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Nato-Schutzschild: So bereitet sich Europa auf den Ernstfall vor


Raketenschild in Europa
So bereitet sich die Nato auf den Ernstfall vor


13.10.2022Lesedauer: 4 Min.
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Eine Rakete hebt in Nordwegen ab: Die Nato hat eine Übung gestartet.Vergrößern des Bildes
Eine Rakete hebt in Norwegen ab: Die Nato hat eine Übung gestartet. (Quelle: IMAGO/Lcpl. Nicholas Guevara/Us Marine)

Im Extremfall muss auch Deutschland seinen Luftraum verteidigen können. Dazu haben die Nato-Partner nun einen wichtigen Entschluss gefasst. Der Überblick.

Die Sicherheitslage in Europa hat sich durch den Krieg in der Ukraine nach Einschätzung der Nato fundamental verändert. Aus Sicht der westlichen Allianz sind zusätzliche Anstrengungen bei der Luftverteidigung notwendig, um sich auch gegen potenzielle Angriffe aus Russland zu wappnen. Bislang war die Raketenabwehr in Europa vor allem auf mögliche Bedrohungen aus dem Iran ausgerichtet.

Die Nukleare Planungsgruppe (NPG) der Nato traf sich am Donnerstag in Brüssel und hat eine gemeinsame Initiative zur Sicherung des Luftraums beschlossen. Doch wie genau soll der Flugabwehrschirm "European Sky Shield" funktionieren? Gegen welche Gefahren wirkt er und wie beteiligt sich Deutschland daran? Ein Überblick über die wichtigsten Fragen.

Warum ist eine gemeinsame Verteidigung notwendig?

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte eine gemeinsame Luftverteidigung Ende August als "Sicherheitsgewinn für ganz Europa" bezeichnet. Zudem sei es "kostengünstiger und effizienter, als wenn jeder von uns seine eigene, teure und hochkomplexe Luftverteidigung aufbaut", betonte er in seiner Rede an der Prager Karls-Universität. Als mögliche Partner nannte Scholz Polen, Tschechien, die baltischen Staaten, die Niederlande oder skandinavische Länder.

Seine Parteikollegin und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht warnte am Donnerstag davor, die Atomdrohungen Russlands im Ukraine-Krieg auf die leichte Schulter zu nehmen. "Es ist ganz wichtig, dass wir die Drohungen, die seitens Russlands ausgestoßen werden, dass wir die sehr wohl ernst nehmen und dass wir uns eben auch darauf entsprechend einstellen", so die SPD-Politikerin am Rande des Treffens der NPG. Deshalb sei es ganz wichtig, dass man sich innerhalb der Nato austausche und überlege, wie man darauf reagiere.

Was macht die Nukleare Planungsgruppe?

Dieses Mitgliedergremium der Nato besteht seit 1967 und trifft sich meist zweimal jährlich. Die NPG hat zwar keine Entscheidungsgewalt, gilt aber als wichtige Beraterin. Die politische Kontrolle über Nuklearwaffen und ihre Einsatzszenarien soll so durch die Nato-Mitgliedstaaten gemeinsam ausgeübt werden. An den Treffen nehmen die Verteidigungsminister der Nato-Mitgliedstaaten teil. Das Gremium wirkt also bei Entscheidungen alle nuklearen Einsätze betreffend mit.

Was wurde beschlossen?

Deutschland will zusammen mit europäischen Nato-Ländern eine gemeinsame Luftverteidigung aufbauen. Insgesamt 15 Staaten unterzeichneten am Donnerstag in Brüssel eine Absichtserklärung für einen "European Sky Shield". Ziel sei, bei der "Luftverteidigung die Lücken zu schließen", sagte Lambrecht. "Es sind bedrohliche, es sind herausfordernde Zeiten", betonte sie mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Defizite bei der europäischen Luftverteidigung gibt es beispielsweise vor allem im Bereich ballistischer Raketen, die auf ihrer Flugbahn große Höhen erreichen. Aber auch gegen Drohnen und Marschflugkörper ist Europas Luftraum nicht ausreichend gesichert.

Wer beteiligt sich an der Initiative?

Teilnehmerstaaten sind Großbritannien, die Slowakei, Norwegen, Lettland, Ungarn, Bulgarien, Belgien, Tschechien, Finnland, Litauen, die Niederlande, Rumänien und Slowenien. Zudem will sich nach Angaben von Diplomaten auch Estland beteiligen.

Die Staaten wollen gemeinsam neue Waffensysteme einkaufen, um mit dem Raketenschild ein möglichst großes Gebiet abzudecken. "Damit kommen wir in unserer gemeinsamen Verantwortung für die Sicherheit auf unserem Kontinent einzustehen, gemeinsam nach", so Lambrecht am Donnerstag zum Start des Projekts. Es gehe auch darum, "politische, finanzielle und auch technologische Synergieeffekte zu erzielen."

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Was genau beinhaltet das Abkommen?

In den von Deutschland angeregten Abwehrschirm sollen unterschiedliche Systeme eingebunden werden, die zur Abwehr von feindlichen Mittel- wie Langstreckenraketen oder auch bewaffneten Drohnen geeignet sind. Dazu zählt unter anderem das Iris-T-System, das Deutschland gerade an die Ukraine geliefert hat. Die Bundeswehr nutzt das hochmoderne System bisher nicht.

Wie funktioniert die Raketenabwehr?

Je nach System ist das verschieden. Generell lässt sich sagen: Fliegt eine gegnerische Rakete in den Luftraum der Nato, erkennt das Radar – in der Theorie – die herannahenden Flugkörper. Die Abwehr erfolgt dabei in ganz unterschiedlichen Zielhöhen: Eine Rakete wird abgeschossen, um die gegnerische abzufangen und mit ihr zu kollidieren.

"Es gibt einen Frühwarn-Satelliten, der meldet einen Raketenstart durch das Infrarotsignal", so Götz Neuneck, Sprecher des Arbeitskreises Physik und Abrüstung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, im Deutschlandfunk. Die anfliegende Rakete werde verfolgt und ihre Flugbahn genau berechnet. "Dann kann man den Abfangflugkörper in die Richtung des Sprengkopfs starten, der auf ein Land zufliegt. Und diese Abfangflugkörper, wenn sie richtig zum Ziel geleitet werden, kollidieren mit dem anfliegenden Sprengkopf und zerstören ihn – so die Theorie." Manche Raketen lassen sich nur schwer oder erst kurz vor dem Einschlag erkennen.

Welche Flugabwehrsysteme gibt es?

Deutschland nutzt zum Beispiel das "Patriot"-System, das auf einer mittleren Distanz eingesetzt wird, bis in eine Höhe von 30 Kilometern. Deutschland verfügt noch über zwölf Abschussanlagen, die aber nicht für einen umfassenden Flugabwehrschutz in der Bundesrepublik ausreichen würden.

Ein System zur Abwehr von Kurzstreckenraketen ist der israelische "Iron Dome" (Eiserne Kuppel), der eine Trefferquote von 90 Prozent haben soll.

Dann gibt es das System Arrow 3, an dem Deutschland derzeit interessiert ist. Doch ein entsprechender Vertrag mit dem israelischen Hersteller ist laut Ministerin Lambrecht noch nicht unterzeichnet. Arrow 3 bildet die höchste Stufe von Israels mehrstufiger Raketenabwehr und kann angreifende Flugkörper in einer Höhe von über 100 Kilometern im beginnenden Weltraum zerstören. Feindliche Raketen könnten damit weit weg vom eigentlichen Ziel zerstört werden.

Auf Schiffen der Nato in Rumänien und künftig auch in Polen ist das "Aegis ashore"-System stationiert. Es kann Mittel- und Kurzstreckenraketen abwehren, aber auch feindliche Kampfjets. Russland kritisierte in der Vergangenheit, dass mit den Startanlagen auch atomar bestückte Marschflugkörper abgeschossen werden könnten, was die USA dementieren.

Wie hat Deutschland bislang den Luftraum gesichert?

Für den näheren Bereich und die Bekämpfung von Flugzeugen und Hubschraubern hat Deutschland die schultergestützte Luftabwehrrakete Stinger im Einsatz, die etwa auch in die Ukraine geliefert wurde. Auf mittlere Distanz wird das Patriot-System eingesetzt. Bei der Abwehr ballistischer Raketen, die auf ihrer Flugbahn große Höhen erreichen und Tausende Kilometer zurücklegen, wird es problematisch: Hier hat die Bundeswehr eine "Fähigkeitslücke", könnte also nichts gegen einfliegende Raketen machen.

Verwendete Quellen
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