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Urteil in Polen: Donald Tusk ruft zu Protesten auf – EU-Länder bangen um EU


Nach Anti-EU-Urteil
Tusk ruft zu Protesten auf – Maas fordert Einhaltung der Gesetze

Von dpa
Aktualisiert am 09.10.2021Lesedauer: 3 Min.
Donald Tusk: Der ehemalige EU-Ratspräsident ruft in Polen zu Protesten auf.Vergrößern des BildesDonald Tusk: Der ehemalige EU-Ratspräsident ruft in Polen zu Protesten auf. (Quelle: Eastnews/imago-images-bilder)
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Das polnische Verfassungsgericht stellt nationales Recht über EU-Regeln. Frankreich und Deutschland kritisieren die Entscheidung scharf. Der polnische Oppositionsführer ruft zu Demonstrationen auf.

Der ehemalige EU-Ratspräsident und polnische Oppositionsführer Donald Tusk hat zu Protesten gegen ein umstrittenes Urteil des Verfassungsgerichts seines Landes aufgerufen. "Ich rufe alle, die ein europäisches Polen verteidigen wollen, dazu auf, am Sonntag um 18 Uhr auf den Schlossplatz in Warschau zu kommen", schrieb er am Donnerstagabend auf Twitter. "Nur gemeinsam können wir sie stoppen." Tusk ist kommissarischer Vorsitzender von Polens größter Oppositionspartei, der liberalkonservativen Bürgerplattform.

Nach dem Urteil des polnischen Verfassungsgerichts zum Status von EU-Recht haben Frankreich und Deutschland Polen zur Einhaltung der EU-Regeln aufgefordert. Die Mitgliedschaft zur EU gehe "mit der vollständigen und uneingeschränkten Zugehörigkeit zu gemeinsamen Werten und Regeln" einher, teilten die Außenminister Heiko Maas (SPD) und Jean-Yves Le Drian mit. "Der Respekt und Einhaltung für diese muss von jedem Mitgliedstaat erbracht werden, das gilt selbstverständlich auch für Polen, das einen ganz zentralen Platz innerhalb der EU hat."

Barley droht mit finanziellen Konsequenzen

Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley, forderte finanzielle Konsequenzen für Polen. "Die polnische Regierung lässt sich von ihrem politisch besetzten Verfassungsgericht bescheinigen, dass sie sich künftig nicht mehr an europäisches Recht halten muss", sagte die SPD-Politikerin der "Welt" (Samstag). Die Europäische Kommission dürfe der polnischen Regierungspartei PiS "diesen Dammbruch nicht durchgehen lassen". "Sie darf keine europäischen Corona-Milliarden nach Warschau geben und muss auch sonstige Fördergelder sperren."

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will mit allen verfügbaren Mitteln auf das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts zum Status von EU-Recht reagieren. "Ich bin zutiefst besorgt über das gestrige Urteil des polnischen Verfassungsgerichtshofs", teilte die deutsche Politikerin am Freitag in einer Stellungnahme mit. Sie habe die Dienste der Brüsseler Behörde angewiesen, das Urteil gründlich und zügig zu analysieren. Auf dieser Grundlage werde man über nächste Schritte entscheiden.

Von der Leyen betonte, dass den EU-Verträgen zufolge alle Urteile des Europäischen Gerichtshofs für die Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten bindend seien. "EU-Recht hat Vorrang vor nationalem Recht, einschließlich verfassungsrechtlicher Bestimmungen." Dazu hätten sich alle EU-Staaten als Mitglied der EU verpflichtet. "Wir werden alle Befugnisse nutzen, die wir unter den Verträgen haben, um dies sicherzustellen." Welche Schritte die Brüsseler Behörde nun einleiten könnte, ließen sowohl von der Leyen als auch ein Sprecher am Freitag offen. Denkbar wäre zum Beispiel die Einleitung eines sogenanntes Vertragsverletzungsverfahrens, das mit einer weiteren Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und am Ende mit Finanzsanktionen enden könnte.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte, er sehe mit Sorge einen Konflikt, der immer stärker werde und "bei dem ich auch glaube, dass diejenigen, die in Brüssel agieren, nicht alles richtig machen". Polen sei ein starkes Land und werde sehr in der EU gebraucht. Es gelte, einen gemeinsamen Weg "aus dieser schweren Zeit" zu finden. Man sei in dieser Frage mit Polen auf einer Seite, wenn auch nicht immer einer Meinung.

Frankreich: "Es besteht Gefahr eines EU-Austritts"

Die französische Regierung hat das umstrittene Urteil des Verfassungsgerichts in Polen als Angriff gegen die EU kritisiert. "Es besteht de facto die Gefahr eines Austritts aus der Europäischen Union", sagte Europaminister Clement Beaune am Freitag dem Sender BFM TV. Auch wenn er sich nicht wünsche, dass Polen die EU verlasse, fügte er hinzu. Wirtschaftssanktionen seien allerdings eine Option, um zu reagieren.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn bezeichnete das Urteil, in dem das polnische Verfassungsgericht Teile des EU-Rechts für unvereinbar mit der Landesverfassung befunden hatte, als sehr besorgniserregend. Die polnische Regierung spiele mit dem Feuer. "Der Vorrang des europäischen Rechts ist wesentlich für die Integration Europas und das Zusammenleben in Europa. Wenn dieses Prinzip gebrochen wird, wird das Europa, wie wir es kennen und wie es mit den Römischen Verträgen aufgebaut wurde, aufhören zu existieren", warnte Asselborn.

Polnisches Recht über EU-Recht

Polens Verfassungsgericht hatte am Donnerstag geurteilt, dass bestimmte Elemente des EU-Rechts gegen die polnische Verfassung verstoßen. Damit gab es nationalem Recht den Vorrang vor EU-Recht. Diese Entscheidung stieß in Brüssel auf ein negatives Echo. Sie heizt den Konflikt zwischen der EU-Kommission und Warschau um die Reform des polnischen Justizsystems weiter an.

Polens nationalkonservative PiS-Regierung baut das Justizwesen seit Jahren um. Kritiker werfen ihr vor, Richter unter Druck zu setzen. Die EU-Kommission hat wegen der Reformen bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen Warschau eröffnet und Klagen beim EuGH eingereicht.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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