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Jewgeni Prigoschin: Diese Theorien ranken sich um seinen Tod


Erklärungen für das Rätsel
Diese Theorien ranken sich um den Absturz von Prigoschins Maschine

Von t-online, sje

Aktualisiert am 27.08.2023Lesedauer: 5 Min.
Prigoschin/Putin/Absturz: Ist der Wagner-Chef wirklich mit dem Flugzeug abgestürzt?Vergrößern des BildesPrigoschin/Putin/Absturz (Collage): Ist der Wagner-Chef wirklich mit dem Flugzeug abgestürzt? (Quelle: t-online-Collage, imago/azgruzka_Vagnera, SNA, dpa)
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Abschuss, Bombe oder doch ein technischer Defekt? Die Welt rätselt über den Absturz des Jets von Jewgeni Prigoschin. Auch die Geheimdienste sind sich nicht einig.

Wurde Jewgeni Prigoschins Flugzeug abgeschossen – oder ging eine Bombe hoch? Und war der Wagner-Chef überhaupt an Bord – oder täuscht er seinen Tod nur vor? Seit dem Absturz seines Flugzeugs am Mittwochabend überschlagen sich die Spekulationen.

Offiziell bestätigt ist sein Tod noch immer nicht. Dass der russische Präsident Wladimir Putin seiner Familie kondolierte, wurde aber zumindest als indirekte Bestätigung interpretiert. Warum der Flieger abstürzte, soll laut Putin umfassend aufgeklärt werden. Der Kreml gründete eine Expertenkommission und schickte Experten zum Absturzort. Es drängt sich jedoch auch der Verdacht auf, dass der Kremlführer selbst den Tod Prigoschins in Auftrag gegeben haben könnte. Ob jemals ein wahrhaftiges Ermittlungsergebnis präsentiert wird, ist also fraglich.

Auch westliche Geheimdienste und Beobachter blicken auf den Vorfall. Nach 33 Minuten Flugzeit sackte die Maschine laut einem Bericht der "Zeit", die sich auf Flugdaten beruft, ab, zog dann noch zweimal kurz und heftig nach oben, um dann aus einer Höhe von 9.000 Metern in die Tiefe zu stürzen.

Aber warum? Die Vermutungen gehen in ganz unterschiedliche Richtungen. Die Theorien im Überblick.

Theorie eins: Das Flugzeug wurde abgeschossen

Aus Wagner-nahen Kreisen hieß es nach dem Absturz zunächst: Das Flugzeug könnte von einer russischen Boden-Luft-Rakete getroffen – also abgeschossen – worden sein. Angeblich hätten Anwohner zweimal einen Knall gehört, wie er für Luftangriffsysteme typisch sein soll, hieß es auf dem Telegramkanal "Grey Zone". Klar schien den Wagner-Anhängern aber schnell, dass es sich nicht um einen Zufall gehandelt haben könne: "Jewgeni Wiktorowitsch Prigoschin (...) starb durch die Taten von Verrätern an Russland."

Auch Beobachtern schien die Raketentheorie am Mittwoch noch am wahrscheinlichsten. Journalist Mark Krutov von Radio Free Europe/Radio Liberty erklärte so zum Beispiel in einem Post auf der Plattform X (vormals Twitter), in der Nähe der Absturzstelle befinde sich eine Militärbasis. Außerdem könne man in einem der ersten Videos, die den Abschuss des Prigoschin-Flugzeugs zeigen sollten, die Spur einer Luftabwehrrakete erkennen.

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Anders sieht das Fabian Hoffmann, der an der Universität Oslo zur Nutzung strategischer Waffen forscht. Dem "Tagesspiegel" sagte er, man könne auf den Fotos der Wrackteile keine Anzeichen für Splitter-Einschläge erkennen. "Das muss allerdings nicht viel heißen, da nur sehr wenige Wrackteile in den Videos zu erkennen waren", so der Experte. Grundsätzlich sei die Theorie durchaus plausibel. Aber: Eine Rakete bleibe nicht unentdeckt. Wenn es so gewesen wäre, hätten US-Satelliten das aufzeichnen müssen.

Theorie zwei: An Bord des Flugzeugs befand sich eine Bombe

Das war wohl nicht der Fall. Ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums sagte am Donnerstag, den USA lägen keine Informationen vor, dass das Flugzeug durch eine Luft-Boden-Rakete abgeschossen worden sei. Ein hochrangiger US-Beamter sagte dem "Wall Street Journal", amerikanische Satelliten hätten keine entsprechende Hitzesignatur verzeichnet. Stattdessen äußerte der Beamte den Verdacht, es könnte sich eine Bombe an Bord gefunden haben. Der Beamte betonte allerdings auch, es handle sich zu diesem frühen Punkt der Untersuchungen um Spekulationen.

Auch die "New York Times" berichtete am Donnerstag, US- und andere westliche Geheimdienste würden davon ausgehen, dass eine Explosion wohl die Absturzursache sei – dies sei die "führende Theorie". Vermutlich habe es sich um eine Bombe oder einen anderen im Flugzeug platzierten Gegenstand gehandelt. Andere Optionen, wie gepanschter Treibstoff, würden jedoch auch untersucht.

Zuvor hatten bereits am Abend des Absturzes auch russische Militärblogger die Theorie der Bombe an Bord verbreitet. Eine Kiste Wein soll kurz vor dem Start an Bord gebracht worden sein, darin soll sich Sprengstoff befunden haben, hieß es bei dem populären Kanal "VChK-OGPU". Beweise hierfür wurden nicht vorgelegt.

Theorie drei: Das Flugzeug war defekt

Bereits kurz nach dem Flugzeugabsturz berichteten russische und ukrainischen Medien der Schweizer Zeitung "20 Minuten" von der Flugbegleiterin Kristina Raspopowa. Die 39-Jährige soll die einzige Frau an Bord gewesen sein und kurz vor ihrem Tod noch in Kontakt mit ihrer Familie gestanden haben. Dabei soll sie von "Ungereimtheiten" erzählt haben: An Prigoschins Jet seien demnach "seltsame Reparaturen" durchgeführt worden sein und die gesamte Einheit sei an einen anderen Ort gebracht worden. Wohin, habe sie aber nicht verraten.

Weiter schreibt "20 Minuten", laut russischen Medienberichten sei Raspopowa die ältere Schwester des stellvertretenden Staatsanwalts der Stadt Jemanschelinsk, Jewgeni Raspopow, gewesen. Ihr Bruder soll nicht gewusst haben, dass Raspopowa an Bord von Prigoschins Flugzeug war, nur, dass sie in einem Privatjet arbeitete. Sie habe ihm noch erzählt, der Abflug würde sich verzögern – das sei der letzte Kontakt vor ihrem mutmaßlichen Tod gewesen.

Theoretisch könnte es sich also auch schlicht um technisches Versagen gehandelt haben. Ob der politischen Tragweite, des Zeitpunkts und der eigentlich makellosen Bilanz des Flugzeugherstellers scheint das jedoch die unwahrscheinlichste Variante.

Zudem sollen Videos des Absturzes zeigen, dass der Jet schon in der Luft schwer beschädigt war. Luftfahrtexperte Jeff Guzzetti sagte dem US-Sender NBC: "Das Flugzeug ist eindeutig während des Fluges durch eine Art katastrophales Ereignis in der Höhe auseinandergebrochen. (...) Neue Jets wie dieser brechen nicht so auseinander, es sei denn, es ist etwas Schlimmes passiert."

Video | Prigoschin angeblich unter Toten bei Flugzeugabsturz
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Quelle: t-online

War Prigoschin überhaupt an Bord?

Die ersten Berichte, dass Prigoschin an Bord der abgestürzten Maschine gewesen sei, kamen schnell nach dem Unglück – für den Geschmack einiger wohl zu schnell. Der meist gut informierte russische Telegram-Kanal "Baza" wies darauf hin, dass Prigoschin schon einmal totgesagt wurde. 2019 hieß es, er sei bei dem Absturz eines Flugzeuges in der Demokratischen Republik Kongo ums Leben gekommen – kurz danach tauchte der Wagner-Chef jedoch lebendig wieder auf.

Zudem sorgte für Spekulationen, dass laut dem Flugportal Flightradar24 neben dem abgestürzten Flieger auch ein zweiter Privatjet, der zur Wagner-Gruppe gehören soll, nahe Moskau in der Luft war. Laut russischen Medienberichten soll Prigoschin öfter zwei Maschinen gleichzeitig fliegen lassen haben – und nicht immer auch in dem Jet gesessen haben, auf dessen Passagierliste er stand.

In der Vergangenheit gab es immer wieder Fälle von Putin-Gegnern, die verschwanden – ohne, dass klar ist, ob tatsächlich aus eigenen Stücken. Nachdem Jewgeni Prigoschin von Putin nach dem Wagner-Aufstand öffentlich als "Verräter" bezeichnet wurde, könnte dieser um sein Leben gefürchtet haben – es ist ein offenes Geheimnis, dass der russische Präsident Kritiker wohl immer wieder aus dem Weg räumt. Der Wagner-Chef könnte also untergetaucht sein, so die Vermutung.

Am Samstag gab es allerdings Medienberichte, Prigoschin sei in der Leichenhalle identifiziert worden. Wahrscheinlicher scheint somit, dass Putin seine Finger im Spiel hatte – wie es Medienberichten zufolge auch die britischen Geheimdienste glauben. "Natürlich ist es Putin", zitierte der "Telegraph" einen Beamten. Der Absturz trage die Handschrift des putintreuen Geheimdienstes FSB.

Verwendete Quellen
  • 20min.ch: "Vor dem Todesflug berichtete sie von 'seltsamen Reparaturen'"
  • wsj.com: "Early Intelligence Suggests Prigozhin Was Assassinated, U.S. Officials Say"
  • nytimes.com: "Blast Likely Downed Jet and Killed Prigozhin, U.S. Officials Say"
  • tagesspiegel.de: "Warum stürzte der Privatjet von Wagner-Chef Prigoschin ab?"
  • zeit.de: ""Was immer auch passierte, es passierte schnell""
  • nbcnews.com: "Prigozhin plane debris points to sabotage"
  • telegraph.co.uk: "Prigozhin jet crash ‘isn’t an accident’ and ‘has hallmarks of FSB’"
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