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Corona-Krise: Können Fahrräder die Innenstädte retten?


Folgen der Corona-Pandemie
Können Fahrräder die Innenstädte retten?


27.07.2020Lesedauer: 3 Min.
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Fahrradverkehr in Berlin: Mehr Radfahrer könnten den Einzelhandel ankurbeln.Vergrößern des Bildes
Fahrradverkehr in Berlin: Mehr Radfahrer könnten den Einzelhandel ankurbeln. (Quelle: Jürgen Ritter/imago-images-bilder)

Die Corona-Krise bedroht die Existenz unzähliger Ladenbesitzer, in vielen Innenstädten schließt ein Geschäft nach dem anderen. Dabei ist es ausgerechnet das Fahrrad, das zur Rettung mancher Ladenstraßen beitragen könnte.

Deutschlands Innenstädten droht die Verödung: Der Einzelhandel hat in der Corona-Krise einen beispiellosen Einbruch erlebt. Eine Schätzung des Handelsverbands HDE von Ende April geht von bis zu 50.000 Geschäften aus, die infolge der Krise von Insolvenz betroffen sein werden. Selbst wenn es im Herbst nicht zu einer zweiten Welle kommt, wird der Nicht-Lebensmittelhandel 2020 voraussichtlich 40 Milliarden Euro weniger Umsatz machen.

Ein prominentes Opfer forderte die Pandemie bereits: Der Warenhauskonzern Karstadt-Kaufhof hat angekündigt, 50 seiner 172 Filialen zu schließen. Ursprünglich war sogar von noch mehr Geschäften die Rede.

Dabei sind große Warenhäuser häufig Dreh- und Angelpunkt für den ansässigen Einzelhandel – schließt ein Haus, gibt es weniger Publikumsverkehr und auch die umliegenden Geschäfte leiden. Die Folge: Noch mehr Insolvenzen, im schlimmsten Fall sterben die Geschäfte in einer früher belebten Einkaufsstraße aus.

Kein Wunder also, wenn Politiker wie Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) zusätzliche Mittel zur Rettung der Innenstädte fordern. Bislang wurde etwa die Mehrwertsteuer bis zum Ende des Jahres gesenkt. Dabei bewirken wirtschaftliche Hilfen nicht zwingend, dass Menschen wieder vermehrt vor Ort einkaufen, statt Waren beispielsweise über das Internet zu bestellen. Wichtig für den Fortbestand vieler Geschäfte ist regelmäßiger Publikumsverkehr.

Dieser kommt aber nicht unbedingt durch mehr Autos in der Innenstadt, wie das Beispiel der spanischen Hauptstadt Madrid zeigt. Im Gegenteil: Weniger Autos können sogar ein Plus für den örtlichen Einzelhandel sein.

Madrids Umweltzone: Mehr Fahrräder, höhere Verkaufszahlen

Ende 2018 wurde in der Madrider Innenstadt eine 472 Hektar große Umweltzone eingerichtet. Sie gestattet nur Fußgänger, Fahrradfahrer, E- und Hybridautos sowie vereinzelt Verbrenner mit einer Sondergenehmigung. Ziel des "Madrid Central"-Projekts: eine geringere Schadstoffbelastung durch den Straßenverkehr. Nach wenigen Monaten zeigte sich, dass das Umweltprojekt zwei positive Effekte hatte.

Einerseits wurde tatsächlich die Kohlendioxid- bzw. Stickoxidbelastung um 14 bzw. 38 Prozent reduziert. Andererseits gestaltete sich die Maßnahme auch als Erfolg für den ansässigen Einzelhandel. In der Einkaufsstraße "Gran Vía" stiegen die Verkaufszahlen im Vergleich zum Vorjahr um 9,5 Prozent.

Die Erklärung ist einfach: Durch die Beschränkung vornehmlich auf den Fahrradverkehr kamen auch mehr Fußgänger in die Zone, wodurch sich der Publikumsverkehr erhöhte. Zudem haben Fahrradfahrer weniger Probleme, einen Parkplatz für ihr Gefährt zu finden – ein schneller Abstecher zum Einkauf ist somit mit einer niedrigeren Hemmschwelle verbunden.

Auch Kopenhagen hat gute Erfahrungen mit dem Ausbau des Fahrradverkehrs gemacht. Die Stadt gilt als Hauptstadt des Radverkehrs, in den letzten Jahrzehnten wurden vielerorts neue Radwege angelegt bzw. in das bestehende Straßennetz integriert.

Seit 2005 ist die wirtschaftliche Leistung der Stadt um 24 Prozent gestiegen. Dabei werden inzwischen rund die Hälfte aller Wege von und zur Arbeit oder der Ausbildungsstätte mit dem Fahrrad zurückgelegt – 46 Prozent der Kopenhagener geben dabei als Grund an, dass sie mit dem Fahrrad schneller unterwegs sind.

Deutsche Städte entdecken das Fahrrad

Die Corona-Krise hat das Verkehrsaufkommen in den deutschen Städten nachhaltig beeinflusst. Während in den ersten Wochen der Verkehr stark zurückgegangen ist, fahren nun wieder mehr Leute zur Arbeit. Allerdings meiden viele Menschen weiterhin den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV). Laut einer Befragung im Rahmen des Infas-Mobilitätsreports verzichten rund zehn Prozent der Menschen coronabedingt auf Fahrten mit dem ÖPNV. Jeder Dritte davon steigt lieber ins Auto, immerhin jeder Fünfte wechselt aufs Fahrrad.

Diesen Trend sieht man auch alltäglich in Berlin: Zwar sind wieder viele Autos unterwegs – das Pkw-Aufkommen entspricht wieder fast dem Vorjahr, jedoch sind ungewöhnlich viele Fahrradfahrer unterwegs. Wie rbb24 berichtet, hat der Fahrradverkehr in Berlin im Juni 2020 um 26,5 Prozent gegenüber Juni 2019 zugelegt.

Begünstigt wird diese Entwicklung durch einen Ausbau der Fahrradwege: In Berlin werden sogenannte Pop-up-Radwege angelegt, mittlerweile sind es über 20 Kilometer. Die Radwege sind vorerst temporär – da die Stadt mit dem Mobilitätsgesetz 2018 jedoch einen Fokus auf den Radverkehr gesetzt hat, dürften zahlreiche dieser Wege durch dauerhafte Fahrradstraßen ersetzt werden. Dabei geht es auch um die Sicherheit der Fahrradfahrer. Im Vergleich zu den Fahrradstädten Kopenhagen oder Amsterdam kommen in deutschen Städten noch immer sehr viele Radfahrer bei Unfällen zu Schaden.

Einzelhandel durch viele Faktoren belastet

Noch gibt es allerdings keine verlässlichen Zahlen dazu, inwieweit die aktuellen Maßnahmen dem Einzelhandel helfen – Faktoren wie der ausbleibende Tourismus und wirtschaftliche Sorgen der Menschen durch die Corona-Krise dürften zumindest mittelfristig die positiven Effekte des verstärkten Radverkehrs zunichte machen.

Dennoch könnten die Beispiele aus Kopenhagen, Madrid und Berlin deutschlandweit Schule machen. Denn neben der niedrigen Schadstoffbelastung und den Vorteilen für den Einzelhandel spricht für die Radwege noch ein weiteres Argument: Sie sind gegenüber anderen Infrastrukturmaßnahmen bestechend günstig.

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