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Darum profitiert Putin davon, wenn Polen und Deutschland sich streiten


Russische Bedrohung
Wenn Polen und Deutschland sich streiten, profitiert Putin

MeinungVon D. Gregosz und D. Lemmen (Konrad-Adenauer-Stiftung)

13.12.2022Lesedauer: 4 Min.
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Wladimir Putin: Russland Machthaber hofft auf Spannungen im westlichen Bündnis.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin: Russlands Machthaber hofft auf Spannungen im westlichen Bündnis. (Quelle: Mikhail Metzel/Kremlin Pool/imago-images-bilder)

Russland bedroht den Westen, Deutschland und Polen sollten Geschlossenheit zeigen. Stattdessen ist die Stimmung zwischen Berlin und Warschau schlecht. Woran das liegt, beschreiben David Gregosz und Daniel Lemmen (Konrad-Adenauer-Stiftung).

Zu den zahlreichen Fehleinschätzungen des Kremls zählt mit Sicherheit, den Zusammenhalt des Westens unterschätzt zu haben. Vielfach wird betont, dass die noch vor Jahren als "hirntot" bezeichnete Nato wieder zueinander gefunden habe. Dennoch zeigen sich inzwischen Risse in Europa – insbesondere in sich verschärfender Form in den deutsch-polnischen Beziehungen, die sich auch vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine nicht verbessert haben.

Anführen lassen sich eine Reihe von Problemfeldern. Während Europa und der Westen sich gegenüber Russland in erstaunlicher Geschlossenheit üben, forciert das polnische Regierungslager Reparationsforderungen an Deutschland und publizierte am letzten Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges einen Bericht über die nationalen Verluste.

David Gregosz
David Gregosz

David Gregosz leitet das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Polen mit Sitz in Warschau. Daniel Lemmen ist Projektkoordinator. Die KAS ist eine der CDU ideell nahestehende Denkfabrik, die sich unter anderem für die europäische Verständigung einsetzt.

Darin fordert Warschau von Berlin 1,3 Billionen Euro für während und infolge des Krieges erlittenes Leid. Vordergründig scheint dieser Schritt Gegenstand polnischer Außenpolitik zu sein. Bei näherer Betrachtung aber ist es offensichtlich, dass das Anheizen der Reparationsdebatte vor allem innenpolitisch motiviert ist. In etwa zehn Monaten finden in Polen Parlamentswahlen statt und nach den Wahlsiegen 2015 und 2019 droht der regierenden PiS aktuell der Machtverlust.

Im anbrechenden Wahlkampf bemüht die nationalkonservative Regierungspartei daher antideutsche Rhetorik, um die eigene Kernwählerschaft zu mobilisieren. Die Folgen für das deutsch-polnische Verhältnis werden augenscheinlich nachrangig behandelt. Oberste Priorität hat der Wahlsieg – und für den Parteivorsitzenden Jarosław Kaczyński geht es um alles oder nichts.

Fehler auf beiden Seiten

Das fehlende Vertrauen aufseiten beider Nachbarn schlicht nur der polnischen Regierung zuzurechnen, wäre einfach, aber falsch. Gerade mit Blick auf den Krieg in der Ukraine zeigen sich deutlich Verstimmungen, politische Fehler sowie ein Mangel an Kommunikation beiderseits der Oder. Aktuelles Beispiel ist das Angebot von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, eine Luftabwehrbatterie des Typs Patriot in Polen zu stationieren (worüber die Bundeswehr mangels eigener Kapazitäten nicht begeistert ist).

Zunächst begrüßte der polnische Amtskollege Mariusz Błaszczak den Vorschlag, PiS-Parteichef Kaczyński jedoch lehnte die Offerte strikt ab. Stattdessen schlug Warschau vor, das Abwehrsystem in der Ukraine zu stationieren. Zwei Wochen später dann die erneute Wende in Warschau: Die polnische Regierung zieht den deutschen Vorschlag nun doch in Erwägung; sie artikuliert aber noch im selben Atemzug abermals den Vorwurf, Deutschland zeige kaum Interesse, die Ukraine weitreichend zu unterstützen.

Weitere Zuspitzung erfährt die polnische Replik sogar noch durch den Pressesprecher der PiS, wonach die Polen nicht wirklich mit der Stationierung des Patriot-Systems auf ihrem Territorium rechnen sollten. Zu oft würde die deutsche Regierung Ankündigungen machen, dann aber ihr Wort brechen. Deutlicher wohl lässt sich das eigene Misstrauen gegenüber dem westlichen Nachbarn nicht zum Ausdruck bringen.

Passend dazu auch die weitere Kritik an der Bundesverteidigungsministerin: Danach sollte der deutsche Patriot-Vorschlag eigentlich der Geheimhaltung zwischen Berlin und Warschau unterliegen – doch die Ministerin habe sich daran scheinbar nicht halten wollen. Ähnlich problematisch gelagert ist der zwischen Polen und Deutschland vereinbarte Ringtausch von Panzern. Weil Polen der Ukraine seit dem 24. Februar 2022 fast 300 Kampfpanzer sowjetischer Bauart überließ und damit polnische Bestände dezimierte (zuvor 800 Panzer), kam die Idee auf, sie durch Deutschland auffüllen zu lassen.

Zunächst konnte die Bundesregierung dem Nachbarn lediglich 20 Leopard-2-Panzer anbieten, die jedoch erst nach sechs Monaten einsatzbereit gewesen wären. Zusätzlich sollte Warschau 100 ältere Leopard-1-Panzer erhalten. Für die polnische Regierung aber war dies inakzeptabel, da sie einen Ausgleich in Bataillon-Stärke (44 Panzer) im Sinn hatte und zum anderen keine veraltete Gerätschaft in ihre Bestände aufnehmen wollte.

Polen auf dem Weg zur starken Militärmacht

Seit mehreren Wochen scheint es in dieser Frage keine Bewegung zu geben. Gerade in Polen fühlt man sich hier wenig von Berlin unterstützt – ein Umstand, der Deutschland zusätzliche Glaubwürdigkeit kostet. Neben der "Patriot-Posse" und dem stockenden Ringtausch hat es die Bundesregierung auch nicht vermocht, Polen vom European Sky Shield zu überzeugen. Zwar wollen sich dem Projekt – auf deutsche Initiative – 15 europäische Staaten anschließen, um ein gemeinsames europäisches Luftverteidigungssystem aufzubauen.

Warschau hingegen vertraut an dieser Stelle auf die langjährig eingeübte Zusammenarbeit mit den USA und strebt seit Längerem die Installation eigener Patriot-Systeme an. Großes Unverständnis aus (nicht nur) polnischer Perspektive zeigt sich mit Blick auf den deutschen Verteidigungshaushalt. Der vereinbarten Anhebung des Wehretats auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) kommt Deutschland seit Jahren nicht nach.

Laut einer vor einigen Tagen veröffentlichten Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft wird Berlin dieser Verpflichtung auch zukünftig kaum nachkommen (erwartet für 2023 ist ein Anteil von 1,5 % des deutschen BIP). In Polen stellt sich die Lage derweil gänzlich anders dar. Im Jahr 2022 lag der Anteil der Verteidigungsausgaben bei 2,4 Prozent. Im nächsten Jahr soll er auf drei Prozent (über 20 Milliarden Euro) ansteigen. Hinzu kommt ein Sonderfonds über fast zehn Milliarden Euro.

Dies bedeutet eine merkliche Aufrüstung der polnischen Streitkräfte. Polen beabsichtigt im Zuge dessen Hunderte von amerikanischen und vor allem südkoreanischen Panzern zu erwerben. Schon jetzt verfügt Polen über fast dreimal so viele einsatzbereite Panzer wie die Bundeswehr. Das polnische Berufsheer soll von derzeit 110.000 Soldaten auf die Stärke von einer Viertelmillion erhöht werden. Hält Warschau mittelfristig an diesen Plänen fest, würde Polen bis zum Ende des Jahrzehnts zu einer gewichtigen Militärmacht in Europa aufsteigen.

Die "Zeitenwende" ernst nehmen

Damit verbunden wäre eine Zunahme an politischem Gewicht in EU und Nato. Berlin erhebt seit Kurzem einen sicherheitspolitischen Führungsanspruch, zuletzt geäußert von Bundeskanzler Olaf Scholz in einem Namensartikel für die Fachzeitschrift "Foreign Policy". Es mangelt jedoch an Taten und im Verhältnis zu Polen (dem wichtigsten europäischen Staat an der Ostflanke von EU und Nato) verfügt Deutschland dort nicht über das notwendige Vertrauen.

Natürlich ist die Rhetorik der PiS im beginnenden Wahlkampf, die einstweilen die deutsche Dominanz verteufelt, wenig hilfreich. Aber der Bundesregierung muss klar sein, dass eine erfolgreiche Sicherheitsarchitektur in Ost- und Ostmitteleuropa nur gemeinsam mit Polen geschaffen werden kann. Deutschland muss deshalb mit durchdachten Initiativen aufwarten, die Kommunikation mit Warschau trotz schwieriger Partnerschaft verbessern und verspieltes Vertrauen zurückgewinnen. Nur so wäre die proklamierte "Zeitenwende" mehr als eine Rede.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben die Meinung der Autorinnen und Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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