Leben Bücher für Männer - Koks und das Leben im Netz
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Es ist vollbracht: Die Frankfurter Buchmesse hat ihre Pforten geschlossen, jetzt ist es an der Zeit, sich die besten Bücher zu besorgen. Für einen feinen Kamin-Abend, wenn es draußen stürmt und tobt. wanted.de war am Main und hat mitgebracht.
Was war das wieder für ein harter Körper-Einsatz in der Welt des Geistes: Dichtes Gedränge, jede Menge Bier und Wein, genervte Gesichter, überall Besprechungen, Schulterklopfen, Smartphones und diskrete Kabinen, in denen hart verhandelt wird: Auf der Frankfurter Buchmesse finden sich nur selten Menschen, die Bücher lesen. Dabei gibt sie zuhauf: gute Geschichten, spannende Stories und überraschende Plots, die das Einschlafen verhindern und den Leser trotz des zweiten Whiskys konzentriert bleiben lassen. Meistens sind das Krimis.
Coole Krimis
Der Boom dieser Gattung hat dem Buchmarkt in den vergangenen Jahren ordentlich Umsatz beschert. Es gibt nur wenige Verlage, die nicht irgend einen Kommissar, Detektiv oder Ermittler mit bunten Aufstellern promoten, doch alles hat ein Ende. Atemlose Spannung – aber ja. Doch es muss nicht immer dieselbe Konstruktion >>
bis zur Aufklärung des Verbrechens sein, es geht auch ohne coolen und einsamen Hero. Einer der gehypten Autoren dieses neuen Stils ist der Amerikaner Dave Eggers, dessen Roman "The Circle" ein paar Jahre in der Zukunft spielt.
Der Konzern "Circle" hat das Business von Google, Apple, Facebook und Twitter geschluckt und fusioniert. Jeder Internet-Nutzer erhält eine universale Identität, die alles im Netz so einfach, komfortabel und bequem macht. Die 24-jährige Mae Holland ist überglücklich, als sie in der hip gestalteten Zentrale des Circle im Silicon Valley einen gut bezahlten Job bekommt. Mae stürzt sich in die schöne neue Welt mit edlen Büros und Toprestaurants, in denen Sterneköche kostenlose Mahlzeiten servieren. Jeden Abend gibt’s irgendwo eine coole Party.
Die totale Transparenz
Maes Leben ist so transparent wie ihre Identität - und damit ihr Leben. Doch eines Tages trifft sie einen Kollegen, der seltsam ist, der sich mysteriös verhält. Ein Thriller entwickelt sich, und die junge Mae steckt mittendrin. >>
Wer seinen Job im Büro gerne macht, dauernd das Smartphone checkt und im Netz einkaufen geht, wird das Buch lieben – und dabei ziemlich nachdenklich werden. (Weitere spannende Thriller finden Sie hier)
Mord in New York
Ganz im alten Stil kommt der neue Don Winslow daher: Der 61-jährige Amerikaner ist einer der ganz Großen der Spannungsliteratur – und hat nun mit "Missing. New York" eine Story vorgelegt, die keine Sekunde Pause kennt. Die siebenjährige Hailey ist im Garten einer Siedlung in New York einfach verschwunden, als die Mutter ins Haus geht, weil das Telefon klingelt. Zwei Wochen später verschwindet ein weiteres Mädchen. Ihre Leiche gefunden, der Täter gefasst und auch mit dem Mord an Hailey belastet. Akte geschlossen. Aber Frank Decker, der bei der Polizei Verschwundene aufspürt, hat Zweifel. Er glaubt, dass sie lebt, irgendwo versteckt. Ein vager Hinweis führt ihn nach New York. Schritt für Schritt folgt er der Spur, die ihn in die Hölle lotst.
Die Story aus der Ich-Perspektive erzählt Winslow schnoddrig und hart, mit einer Spur Zynismus, die zum hartgesottenen Bullen Frank Decker passt. Im Lauf der Geschichte wird die Sache härter. Nach hundert Seiten hebt kein Leser mehr mitten im Kapitel sein Glas Wein und die Zigarre erlischt. Das wäre viel zu viel Ablenkung!
Der vielfach ausgezeichnete Norweger Hakan Nesser, TV-Zuschauern ist er längst durch seine Krimis mit dem Ex-Polizisten Van Veeteren bekannt, verabschiedet sich dagegen vom Ermittlerblick und hat mit seinem neuen Buch "Die Lebenden und Toten von Winsford" eine neue Perspektive gewählt – und auch da ist Gänsehaut beim Lesen garantiert: Im kleinen Dorf Winsford in der südenglischen Moorlandschaft lässt sich eine mysteriöse Frau unter dem Namen Maria Anderson mit ihrem Hund in einem abseits gelegenen Haus in der Heide nieder. Was hat sie in der Einöde zu suchen? Wo ist ihr Mann? Tatsächlich auf Reisen, wie sie erzählt? Tag für Tag geht die Fremde im Nieselregen spazieren. Plötzlich liegen tote Vögel vor ihrer Türe, ihr Hund verschwindet. Die Vorfälle häufen sich. Je mehr sie sich auf die Gemeinschaft im kleinen Dort einlässt, desto gefährlicher wird es für sie. >>
Genau das richtige Buch für die kalte Jahreszeit, wenn es früh dunkel ist und die Straßen abends leer sind: Lässig, skandinavisch klar und ungekünstelt in einer Sprache geschrieben, die das Meersalz auf der Zunge spüren lässt. Die Story kommt, na klar, ohne Kapitalverbrechen nicht aus. Aber wie Nesser die Dinge entwickelt, hat eine eigene Klasse.
Doch nicht nur englisch schreibende Autoren können Spannung. Lutz Seiler hat mit seinem Roman "Kruso" den Deutschen Buchpreis 2014 erhalten. Das Buch ist große Literatur, aber in einem so packenden Stil geschrieben, als hätte Seiler es in einem Rutsch aufs Papier gebracht. Zwischen Männerfreundschaft, Abenteuer, und Underground erzählt Seiler die Geschichte von Edgar Bendler, der nach einem Unglück aus seinem Leben aussteigt und auf Hiddensee als Tellerwäscher in einer Kneipe landet. Dort lernt er Ed Alexander Krusowitsch kennen – Kruso. Die beiden werden Freunde. Von ihm, dem Meister und Inselpaten wird Ed eingeweiht in die Rituale der Saisonarbeiter und die Gesetze ihrer Nächte, in denen Ed erste sexuelle Erfahrungen macht. Doch der Herbst 1989 erschüttert die Insel. Am Ende steht ein Kampf auf Leben und Tod – und ein Versprechen. Das ist großes Kino und große Literatur – und auch spannend zu lesen für alle, die sonst eher einen Bogen um Bücher machen.
Aus der Redaktion zum Kokain
Zum Schluss noch eine richtig abgründige Story aus Wien: "Endlich Kokain" von Joachim Lottmann erzählt, wie ein spießiger, herzkranker, geschiedener und 135 Kilogramm schwerer Ex-Fernsehredakteur mit moderater Lebenserwartung zum Koks kommt – und damit abnimmt, endlich wieder Sex hat, sich mit Zuhältern anfreundet und irgendwie in die Wiener und Berliner Künstlerbohème gerät. Das Ganze erzählt Lottmann lässig, ein wenig derb und schreiend komisch, mit abgründigem Witz und viel Spannung. Männer, es muss nicht immer Krimi sein! Dass auch schöne Bildbände eine prima Unterhaltung für einen Männer-Abend alleine sind, zeigen wir Ihnen in unserer Fotoshow.
