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Jüngster Präsident der Welt aus Burkina Faso will Afrika verändern


Jüngster Staatschef der Erde
"Wir sind die vergessenen Völker der Welt"

Von Tobias Eßer

12.08.2023Lesedauer: 4 Min.
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Ibrahim Traoré, der Interimsstaatschef von Burkina Faso: Der Militär ist der jüngste Staatschef der Welt. (Quelle: IMAGO/Vladimir Smirnov)

Ibrahim Traoré ist der jüngste Staatschef der Welt. Der junge Militär will das afrikanische Land Burkina Faso reformieren – und vom Westen entfernen.

Ein Gespenst geht um in Westafrika. Sein Name: Antiimperialismus. Besonders zeigt es sich in Burkina Faso, wo seit einem Militärputsch im Herbst 2022 Ibrahim Traoré die Geschicke des Landes lenkt. Mit gerade einmal 34 Jahren ist Traoré aktuell der jüngste Staatschef der Welt.

Seine Abkehr von der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich und die Zuwendung zu Wladimir Putins Russland hat dem Präsidenten nicht nur Anerkennung, sondern auch Kritik eingebracht.

Wer ist der junge Staatsmann? Was will er für Burkina Faso und Westafrika erreichen? Und warum vergleichen ihn einige Beobachter bereits mit Thomas Sankara, der in den 1980er-Jahren die Abkehr von Frankreich vorantrieb und die Bürgerrechte in Burkina Faso stärkte?

Putschist und Antikolonialist

Geboren wurde Traoré im Jahr 1988. In die Armee seines Heimatlandes trat er 2010 ein. Seine Aufgabe innerhalb des Militärs ist umstritten. Quellen wie die britische BBC und der arabische Sender Al Jazeera schreiben, er sei ab 2019 Teil der Antiterroreinheit "Cobra" gewesen – das Magazin "Jeune Afrique", das für gewöhnlich über die afrikanische Politik sehr gut informiert ist, gibt derweil an, Traoré sei nie Teil der Elitetruppe gewesen.

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Fest steht: Im September 2022 half er beim Militärputsch und der Entmachtung des burkinischen Präsidenten Paul-Henri Damiba – und brachte die "Patriotische Bewegung für Sicherheit und Wiederaufbau" (MPSR) an die Macht. Am 6. Oktober 2022 erklärte sich Traoré selbst zum Interimspräsidenten Burkina Fasos. Er versprach, im Juli 2024 demokratische Wahlen durchzuführen.

Der Hauptgrund für den Putsch im vergangenen Jahr soll die Unfähigkeit des damaligen Präsidenten Damiba gewesen sein, einen dschihadistischen Aufstand im Norden Burkina Fasos zu bekämpfen. Laut Traoré und den Putschisten hatte sich Damiba im Kampf gegen die Islamisten zu sehr auf die Hilfe der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich verlassen.

Und genau hier wird es mit Blick auf Deutschland, Europa, den Westen interessant. Denn: Anders als seine Vorgänger scheint Traoré ein eher unkonventionelles Verständnis davon zu haben, welche internationalen Partner für ihn wichtig sind. Nach seinem Amtsantritt sagte er: "Frankreich darf sich nicht in unsere Angelegenheiten einmischen. Aktuell sind die US-Amerikaner unsere Partner. Wir können allerdings auch mit Russland zusammenarbeiten."

Traoré forciert die Zusammenarbeit mit Russland

Wie diese Zuwendung zu Russland und dessen Präsident Wladimir Putin aussieht, zeigte sich schnell. Traoré sprach unter anderem auf dem Afrika-Gipfel in Sankt Petersburg und zog in seiner Rede Parallelen zum historischen Kampf Russlands gegen das nationalsozialistische Deutschland und dem Kampf Burkina Fasos gegen die Überreste der kolonialen Herrschaft Frankreichs. "Genosse Wladimir Putin" nannte er den russischen Staatschef damals.

Seine Reden beendet Traoré stets mit den Worten "La patrie ou la mort, nous vaincrons!", zu Deutsch: "Vaterland oder Tod, wir werden siegen" – das Motto des revolutionären Kuba unter Fidel Castro.

Aus seiner marxistischen Gesinnung macht der Staatschef auch an anderer Stelle keinen Hehl. So strebt er eine Umstrukturierung des Staates hin zu einer egalitären Gesellschaft an, wie er kurz nach dem Putsch in einer Fernsehansprache erklärte. Er fordert eine "Neugründung des Staates", den Umbau des Regierungssystems und umfangreiche Modernisierungen, um Extremismus und Korruption zu bekämpfen.

Ähnlichkeiten zu Thomas Sankara

Damit befindet sich Traoré in der direkten Nachfolge Thomas Sankaras, der Burkina Faso von 1983 bis zu seiner Ermordung im Jahr 1987 regierte. Wie Traoré gehörte Sankara dem Militär an und kam im Alter von 34 Jahren an die Macht. Er begann eine sozialistische Revolution in Burkina Faso, das zu Beginn seiner Amtszeit noch Obervolta hieß, und brachte viele Reformen auf den Weg, die das Leben der burkinischen Bevölkerung verbesserten.

Sankara ließ innerhalb weniger Wochen 2,5 Millionen Kinder gegen Meningitis, Gelbfieber und Masern impfen und senkte so die Kindersterblichkeit. Er initiierte eine landesweite Alphabetisierungskampagne, dank der die Alphabetisierungsrate in Burkina Faso von 13 Prozent im Jahr 1983 auf 73 Prozent im Jahr 1987 stieg. Außerdem verbot er die weibliche Genitalverstümmlung, Zwangs- und Vielehen und setzte sich für Frauenrechte ein.

Diese gesellschaftlichen Fortschritte waren allerdings nur von kurzer Dauer. Sankara wurde aus dem Amt geputscht und im Zuge dessen ermordet. Die Macht übernahm sein ehemaliger Verbündeter Blaise Compaoré, der das Land bis ins Jahr 2014 autoritär regierte. Nach dem Sturz Compaorés durch das Militär folgte eine Zeit der politischen Instabilität.

"Wir sind die vergessenen Völker der Welt"

Nun also will es Traoré richten und nicht nur Stabilität nach Burkina Faso bringen, sondern auch die Dekolonialisierung vorantreiben. Die Hoffnungen der jungen Generation in zahlreichen westafrikanischen Ländern lägen auf dem Militär, schreibt der politische Analyst Richard Atimniraye auf "globalvoices.org".

Dass Traoré die Ambitionen hat, die Hoffnung auf ein besseres Leben für junge Menschen in Westafrika zu erfüllen, spürt man in seinen Reden. "Wir sind die vergessenen Völker der Welt", sagte er auf dem Russland-Afrika-Gipfel in Sankt Petersburg. "Wir wollen darüber sprechen, wie unsere Zukunft in der freien Welt aussieht, die wir aufbauen wollen".

Traorés Vorgänger Thomas Sankara bekam den Spitznamen "Afrikas Che Guevara". "Ibrahim Traoré könnte der neue Che Guevara werden, den sich Afrika wünscht", schreibt der Analyst Ben Norton auf dem Fachportal für Geopolitik "geopoliticaleconomy.com".

In Westafrika droht ein Krieg

Ob Traoré wirklich die Chance bekommt, seine angestrebten Veränderungen umzusetzen, ist indes noch komplett unklar. Denn in Westafrika bahnt sich ein Krieg an. Nach dem Militärputsch im burkinischen Nachbarstaat Niger droht die Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (ECOWAS) mit einer militärischen Intervention, um "die Demokratie wiederherzustellen".

Am Donnerstagabend entschied das Staatenbündnis, eine Eingreiftruppe nach Niger zu schicken. Für diesen Fall hat Traoré bereits angekündigt, Niger militärisch unterstützen zu wollen.

Viel Zeit hat Traoré also nicht mehr. Denn sein Mandat als Interimspräsident soll 2024 enden. Das hat ein Gremium der Militärjunta entschieden, das nach dem Putsch die Zukunft des Landes diskutiert hat. Bei den Wahlen im kommenden Jahr darf Traoré als Interimspräsident nicht mehr antreten. Ähnlich wie Thomas Sankara wird also auch der neue Staatschef in Burkina Faso wenig Zeit für mögliche Reformen haben.

Verwendete Quellen
  • youtube.com: "Wie Ibrahim Traore den Imperialismus bekämpfen will"
  • blackpast.org: "Ibrahim Traore" (englisch)
  • bbc.com: "Capt Ibrahim Traoré: Burkina Faso's new military ruler" (englisch)
  • bbc.com: "Thomas Sankara trial in Burkina Faso: Who killed 'Africa's Che Guevara'?" (englisch)
  • geopoliticaleconomy.com: "Burkina Faso’s new president condemns imperialism, quotes Che Guevara, allies with Nicaragua, Venezuela, Cuba" (englisch)
  • taz.de: "Afrikas Che Guevara dringend gesucht"
  • deutschlandfunkkultur.de: "34-jähriger Herrscher unter Druck"
  • dailysabah.com: "West Africa: Thomas Sankara’s ghost haunts Burkina Faso" (englisch)
  • theafricareport: "Burkina Faso: Who is Ibrahim Traoré, the man who brought down Damiba?" (englisch)
  • freitag.de: "In Sankaras Namen: Mit Burkina Faso fällt ein weiterer Staat Westafrikas von Frankreich ab"
  • jeuneafrique.com: "La famille de Thomas Sankara et Ibrahim Traoré se disputent autour des restes de l’ancien président" (französisch, kostenfplichtig)
  • jeuneafrique.com: "Entre Ibrahim Traoré et Vladimir Poutine, une idylle diplomatique" (französisch, kostenpflichtig)
  • globalvoices.org: "Africa reimagined: Burkina Faso's Ibrahim Traoré advocates for resilience, recognition, and resistance" (englisch)
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