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Das Bangen um Mesale Tolu ist vorbei: "Es war eine Entführung"


"Es war wie eine Entführung"
Verwirrspiel um Freilassung von Mesale Tolu

Von dpa, afp, dru

Aktualisiert am 19.12.2017Lesedauer: 3 Min.
Mesale Tolu: Am Montagabend durfte die deutsche Journalistin die Polizeistation in Istanbul verlassen.Vergrößern des BildesMesale Tolu: Am Montagabend durfte die deutsche Journalistin die Polizeistation in Istanbul verlassen. (Quelle: Lefteris Pitarakis/AP/dpa)
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Die Stunden des bangen Wartens sind vorbei:

Nach mehr als sieben Monaten in Untersuchungshaft in der Türkei ist die deutsche Journalistin Mesale Tolu wieder auf freiem Fuß. In Begleitung ihrer Familie verließ die 33-Jährige am Montagabend eine Polizeistation im Istanbuler Stadtteil Fatih. "Ich bin müde, aber glücklich", sagte Tolu in der Kanzlei ihrer Anwälte in Istanbul.

Ein Istanbuler Gericht hatte am Montagnachmittag die Freilassung von Tolu und fünf weiteren inhaftierten Angeklagten angeordnet. Anschließend wollten der deutsche Botschafter Martin Erdmann und Angehörige Tolu im Frauengefängnis in Bakirköy in Empfang nehmen. Doch es kam anders.

"Es war wie eine Entführung"

Tolu wurde von Sicherheitskräften in einem grauen Zivilfahrzeug mit getönten Scheiben aus dem Gefängnis gebracht. Bis zum Abend hielt man sie mehrere Stunden auf einer Polizeistation fest. "Es war wie eine Entführung", sagte Tolu später. "Man hat mich von einer Polizeiwache auf die andere gebracht."

Botschafter Erdmann konnte Tolus Aufenthaltsort erst nach Stunden ausfindig machen. "Die spielen mit uns ein Versteckspiel", zeigte er sich empört und sagte: "Ich persönlich bleibe hier, bis Frau Tolu freigelassen wird." Grund für die Verzögerung waren offenbar widersprüchliche Angaben der türkischen Justiz. Das Istanbuler Gericht hatte eine Ausreisesperre für Tolu verhängt, der Anti-Terror-Einheit der Polizei lag jedoch eine Abschiebeanordnung vor, berichtet Tolus Anwältin Gülhan Kaya.

Ihr 3-jähriger Sohn lebte bei ihr im Gefängnis

Die türkische Justiz wirft der aus Ulm stammenden Tolu zwar Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in der linksextremen Terrororganisation MLKP vor. Der wahre Grund ihrer Inhaftierung sei jedoch gewesen, "dass ich Mitglied einer freien Presse bin. Sie haben versucht, mich zu ängstigen, weil sie wussten, dass ich einen kleinen Sohn habe." Der inzwischen dreijährige Sohn hatte knapp ein halbes Jahr bei der Mutter im Gefängnis verbracht.

Die Türkei darf Tolu vorerst nicht verlassen. Sie muss sich jede Woche bei der Polizei melden. Nächster Verhandlungstermin gegen die Journalistin und 17 türkische Angeklagte ist der 26. April 2018. Prozessauftakt war am 11. Oktober gewesen. Tolu drohen nach Angaben ihrer Anwälte bis zu 20 Jahre Haft.

"Ein deutliches Signal der Entspannung"

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte die Freilassung Tolus als "gute Nachricht". Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach von einer "immensen Erleichterung" und wertete die Entscheidung als "deutliches Signal der Entspannung" im deutsch-türkischen Verhältnis. Gabriel betonte aber auch, dass noch lange nicht alle Probleme beseitigt seien. "Es gibt eine ganz gehörige Portion an nach wie vor existierenden Schwierigkeiten", sagte er. Merkel und Gabriel verwiesen zudem darauf, dass der Prozess noch weitergeführt wird.

Tolu äußerte die Hoffnung, dass nun auch der "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel freigelassen wird. "Wir sind beide Journalisten, die dem Staat ein Dorn im Auge sind", sagte sie. "Ich hoffe, dass auch er so bald wie möglich seine Freiheit genießen kann."

Linke-Abgeordnete Hänsel beobachtete den Prozess

Die meisten türkischen und deutschen Reporter waren von der Verhandlung ausgeschlossen. Als Grund gaben die Sicherheitskräfte im zentralen Gerichtsgebäude in Istanbul an, der Saal sei voll. Größere Säle seien belegt. Als Beobachter im Verhandlungssaal nahmen die Linke-Abgeordnete Heike Hänsel, der deutsche Botschafter Erdmann und der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff teil.

Tolu arbeitete in Istanbul für die kleine linke Nachrichtenagentur Etha. Nach ihrer Freilassung sind noch acht Deutsche aus politischen Gründen in der Türkei inhaftiert. Namentlich bekannt aus dieser Gruppe ist neben Tolu nur der "Welt"-Korrespondent Yücel, der seit Februar ohne Anklage in U-Haft sitzt. Der Grünen-Chef Cem Özdemir forderte die türkische Regierung auf, "alle politischen Gefangenen" freizulassen.

Zuletzt war am 26. Oktober der deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner aus der U-Haft entlassen worden, was als Zeichen der Entspannung im belasteten deutsch-türkischen Verhältnis gewertet worden war. Steudtner war am Tag darauf nach Berlin ausgereist. Sein Verfahren in Istanbul wird aber fortgesetzt.

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