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Der lachende Dritte im Irak-Konflikt


Die heimlichen Sieger im Irak-Konflikt
Peschmerga-Kämpfer weiten kurdischen Einflussbereich aus

Von ap, dpa
02.07.2014Lesedauer: 3 Min.
Einheiten der kurdischen Peschmerga nutzen das Machtvakuum im Norden des Irak, um ihren Einflussbereich auszuweitenVergrößern des BildesEinheiten der kurdischen Peschmerga nutzen das Machtvakuum im Norden des Irak, um ihren Einflussbereich auszuweiten (Quelle: Reuters-bilder)
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Mit großer Sorge verfolgt die Welt den brutalen Vormarsch der Terrorgruppe Isis im Irak. Derweil schafft eine dritte Partei im Schatten des Konflikts Fakten. Einheiten der als Peschmerga bekannten kurdischen Streitmacht besetzen Gebiete, die in der Vergangenheit zwischen Kurden und Arabern umstritten waren. Die Rufe nach einer vollständigen Unabhängigkeit der weitgehend autonomen Region im Norden des Irak sind nicht mehr zu überhören.

Relativ unbemerkt von der Öffentlichkeit sind die Kurden dabei, eine Art Grenze zu ziehen. Sandwälle, Gräben und Straßensperren entstehen nahe Gebieten, die kurdische Kämpfer während des Isis-Vormarsches im vergangenen Monat in Besitz genommen haben.

"Eine Sicherheitsmaßnahme", sagt Falah Bakir, Chef für Außenpolitik in der kurdischen Regionalregierung. Man habe es mit einer ernsten Bedrohung zu tun. "Wir sind Nachbarn eines terroristischen Staates - des Islamischen Staates -, und wir müssen Schritte ergreifen, um unsere Sicherheit zu gewährleisten", so Bakir.

Vertreter der Peschmerga argumentieren, dass sie etwa die ölreiche Stadt Kirkuk und deren Umgebung unter ihre Kontrolle gebracht haben, damit sie nicht an die Isis fällt. Die Sicherung der 1000 Kilometer umfassenden Grenze sei nötig, um einen weiteren Vormarsch der Militanten zu verhindern.

"Die irakischen Soldaten und Polizisten sind allesamt geflohen", höhnt Dschabar Yawar Manda, der Generalsekretär im Ministerium der kurdischen Streitkräfte. Hätte die Peschmerga das Machtvakuum nicht gefüllt, "dann wären die Terroristen jetzt hier".

Auch außerhalb der zweitgrößten irakischen Stadt Mossul haben Peschmerga-Truppen Erdbarrieren errichtet. Mossul war im vergangenen Monat von Isis-Kämpfern erobert worden. Die Barrieren grenzen umstrittenes Gebiet ein, aber sie schützen auch von Christen und anderen Minderheiten bewohnte nahe gelegene Dörfer vor den islamischen Extremisten.

"Welche Regierung in Bagdad?"

"Wir ziehen die Grenze an den umstrittenen Gebieten, was unser Recht ist", sagt einer der Kämpfer. Auf Einwände seitens der Regierung in Bagdad angesprochen, lacht der Mann: "Welche Regierung in Bagdad?" Ein Rückzug aus den nun übernommenen Gebieten kommt für die Kurden offenbar nicht mehr infrage. Hört man sich unter den Menschen in der Autonomieregion um, ertönt unisono: Jetzt ist es Zeit für die Unabhängigkeit!

Worte, die der Regierung in Bagdad um Ministerpräsident Nuri al-Maliki gar nicht passen. Es werde niemandem erlaubt, die jetzige Situation auszunutzen, sagt Al-Maliki in einer TV-Ansprache. Die von den Kurden im vergangenen Monat besetzten Gebiete müssten unter die Kontrolle der Zentralregierung zurückkehren. Priorität habe nach dem Isis-Vormarsch der Kampf um die Sicherheit und Einheit des Landes.

Der kurdische Norden des Iraks ist seit 1991 weitgehend autonom. Nach dem Sturz von Saddam Hussein 2003 wurde offiziell der Zusammenschluss der drei Nordprovinzen zum Autonomiegebiet "Kurdistan des Iraks" erklärt. In den vergangenen Jahren entwickelte es sich wegen der vergleichsweise guten Sicherheitslage zu einer Boom-Region. Die Wirtschaft wächst beständig, überall werden neue Gebäude hochgezogen.

Über eine eigene Pipeline können die Kurden ihr Erdöl auch ohne die Genehmigung aus Bagdad in die Türkei liefern. Gleichwohl fühlen sich die Kurden von Bagdad - wo seit dem letzten Golfkrieg die Schiiten die Regierung dominieren - vernachlässigt. Immer wieder gibt es Streit um Gebiete, um Öl. Eine Lösung wurde nie gefunden.

>>> Bilder, Videos, Hintergründe: Dem Irak droht der Zerfall <<<

"Wir werden immer unterdrückt"

"Ganz gleich wer in Bagdad herrscht, wir werden immer unterdrückt", schimpft der Student Ari aus der Stadt Erbil. Er spricht aus, was viele empfinden. Vertrauen in die irakische Führung hatten die Kurden nie. Unter dem Sunniten Saddam Hussein wurden in den 1980er Jahren mehr als 180.000 von ihnen getötet. An der Religion lag es nicht, die meisten Kurden hängen ebenfalls dem sunnitisch-islamischen Glauben an.

Auch vom schiitischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki wurden sie über Jahre hinweg gegängelt - ein zugesagtes Referendum über die Zukunfts Kirkuks beispielsweise kam nie zustande. Jetzt sind sie womöglich die heimlichen Sieger in der Krise.

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