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Katalonien: Das bedeutet der Entzug der Autonomierechte


Tourismus, Politik, Sicherheit
Wie sich Zwangsmaßnahmen gegen Katalonien auswirken

Von dpa, df

Aktualisiert am 19.10.2017Lesedauer: 3 Min.
Trübe Aussichten in Barcelona: Ein Mann mit einem Rucksack in den Farben der katalanischen Separatisten läuft durch den Regen.Vergrößern des BildesTrübe Aussichten in Barcelona: Ein Mann mit einem Rucksack in den Farben der katalanischen Separatisten läuft durch den Regen. (Quelle: Gonzalo Fuentes/Reuters-bilder)
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Im Streit mit der autonomen Region Katalonien hat die spanische Regierung Artikel 155 der Verfassung aktiviert. Sie kündigte zugleich Zwangsmaßnahmen gegen die Regionalregierung an. Welche Auswirkungen hat dieser Schritt?

Was ist Artikel 155 der spanischen Verfassung?

Artikel 155 der spanischen Verfassung ist das schärfste Schwert der Zentralregierung im Konflikt mit aufmüpfigen Regionen. Die Zeitung "El Mundo" sprach vor Kurzem sogar von einer "Bomba atómica" ("Atombombe") im Rechtssystem des Staates. Er erlaubt es der Regierung, "die notwendigen Mittel zu ergreifen", um eine autonome Region zur Erfüllung ihrer rechtlichen Pflichten zu zwingen. Seit Inkrafttreten der Verfassung von 1978 in Spanien kam der Artikel bisher noch nie zur Anwendung.

Was steht in dem Artikel?

"Artikel 155: (1) Wenn eine Autonome Gemeinschaft die ihr von der Verfassung oder anderen Gesetzen auferlegten Verpflichtungen nicht erfüllt oder so handelt, dass ihr Verhalten einen schweren Verstoß gegen die allgemeinen Interessen Spaniens darstellt, so kann die Regierung nach vorheriger Aufforderung an den Präsidenten der Autonomen Gemeinschaft und, im Falle von deren Nichtbefolgung, mit der Billigung der absoluten Mehrheit des Senats die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die Gemeinschaft zur zwangsweisen Erfüllung dieser Verpflichtungen anzuhalten oder um das erwähnte Interesse der Allgemeinheit zu schützen

(2) Zur Durchführung der in Absatz 1 vorgesehenen Maßnahmen kann die Regierung allen Behörden der Autonomen Gemeinschaften Weisungen erteilen."

Welche Zwangsmittel will die spanische Regierung ergreifen?

Der Regierung ist es freigestellt, welche Maßnahmen sie für geeignet hält. Ministerpräsident Mariano Rajoy kündigte am Samstag die Absetzung der Regionalregierung in Barcelona sowie die Ausrufung von Neuwahlen zum Regionalparlament innerhalb von sechs Monaten an. Weiterhin dürfte es zu einer Neubesetzung von Schaltstellen wie der Spitze der katalanischen Polizei und des Zivilschutzes kommen.

Kann Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy die Maßnahmen alleine beschließen?

Die von der Regierung für notwendig erachteten Maßnahmen müssen vom Senat, der zweiten Kammer des Parlaments, mit absoluter Mehrheit gebilligt werden. Die Abstimmung gilt als Formsache, da Rajoys konservative Volkspartei (PP) 149 von 266 Sitzen im Senat hat. Die Abstimmung wird wahrscheinlich am nächsten Freitag stattfinden.

Würde dies eine Abschaffung der katalanischen Autonomie bedeuten?

Ministerpräsident Rajoy betonte zuletzt, dass der Einsatz von Artikel 155 keineswegs die Aufhebung der Selbstverwaltung bedeute, "sondern die Wiederherstellung von Rechtmäßigkeit in der Autonomie". Mit ihrem Verhalten habe die Regionalregierung das Autonomiestatut für Katalonien verletzt. Nie zuvor in der Geschichte hätten die katalanischen Bürger größere Freiheiten und mehr politische und wirtschaftliche Autonomie genossen als jetzt. Puigdemont sieht hingegen in der Anwendung von Artikel 155 eine Aussetzung der Selbstverwaltung.

Wirkt sich die Zuspitzung des Konflikts auch auf Touristen aus?

Das Auswärtige Amt rät derzeit nicht davon ab, nach Katalonien zu reisen. Allerdings weist das Ministerium darauf hin, dass es "jederzeit zu Protestaktionen und gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen" kann. Das Außenamt empfiehlt Touristen sich in den lokalen Medien über die Lage zu informieren, größeren Ansammlungen von Menschen zu vermeiden und "Anweisungen von Sicherheitskräften unbedingt Folge zu leisten".

Darf die Zentralregierung im Rahmen des Artikels 155 auch Gewalt einsetzen und zum Beispiel die Streitkräfte in Katalonien auf die Straßen schicken?

Bei diesem Punkt gibt es durchaus Meinungsverschiedenheiten. Die meisten Verfassungsexperten stimmen allerdings darin überein, dass Gewaltanwendung ausgeschlossen ist. Der angesehene Rechtsanwalt José María Gil-Robles y Gil-Delgado, ein Europapolitiker der PP, betont zum Beispiel, dass die Mittel zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung in einer Autonomen Gemeinschaft nach dem Geist des Artikels nur gegen die Regionalregierung und -Behörden, und niemals gegen die Bürger der Region gerichtet werden dürfen.

Wie wird Artikel 155 von Juristen eingeschätzt?

Es handele sich um einen Kontrollmechanismus "von außergewöhnlicher oder extremer Art, für gleichermaßen außergewöhnliche oder extreme Situationen", erklärt der Madrider Verwaltungsjurist Mariano Bacigalupo Sagesse in einer offiziellen Auslegung des spanischen Parlaments.

Könnte es auch in Deutschland eine solche Eskalation geben?

Vorbild für den spanischen Verfassungsartikel 155 ist Artikel 37 des Grundgesetzes, der den sogenannten Bundeszwang vorsieht: Wenn ein Bundesland seine Bundespflichten nicht erfüllt, "kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates die notwendigen Maßnahmen treffen, um das Land im Wege des Bundeszwanges zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten". Bisher ist noch nie davon Gebrauch gemacht worden.

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