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Schutz der EU: Experte fordert eigene Atomwaffen


"Entscheidender Schritt"
Politologe empfiehlt Europa gemeinsame Atomwaffen

Von t-online, das

Aktualisiert am 01.01.2024Lesedauer: 3 Min.
Debatte um Atomwaffen nimmt Fahrt auf (Symbolbild): Atomwaffen für Europa gefordertVergrößern des BildesDebatte um Atomwaffen nimmt Fahrt auf (Symbolbild): Atomwaffen für Europa gefordert. (Quelle: Lucas Maier)
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Wie soll sich die EU vor möglichen Angriffen künftig schützen? Der Politologe Herfried Münkler rät zu einem drastischen Schritt.

Der deutsche Politologe Herfried Münkler hat sich dafür ausgesprochen, dass die EU-Staaten ein gemeinsames Arsenal von Nuklearwaffen anlegen. "Die europäische Atombombe wäre ein entscheidender Schritt hin zu einer strategischen Autonomie und zu einer eigenen Abschreckungskraft. Diese Abschreckungskraft sollte schleunigst aufgebaut werden", sagte Münkler der Zeitung "Welt".

Konkret schlägt Münkler vor, dass mehrere Staaten gemeinsam über das Arsenal verfügen: "Die Staaten des Weimarer Dreiecks, also Frankreich, Deutschland, Polen plus zweier Südeuropäer, also Madrid und Rom, verfügen über Atomwaffen in gemeinsamer Entscheidungsgewalt, also: Der Koffer mit dem roten Knopf zirkuliert zwischen den genannten Staaten."

Risikofaktor USA

Grund für ein solches Arsenal sei, dass sich die USA möglicherweise in Zukunft als Schutzmacht von Europa abwenden könnten. Zum Schutz blieben dem Kontinent zwar mit Frankreich und Großbritannien noch zwei weitere Atommächte. "Aber Polen und die baltischen Staaten mit ihren historischen Erfahrungen werden vermutlich daran zweifeln, ob sie sich bei einer möglichen nuklearen Erpressung seitens Russlands auf britische und französische Versprechen verlassen können."

Das Streben nach weltweiter nuklearer Abrüstung hält Münkler dagegen für unrealistisch. Das liege vor allem an Russland, da das Land ohne seine Rohstoffe und Atomwaffen keine weltpolitische Bedeutung mehr hätte. Stattdessen ist es laut Münkler wahrscheinlich, dass künftig weitere Länder über Kernwaffen verfügen könnten: Beispiele seien etwa der Iran, Saudi-Arabien oder die Türkei.

Allerdings haben andere Wissenschaftler zuletzt weitere Konzepte ins Spiel gebracht: Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) beschrieb kürzlich in einem Gastbeitrag im "Spiegel" mehrere Szenarien: Möglich wäre es etwa, die französischen Atomwaffen innerhalb Europas aufzuteilen, sodass es zu einer Art nuklearen Teilhabe käme, wie sie aktuell zwischen den USA und Europa bestehe. So lagern etwa in Deutschland US-Atomwaffen, die auch durch deutsche Trägersysteme abgeschossen werden können. Allerdings hat der französische Präsident Emmanuel Macron einem solchen Konzept bereits eine Absage erteilt.

"Kein akzeptables Modell"

Die Idee der wechselnden Kontrolle mehrerer EU-Staaten über die gemeinsamen Kernwaffen, wie es auch Münkler beschrieben hat, hält Kaim dagegen für unrealistisch. Ein Problem sei etwa, dass es im Ernstfall unklar bleibe, welches Land konkret über den Einsatz der Waffen entscheiden dürfe – vor allem aus deutscher Sicht: "Es erscheint kein akzeptables Modell für die deutsche Sicherheitspolitik, dass Berlin europäische Nuklearwaffen mitbezahlt, aber keinerlei Einfluss auf ihren Einsatz hätte."

Noch unwahrscheinlicher ist es laut Kaim, dass die Europäische Union als Institution über die Atomwaffen verfügen könne. Das wäre aufgrund von gewaltigen "politischen wie rechtlichen Hürden" kurzfristig nicht möglich. Angesichts dessen blieben Deutschland drei Optionen: Annäherung an Kräfte wie Russland oder China, einen möglichen ausbleibenden Schutz der USA einfach hinzunehmen oder Deutschland atomar aufzurüsten.

Als dritte Option nennt Kaim einen "scharfen Bruch mit den Traditionen bundesdeutscher Außenpolitik". Allerdings könne die Bundesregierung dadurch möglicherweise Sicherheitsgarantien an mittel- und osteuropäische Staaten aussprechen.

Deutsche Atombombe "anti-europäisch"

Für die Politikwissenschaftler Claudia Major und Liviu Horovitz (beide ebenfalls von der SWP) ist eine deutsche Atombombe dagegen keine Option. Eine Bedrohung Russlands betreffe in erster Linie nicht Deutschland, sondern russische Nachbarländer wie die baltischen Staaten oder Finnland, schreiben die Wissenschaftler in einem Gastbeitrag des "Spiegel". Major und Horovitz nennen ein deutsches Atomwaffenarsenal daher "anti-europäisch". Zudem würde eine solche Aufrüstung auch riskieren, dass dann weitere Staaten es Deutschland gleichtun würden.

Trotzdem sehen die beiden Experten auch Wege, eine europäische Atombombe auf den Weg zu bringen. Wahrscheinlicher als ein Arsenal auf EU-Basis sei es, die Programme von Frankreich und Großbritannien auszuweiten: "Wenn Europa es nicht einmal hinbekommt, gemeinsam Steuern zu erheben, bleibt eine gemeinsame nukleare Abschreckung illusorisch."

Stattdessen müsse Deutschland aus Sicht der Experten drei Dinge tun: Das Verständnis für nukleare Ordnung und Abschreckung in Deutschland verbessern, ein europäisches Verständnis dazu erarbeiten und daraus eine europäische nukleare Abschreckung entwickeln, die französische und britische Atomwaffen, Raketenabwehr und konventionelle Kräfte umfasst.

Verwendete Quellen
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