter Finish, der im 40 Jahre alten Sherryfass nachreifen durfte. >>

"Ich sag´ immer: Wir nehmen uns drei Jahre Zeit, bis unser Single Malt so weit ist. Da müssen drei Minuten für den Geschmack schon drinnen sein", fügt die Prokuristin noch hinzu, dann beginnt die Verkostung.

Also erst einmal einen Schluck nehmen, um den Mund an die Schärfe des Alkohols zu gewöhnen. Wasser. Dann noch einmal ein kleiner Schluck aus dem schmalen Glas. Innehalten. Schmecken. Genießen. Wieder warten. Versuchen, die Empfindungen in Worte zu fassen, Geschmacksrichtungen zu benennen. Schließlich schlucken. Drei Minuten sind sicher noch nicht vorbei, aber der Regen ist schon ganz weit weg.

Kilt statt Lederhose

Hier schäumt der Gerstensaft nicht im Maßkrug, rinnt nicht literweise die Kehle herunter. Zweizentiliterweise ist er abgemessen, schimmert fein bernsteinfarben transparent und wird langsam geschlürft. Der Traditionsbruch im bierseligen Bayern scheint perfekt: Kilt statt Lederhose, Malzbrand statt Starkbier, torfiges Moor statt blühende Alpenwiesen? >>

Dazu ein Whiskybrenner mit bayerischem Dialekt statt dem kehligen Schottisch, dem so wunderliche Namen wie Glenglassaugh, Loch Lomond oder Tamnavulin entspringen? Dass die Bayern es einmal den Schotten gleich tun und Whisky brennen würden, hätte vor wenigen Jahrzehnten wohl niemand gedacht.

Ionenreiches Wasser auch in Bayern

So wie Florian Stetter, der Destillateur aus der oberbayerischen Familienbrennerei Lantenhammer, sind inzwischen jedoch eine ganze Reihe bayerischer Spezialitätenbrenner auf den Geschmack des Single Malt gekommen. Stetter fand 1994 auf einer Reise nach Schottland eine ganze Menge Gemeinsamkeiten mit seiner bayerischen Heimat: Die klare Luft, das reine, ionenreiche Wasser und sogar der kantige Akzent der Schotten erinnerten ihn an seine Heimat. Ohnehin gab es in Bayern bereits große Anbauflächen für erstklassige Gerste und erfahrene Betriebe, die das Korn zu feinstem Malz verarbeiten konnten.

Buchenrauch statt Torf

Der junge Oberbayer schritt zur Tat, las und lernte sich auf weiteren Reisen das nötige Fachwissen an. 1999 brannte er in der heimischen Obstdestillerie seinen ersten Whisky. Dabei machte er einiges anders als seine Vorbilder aus dem hohen Norden. Statt mit schottischem Torf wird die Gerste zu einem kleinen Teil mit bayerisch anmutendem Buchenholzrauch getrocknet. Zudem gärt die Malzmaische in der Schlierseer Brennerei bei gleichmäßiger Temperatur um die 20 Grad Celsius länger als anderswo.

Statt den Whisky in gebrauchten Fässern viele Jahre zu lagern, lassen ihn die oberbayerischen Brenner in immer neuen Fässern aus amerikanischer Weißeiche in nur drei Jahren Geschmack annehmen. Wichtige Details, aber nicht das Entscheidende: "Am Ende ist es der Geschmack und das Gespür erfahrener Destillateure, die den Ausschlag geben, ob ein Whisky gut wird", erklärt Prokuristin Scheithauer. >>

Die Destillerie Slyrs zog bereits acht Jahre nach ihrer Gründung in ein neues Werk am Ortsrand von Schliersee. Die Kapazitäten der alten Obstbrennerei reichten nicht mehr aus. Im Ortsteil Neuhaus liegt die Brennerei nur rund 500 Meter entfernt vom Tiefbrunnen der Bannwaldquelle, der den Whisky mit reinstem Quellwasser versorgt.

Regionales Qualitätsprodukt

Damit auch überzeugte Bierfreunde erfahren könnten, was man aus Gerste noch so alles machen kann, war von Anfang alles auf Erlebnischarakter ausgerichtet. Der geräumige Laden wird durch einen kleinen Kinosaal ergänzt, in einer länglichen Halle sind die Tanks und Kupferblasen zum Gären und Destillieren der Malzmaische zu besichtigen. Die große Fasshalle mit knapp 600 hellen Eichenfässern ist auch Ort der Verkostung, der jährlich rund 30000 Interessierte und Kenner anlockt.

Roland Kollar aus Mittelfranken ist einer von ihnen. Der 41jährige passionierte Rum- und Whiskykenner hat schon große Brennereien wie die von Jack Daniels in den USA besucht. Von dem kleinen Produzenten in seiner bayerischen Heimat ist er begeistert: "Hier kann ich an jedem Detail erkennen, wie ein regionales Qualitätsprodukt entsteht, das ja schließlich auch seinen Preis hat."

Weitere Informationen

Destillerie Slyrs, Bayrischzeller Straße 13, 83727 Schliersee/Ortsteil Neuhaus, Tel. 08026/9222795, www.slyrs.de
Laden Montag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr, und auch an Feiertagen geöffnet.
Besichtigungen Montag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, ohne Voranmeldung, sechs Euro.
Führungen nur nach Voranmeldung, 60 Euro pro Gruppe, zuzüglich Eintritt, Jugendliche bis 18 Jahren haben freien Eintritt (keine Verkostung).

Weitere Destillerien in Bayern sind zum Beispiel die Spezialitätenbrennerei Liebl in Bad Kötzting, die Single Malt Whisky Destillerie Blaue Maus in Eggolsheim und die Whisky Destillerie Drexler in Arrach.

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