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Donald Trump angeklagt: Entscheidung über das Schicksal des Ex-Präsidenten


Historische Anklage in New York
In Trumps Wolkenkratzer zeigen sie den Mittelfinger

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns

Aktualisiert am 01.04.2023Lesedauer: 5 Min.
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t-online vor Ort in New York: So angespannt ist die Lage kurz vor Trumps Anklage vor Gericht. (Quelle: t-online)

Am Dienstag soll Donald Trump in New York vor Gericht erscheinen. Ein Ortsbesuch bei zwei Hochhäusern in Manhattan, in denen sich das Schicksal des Ex-Präsidenten entscheidet.

Bastian Brauns berichtet aus New York

Drei Häuserblocks südlich des New Yorker Central Parks funktioniert der Mythos Donald Trump noch. Hier, vor dem Eingang des golden schimmernden Trump Tower, stellt sich eine vietnamesische Reisegruppe auf. Bereit für Fotos und Videos, die sie mit einem Mann machen, der sich als Trump verkleidet hat, um Touristen zu bespaßen. Noch ein Foto? Noch ein Foto. Ins Innere von Trumps Tempel an der Fifth Avenue wagen sie sich nicht.

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Trumps New Yorker Wolkenkratzer glänzt und schimmert. Drinnen ist nichts davon zu merken, dass gerade eine historische Anklage gegen den ehemaligen US-Präsidenten erhoben wurde – weil er einem Pornostar Schweigegeld gezahlt haben soll. Betritt man die Eingangshalle, beginnt die Reise in eine glorreich wirkende Vergangenheit. Ein Magnet für Besucher sind die goldenen Rolltreppen, die Trump einst herunterschwebte, um seine erste Präsidentschaftskandidatur zu verkünden. Das Betreten ist strengstens untersagt. Fotografieren dagegen ausdrücklich erwünscht.

Rechts der Rolltreppen liegt eine Bar, die an die gute alte Zeit erinnert. Stolz und seriös blickt Trump von den zahlreichen eingerahmten Fotos an den Wänden in Schwarz und Weiß auf die trinkenden Gäste herab.

Serviert wird in der "45 Wine and Whiskey"-Bar etwa das legendäre Trump-Menü für 45 Dollar – bestehend aus einem Old-Fashioned-Cocktail, zwei "All American Beef Sliders" mit Ketchup, dazu eine Cola light. Der Name der Bar spielt darauf an, dass Trump der 45. Präsident der Vereinigten Staaten war. Seit diesem Höhepunkt seiner politischen Macht zelebriert er den Kult um seine Person mehr als je zuvor.

"I can see you. Your brown skin shining in the sun": Aus den Lautsprechern tönt Don Henleys "The Boys of Summer" aus dem Jahr 1984. Das war die Zeit des republikanischen Präsidenten Ronald Reagan. Damals waren die Vereinigten Staaten noch die mächtigere von zwei Supermächten auf der Welt. Wenig später fiel die Mauer, dann der Eiserne Vorhang. Der 11. September 2001 war noch fast zwanzig Jahre entfernt. In Trumps Bar singt Don Henley weiter: "Don’t look back, you can never look back".

Echte Fans von Donald Trump sind aber in seinem Tower gar nicht so leicht zu finden. Vor der Eingangstür hat sich ein Mann eingefunden, der sich John McGuigan nennt. Mit seinen Händen hält er eine Regenbogenflagge, auf der zu lesen ist: "Gays for Trump".

McGuigan sagt, er sei schwul und er halte Trump "für den besten Präsidenten, den dieses Land je hatte". Er weiß, dass er in New York damit gleich zwei Minderheiten angehört. "Sie veranstalten eine Hexenjagd, weil sie Angst haben vor ihm", sagt John. Den amtierenden Präsidenten Joe Biden bezeichnet er als eine "senile Person", als einen "dementen, bösen, alten Mann, der Geld aus Russland, China und dem Iran bekommt".

Ein Museum von und für Donald Trump

Die meisten Menschen im Umkreis des Trump Tower kommen aber wegen der Folklore. Eine Familie aus London sitzt in Trumps Bar, um zu Hause erzählen zu können, dass man hier gewesen ist. Zur Anklage gegen Trump sagt Vater Nevin: "Tja, das sieht auf der Weltbühne schon echt blöd aus, wenn dein Ex-Präsident plötzlich angeklagt wird." Aber faszinierend sei der Mann irgendwie schon. Ob Trump auch dieses Mal davonkommt? "Schon möglich", sagt Nevin.

Trump will auch der 47. US-Präsident werden. In einer Vitrine mitten in der "45"-Bar lässt er vorerst die Artefakte aus seiner bislang ersten Präsidentschaft ausstellen. Neben Medaillen und einem Football steht dort auch ein leerer Ordner, der mit "Classified" beschriftet ist. Solche Hefter, gefüllt mit streng vertraulichen Staatsgeheimnissen, wurden zuhauf in Trumps Domizil Mar-a-Lago in Florida gefunden. Auch wegen dieses Vergehens droht ihm eine Anklage. Ein Gast witzelt, dass der vermeintlich leere Ordner in der Vitrine das eigentliche Versteck der so richtig geheimen Geheimdokumente sei.

Im hinteren Teil der Bar nippen zwei ältere Damen an ihren Weißweingläsern. "Wir haben extra den günstigsten genommen, damit wir den Typen nicht auch noch mitfinanzieren", sagt Gail und will sich nur mit einem ausgestreckten Mittelfinger fotografieren lassen. Ihre Freundin Marguerite versteckt sich lieber hinter ihrem Weinglas.

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Beide sind Kanadierinnen, kommen aus Vancouver Island und waren noch nie in New York. "Endlich wird er angeklagt", sagt Gail und klatscht in die Hände. "Da dachten wir, komm, dann müssen wir wenigstens mal in seinem Tower gewesen sein."

Der Schicksalsturm im Süden von Manhattan

Sechs Kilometer entfernt, im Süden von Manhattan, trifft Trumps Vergangenheit auf die Gegenwart. Mitten in Chinatown ragt ein heruntergekommener Gerichtskomplex aus dem Jahr 1941 in den New Yorker Aprilhimmel. Hier, im Kriminalgericht von New York, soll ihm der Prozess wegen der Affäre um die Schweigegeldzahlungen an den Pornostar Stormy Daniels gemacht werden.

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Schwer zu entziffern, aber gerade noch lesbar ist die Inschrift auf der verschmutzten Fassade: "Equal and exact justice to all men of whatever state or pursuation" – gleiche und genaue Rechtsprechung für alle Menschen, egal welchen Status sie haben, egal welcher Überzeugung sie sind.

Kommende Woche erfüllt sich hier womöglich auch Donald Trumps Schicksal. Fingerabdrücke werden dann genommen und Fotoaufnahmen angefertigt. Ob ihm die Handschellen und der in New York für Prominente oft übliche öffentliche Gang zum Gericht erspart bleibt, soll beim ehemaligen Präsidenten noch Verhandlungssache sein. Um seinen selbstgewählten Status als Märtyrer einer angeblich linksradikalen Justiz zu untermauern, könnten ihn solche Bilder allerdings auch freuen.

Von außen belagern Kamerateams aus aller Welt den von Baugerüsten und Absperrgittern umzäunten Criminal Court schon seit Tagen. Zu sehen gibt es wenig. Eine Frau in einem Raubkatzenkostüm, das sie mit Dollarscheinen versehen hat, protestiert hier als eine der wenigen gegen Trump. Bereitwillig gibt Marni Halasa den Reportern Interviews und verteilt ihre Visitenkarte. Sie will für den Stadtrat von New York kandidieren.

Durch welchen Eingang wird Trump wohl gehen müssen? Auf welchem Stockwerk wird er auftauchen? Ein Justizbeamter zuckt im 16. Stock mit den Schultern. "Es steht noch nicht mal fest, welcher Richter zuständig sein wird. Die Details halten sie bis zum Schluss geheim, aus Sicherheitsgründen." Auch er erfahre das erst kurz zuvor. Fotografieren möge man bitte hier nicht.

Das Innere des alten Justizturms aus den Vierziger Jahren wirkt wie das Gegenmodell zum schönen Schein des Trump Towers. Die massiven, eisernen und rostigen Heizkörper unterhalb der offenen Fenster glühen, obwohl es längst keinen Frost mehr gibt. Darüber surren die später eingebauten Kästen der Klimaanlagen. Ständig wird es abwechselnd heiß und kalt, stickig und frisch. So als würde hier auch die Luft mitentscheiden dürfen über Freiheit oder Freiheitsentzug.

Über 17 Stockwerke führen niedrige und breite Flure in die weniger glanzvolle Realität Amerikas. Auf ihnen laufen Menschen, die wegen eines Verbrechens angeklagt sind. Manche sitzen auf langen Holzbänken und starren ins Nichts. Manche betreten die Gerichtssäle in Handschellen, begleitet von Justizbeamten. Darunter sind mutmaßliche Schläger, Mörder oder Vergewaltiger.

Am Dienstag wird erstmals auch ein ehemaliger Präsident der Vereinigten Staaten unter ihnen sein. Bald wird es hier Fotos geben, die Donald Trump wahrscheinlich nicht in seiner Bar im goldenen Trump Tower aufhängen lassen wird.

Zwei ältere Amerikanerinnen machen draußen auf dem Platz vor dem Gericht Bilder von der eingerüsteten Fassade. Ihre Namen wollen sie lieber nicht in den Medien lesen.

"Wir wollen Ihnen aber eines sagen: Wir schämen uns für diesen Mann und dafür, dass er mal der Präsident war", sagt eine von ihnen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen vor Ort
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