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Ukraine-Krieg: Putin bereitet neue Mobilmachung vor – mit 500.000 Rekruten


Ukrainischer Militärgeheimdienst warnt
Putin plant offenbar Mega-Mobilisierung im Januar


Aktualisiert am 06.01.2023Lesedauer: 4 Min.
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Russische Reservisten bei der Mobilmachung am 6. Januar in Omsk: Nach ukrainischen Geheimdienstinformationen plant Wladimir Putin 500.000 weitere Soldaten in den Krieg zu schicken.Vergrößern des Bildes
Russische Reservisten bei der Mobilmachung am 6. Januar in Omsk: Nach ukrainischen Geheimdienstinformationen plant Wladimir Putin 500.000 weitere Soldaten in den Krieg zu schicken. (Quelle: ALEXEY MALGAVKO/reuters)

Offiziell verkündet der Kreml eine Feuerpause, doch insgeheim arbeitet er offenbar an der nächsten Eskalation: Laut Kiew plant Moskau ab 15. Januar, eine halbe Million Russen zum Kriegsdienst einzuziehen.

Noch steckt Russland in den Weihnachtsfeierlichkeiten, die in der christlich-orthodoxen Welt traditionell am 6. und 7. Januar stattfinden. Am Donnerstag hatte Kremlchef Wladimir Putin eine 36-stündige Feuerpause verkündet, auf Wunsch des Oberhaupts der russisch-orthodoxen Kirche und Putin-Unterstützers, Patriarch Kirill I. So geht die Propagandasaga aus dem Kreml, die die Einheit von Kirche, Staat und Nation bemüht.

Doch hinter der Waffenruhe, die Kiew und Brüssel gleichermaßen als "Heuchelei" abtun, scheint der Kreml ein anderes Spiel zu spielen: Das russische Weihnachtsfest wird von Gerüchten über eine neue Mobilmachung überschattet. Eine, die womöglich größer ist als die im Herbst 2022, als offiziell 300.000 russische Rekruten zum Kriegseinsatz in der Ukraine verdonnert wurden.

Ukraine warnt vor großer Mobilmachung am 15. Januar

Der ukrainische Militärgeheimdienst (HUR) warnt nun vor einer neuen Eskalation in der russischen Kriegsführung: Wie der HUR-Vertreter Andriy Chernyak t-online mitteilt, wird die russische Regierung am 15. Januar eine neue Mobilisierung verkünden. Diese soll "deutlich größer" sein als die Mobilmachung im Herbst: Rund 500.000 Russen sollen davon betroffen sein, vor allem Menschen in Großstädten wie Moskau und St. Petersburg sowie in profitablen Industriezweigen, so der hochrangige HUR-Mitarbeiter.

Das ukrainische Verteidigungsministerium, das sich nicht zum 15. Januar äußern möchte, sagt auf Anfrage: "Wir sind bereit für jede künftige Entwicklung und werden weiter ukrainisches Territorium befreien, egal wie viele neue Soldaten Russland rekrutiert. Sie müssen sich ergeben oder werden zerstört", so ein Sprecher zu t-online.

Bereits Ende Dezember hatte die Ukraine vor einer neuen Mobilisierung in Russland gewarnt. Verteidigungsminister Oleksij Resnikow nannte in einer Videobotschaft an Silvester, in der er sich direkt an die russische Bevölkerung wandte, den 5. Januar als mögliches Datum: Ab dann würden die Grenzen in Russland für Männer geschlossen und im großen Stil mobilisiert, so Resnikow auf Russisch. Auch der Chef des HUR, Kyrlyo Budanow, war kurz vor dem Jahreswechsel noch vom 5. Januar als Stichtag ausgegangen.

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Doch bislang hat sich die Warnung nicht bestätigt: Statt der befürchteten Mobilisierung verkündete Kremlchef Putin am Donnerstag eine Waffenruhe über die Feiertage. Der ukrainische Militärgeheimdienst bleibt allerdings bei seiner Einschätzung: Die neue Welle der Mobilisierung werde stattfinden, wenn auch nun am 15. Januar.

Schon jetzt bekommen immer mehr Russen Vorladungen

Indizien für eine neue Rekrutierung gibt es bereits: Seit Tagen werden immer mehr Schreiben publik, die russische Bürger erhalten haben sollen. Im Internet veröffentlichte Fotos zeigen Vorladungen, gedruckt auf in Russland üblichen kleinformatigen Zetteln, den "powestka". Darauf wird der jeweilige Adressat aufgefordert, sich am 6. Januar zur Einberufung zu melden. Ein Mann soll sich an diesem Freitag um 8 Uhr in Moskau in einem Büro melden, ein anderer in Sankt Petersburg.

Ein weiteres Video zeigt, wie ein Russe seine Vorladung für den 6. Januar verbrennt. Der Mann, der im Video selbst nicht zu sehen ist, sagt beim Verbrennen des Zettels sarkastisch, er würde "nur mit Schoigu" (dem russischen Verteidigungsminister) und dem Kommissar, der die Vorladung unterzeichnet hat, in den Krieg ziehen. Dann ergänzt er zwei Worte, für die man in Russland ins Gefängnis wandern kann: "Kein Krieg."

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Offiziell ist die Mobilisierung seit Monaten beendet. Seitdem "arbeitet" man laut Kreml-Angaben nur noch mit Freiwilligen. Noch vor wenigen Tagen betonte Putin, Russland brauche keine weitere Mobilmachung.

Doch einen entscheidenden Schritt unterließ Russlands Präsident: Einen Erlass, der das Ende auch formell besiegelte, unterzeichnete er nicht. Das sei juristisch nicht nötig, argumentierte der Kremlherr damals – und hinterließ ein rechtliches Schlupfloch, das dem Staat weiter Zugriff auf kriegstaugliche Männer gewährte.

Seitdem geht die Mobilmachung in Russland schleichend weiter. So wird zum Beispiel in Gefängnissen rekrutiert, vor allem durch den Chef der Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin. Mehr dazu lesen Sie hier.

"Öffnen Sie Militärkommissaren nicht die Tür!"

Gegen die erneute Mobilmachung regt sich Widerstand: Aktivistinnen und Aktivisten um den inhaftierten Putin-Kritiker Alexej Nawalny informieren seit Längerem auf Telegram über die Gefahr einer neuen Mobilisierung. Einer von ihnen, Alexej Schwarz, der früher in Russland gearbeitet hat und heute in Deutschland lebt, sagt t-online: "Die erste Mobilisierung ist noch nicht abgeschlossen. Menschen werden rekrutiert und immer noch gezwungen, in den Krieg zu ziehen." Er befürchte, dass die Zahl nach den Feiertagen wieder deutlich steigen könnte.

In ihrem Telegram-Kanal warnt die Gruppe: "In Moskau und Sankt Petersburg werden weiter aktiv Vorladungen verteilt. Öffnen Sie Militärkommissaren, Polizeibeamten und anderen unbekannten Personen nicht die Tür. Warnen Sie Ihre Angehörigen, keine Dokumente für Sie zu unterschreiben. Werfen Sie Vorladungen aus dem Briefkasten in den Mülleimer."

Neue Rekruten sollen russische Verluste ausgleichen

Mit der erneuten Mobilmachung sollen offenbar die hohen menschlichen Verluste der russischen Armee im Ukraine-Krieg ausgeglichen werden, heißt es aus der ukrainischen Führung. Mehr als 100.000 russische Soldaten sollen laut Kiews Schätzung bereits getötet worden sein. Laut russischen Angaben sind es knapp 6.000.

Die ukrainischen Silvesterangriffe auf russische Stützpunkte in den besetzten Regionen Cherson und Donezk waren besonders blutig: Laut ukrainischen Angaben sollen über 500 russische Soldaten bei einem Angriff in Donezk verletzt oder getötet worden sein. Die russische Armee, die eigene Verluste oft kleinredet, sah sich gezwungen, den Tod von immerhin 89 Soldaten einzuräumen.

Der innenpolitische Druck auf den Kreml könnte im Zuge einer erneuten Mobilisierung wachsen, vor allem wenn sie auch Ballungsräume wie Moskau und Sankt Petersburg trifft. Und für den Präsidenten wird eine mögliche neue Mobilmachung auch ein Test, wie fest er seinen eigenen Machtapparat noch im Griff hat.

Verwendete Quellen
  • Anfrage an den ukrainischen Militärgeheimdienst HUR
  • Anfrage an das ukrainische Präsidentenbüro
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