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Frankreich: Die Wahl zwischen Pest und Cholera


Wahl in Frankreich
"Habe den gewählt, der am wenigsten verrückt ist"

dpa, Peter Eßer und Martina Herzog

23.04.2017Lesedauer: 3 Min.
Wähler in einem Wahllokal in Paris.Vergrößern des BildesWähler in einem Wahllokal in Paris. (Quelle: dpa-bilder)
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Gegen den einen wird ermittelt. Die andere will Frankreich aus der EU führen. Der nächste aus der Nato. Wen soll man da zum Präsidenten wählen? Viele Franzosen zögern. Zur Wahl gehen sie trotzdem.

"Ich hab mich in letzter Minute umentschieden", sagt Guillaume. Eigentlich hat der Bewohner eines früheren Pariser Arbeiterviertels Sympathien für den konservativen Präsidentschaftskandidaten François Fillon. Aber dem sozialliberalen Emmanuel Macron traut der 32-Jährige am ehesten zu, dass er die Rechtspopulistin Marine Le Pen und den Altlinken Jean-Luc Mélenchon am Einzug in den Élyséepalast hindern kann - ein Szenario, das an diesem Sonntag viele Franzosen bei der Stimmabgabe umtreibt.

Denn mit Le Pen und Mélenchon stehen gleich zwei Kandidaten zur Auswahl, die die Europäische Union bis in ihre Grundfesten erschüttern könnten. Die EU-Gegnerin Le Pen hat ein Referendum über die Mitgliedschaft in der Staatengemeinschaft versprochen und will aus der Euro-Währung austreten. Der aufbrausende Ex-Lehrer Mélenchon kann sich den EU-Austritt zumindest vorstellen, das Verteidigungsbündnis Nato will er auf jeden Fall verlassen.

Eine hohe Wahlbeteiligung bis Mittag

Das sind Aussichten, die selbst Unentschlossene unter den 47 Millionen Wahlberechtigten zur Stimmabgabe treiben. Schon mittags zeichnet sich eine ähnlich hohe Beteiligung wie bei der vorherigen Präsidentschaftswahl 2012 ab, als knapp vier von fünf wahlberechtigten Franzosen abstimmten.

"Bis heute Morgen war ich aber noch nicht sicher, ob ich überhaupt zur Wahl gehen würde", erzählt der Gastronom Marco, der im bürgerlichen 15. Arrondissement vor einem Wahllokal in der Sonne steht. Dann hat er aber doch Fillon seine Stimme gegeben.

Für seine Partnerin Marie kommt das nicht infrage. Zwar verortet sie sich wie Marco rechts der Mitte. Doch der skandalgebeutelte Fillon, der sich wegen Luxusgeschenken und mutmaßlicher Scheinbeschäftigung seiner Frau vor der Justiz verantworten muss, ist für sie unwählbar. Stattdessen hat die Krankenschwester sich für das aus ihrer Sicht geringste Übel entschieden: den Polit-Jungstar Macron. "Er ist sicherlich nicht der ideale Kandidat, aber besser als die anderen", erklärt sie. Ein anderer Macron-Wähler sagt: "Ich habe den gewählt, der am wenigsten verrückt ist."

Mehr als 50.000 Polizisten und 7.000 Soldaten im Einsatz

Die Taktiererei hat ihren Grund. Gleich vier Kandidaten wurden vor der Abstimmung gute Aussichten auf die Stichwahl zugesprochen - von einem Duell der Mitte zwischen Macron und Fillon und einem Zweikampf der Extreme zwischen Le Pen und Mélenchon schien alles möglich. Die beiden Sieger vom Sonntag sollen sich am 7. Mai in der entscheidenden Abstimmung gegenüberstehen.

Trotz besten Frühlingswetters liegt ein Schatten über der Wahl. Nur drei Tage vor der Abstimmung hatte ein 39-Jähriger auf der Prachtstraße Champs-Élysées einen Polizisten erschossen und drei weitere Menschen verletzt. Mehr als 50 000 Polizisten und 7000 Soldaten sicherten die Stimmabgabe im ganzen Land. Mehrere Terrorattacken hat Frankreich in den vergangenen Jahren erlebt. Der im November 2015 verhängte Ausnahmezustand gilt immer noch.

"Es muss sich mal was ändern"

Mitarbeiter von privaten Sicherheitsdiensten kontrollieren am Eingang von Wahllokalen Taschen und Rucksäcke. Der 36-jährige Abdel schaut ungläubig angesichts der Vorkehrungen in seinem Wahllokal im 13. Arrondissement: "Guck mal! Jetzt fährt auch noch eine Antiterror-Patrouille des Militärs vorbei."

Militärs und Polizisten sind im bürgerlichen 15. Arrondissement nicht zu sehen, obwohl auch hier ein Sicherheitsdienst am Eingang kontrolliert. Der ein oder andere Anwohner verbindet den Wahlgang mit dem morgendlichen Dauerlauf. Eine ältere Frau senkt verschwörerisch die Stimme. "Ich habe Mélenchon gewählt", flüstert sie. "Das hört man hier nicht gerne. Aber es muss sich mal was ändern."

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