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Nahostkonflikt | Hisbollah-Chef: "Alle Optionen bleiben offen"


Experte über Hisbollah-Drohung
"Dann gibt es einen großen Herbstkrieg"


Aktualisiert am 04.11.2023Lesedauer: 3 Min.
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Hisbollah-Anhänger im Irak verfolgen die Rede Hassan Nasrallahs auf deinem Bildschirm: Er bezeichnete die Gräueltaten der Hamas als "weise". (Quelle: Nabil al-Jurani/AP/dpa)

Von einem geheimen Ort aus wendet sich Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah mit einer Rede voller Hass auf Israel und den Westen an die Öffentlichkeit. Ihm könnte eine Schlüsselrolle im Nahostkrieg zukommen.

Er hatte eineinhalb Stunden gesprochen, mal ruhig, mal zornig, mal las er von Notizen ab. Dann blickte er fest in die Kamera und drohte ganz offen mit Krieg: "Alle Optionen bleiben offen!", sagte Hassan Nasrallah mit Nachdruck, "alle Optionen an der libanesischen Front bleiben offen!" Der Chef der Terrormiliz Hisbollah hat sich am Freitagnachmittag von einem unbekannten Ort aus an die Öffentlichkeit gewandt. Tausende Anhänger sahen die Fernsehübertragung. Bei diesen Worten jubelten sie ihm zu.

Nasrallah könnte einen kaum mehr kontrollierbaren Flächenbrand in Nahost auslösen. Trotzdem legte er nach. Eine Eskalation sei eine "realistische Option". Hisbollah verfüge über nötige Möglichkeiten und sei vorbereitet, entsprechende Schritte müssten nur eingeleitet werden. Alles hänge vom weiteren Verlauf des Kriegs im Gazastreifen ab und wie sich Israel gegenüber dem Libanon verhalte.

In Städten und Dörfern, auf Leinwänden an öffentlichen Plätzen, in Cafés wurde die Rede übertragen. Eine Ausweitung des Kriegs würde die ganze libanesische Bevölkerung betreffen, und auch international war das Interesse groß.

Es war die erste öffentliche Rede Nasrallahs seit Beginn des Gaza-Kriegs am 7. Oktober. Er lebt aus Sicherheitsgründen abgeschottet und ließ sich an einem geheimen Ort filmen, schwarz gekleidet vor braunem Hintergrund. Die palästinensischen Angriffe auf Israel am 7. Oktober nannte er "weise, heroisch und zur richtigen Zeit". Deren Märtyrer lebten "an der Seite Gottes weiter". Bei dem Überfall waren mehr als 1.400 Menschen getötet und mehr als 240 als Geiseln verschleppt worden.

Seither greifen Israel und Hamas-Terroristen einander immer wieder an. Israel hat eigenen Angaben zufolge mehr als 12.000 Ziele im Gazastreifen attackiert, 8.000 Raketen sollen demnach aus Gaza auf israelische Ortschaften abgefeuert worden sein. Im Gazastreifen sollen nach Hamas-Angaben 9.000 Menschen ums Leben gekommen sein. Die Zahlen lassen sich nicht unabhängig prüfen.

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"Stolz" auf "seine Widerstandskämpfer"

Nasrallah griff am Freitag die aufgeheizte Stimmung in der Region auf und hetzte in gut eineinhalb Stunden immer wieder gegen Israel sowie die USA, denen er die Schuld an der "barbarischen Gewalt" in Gaza gab.

Er sei stolz auf "seine Widerstandskämpfer", die die "unterdrückten Palästinenser" unterstützen, sagt er. An der Grenze zwischen Israel und dem Libanon ist es zuletzt immer wieder zu Gefechten zwischen israelischen Streitkräften und Hisbollah-Terroristen gekommen. Die Hisbollah meldete seit Beginn der jüngsten Konfrontationen mindestens 55 Tote in den eigenen Reihen. Auf israelischer Seite wurden nach Militärangaben seit Kriegsbeginn sieben Menschen getötet, sechs Soldaten sowie ein Zivilist.

Die Hisbollah gilt als weitaus gefährlicher für Israel als die Hamas. Experten gehen davon aus, dass die vom Iran massiv aufgerüstete Schiiten-Miliz mehr als 100.000 Raketen, Bomben und andere Flugkörper besitzt, einige sagen 200.000. Die US-Denkfabrik CSIS bezeichnet sie als den am stärksten bewaffneten nichtstaatlichen Akteur der Welt.

"Noch hält sich Nasrallah alles offen"

"Die Rede hat gezeigt: Noch hält sich Nasrallah alles offen", sagte Nahostexperte Daniel Gerlach t-online. Der Publizist sieht eine besondere Gefahr in Jerusalem verortet. Nasrallah habe schon früher davon gesprochen, dass die Hisbollah-Kämpfer nicht nur Märtyrer seien, sondern "Märtyrer auf dem Weg nach Jerusalem".

"Wenn die Situation dort eskaliert, wenn es zu Unruhen am Tempelberg kommt und die israelische Armee dort gegen Palästinenser vorgeht, dann können wir davon ausgehen, dass Hisbollah großflächig in diesen Krieg eingreift", sagt Gerlach. "Und zwar mit seinem gesamten Arsenal." Das gelte auch für den Fall, sollten radikale Siedler oder religiöse Fundamentalisten heilige Stätten angreifen, "womit sie immer wieder drohen", so Gerlach.

Die Folgen wären verheerend. Ein Krieg würde die beteiligten Militärs in ihrer Kampfkraft aufs Extreme herausfordern, Infrastruktur, auch internationale Flughäfen, zerstört werden, wohl Tausende Menschen ums Leben kommen. Die Region könnte um Jahrzehnte zurückfallen.

Doch der Hisbollah-Chef zeigte sich zurückhaltend, gerade jetzt für die Hamas im Gazastreifen einzugreifen. Er wolle sich nicht unter Druck setzen, nicht von der Hamas in den Krieg hineinziehen lassen, meint Gerlach.

Das deutete Nasrallah in seiner Rede selbst an: Er sprach davon, dass die Angriffe am 7. Oktober im Geheimen geplant worden seien, "hundertprozentig" von der Hamas. Die Hisbollah, wie auch die "Achse des Widerstands" (gegen Irans Erzfeind Israel), hätten dabei keine Mitverantwortung und vorab auch keine Kenntnis von den Plänen gehabt, sagte Nasrallah.

Eskaliert die Lage aber in Jerusalem, sagt Gerlach, müsse Nasrallah eingreifen. "Andernfalls macht er sich unglaubwürdig. Dann gibt es einen großen Herbstkrieg. Das sollte allen Beteiligten klar sein."

Verwendete Quellen
  • Live-Übertragung der Rede am 3.11.2023 (Al Jazeera, Press TV Live) (englisch)
  • Telefonat mit Daniel Gerlach am 3.11.2023
  • X: @Huss_Kob (englisch)
  • today.lorientlejour.com: "Israel on 'very very high alert' on northern border; Nasrallah to speak at 3 p.m.: Israel-Hamas war, day 28"
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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