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Inflations-Schock in den USA: Ist Joe Biden schuld?


Inflations-Schock in den USA
Das kann teuer werden für Joe Biden

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, Washington

Aktualisiert am 11.11.2021Lesedauer: 4 Min.
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US-Präsident Joe Biden: Neben vielen weiteren Problemen bringt ihn nun auch noch die Inflation in Bedrängnis.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Joe Biden: Neben vielen weiteren Problemen bringt ihn nun auch noch die Inflation in Bedrängnis. (Quelle: imago-images-bilder)

Die Inflation in den USA steigt rasant – und bringt Joe Biden zunehmend in Bedrängnis. Der Präsident spielt auf Zeit, doch das Risiko für ihn ist hoch.

Menschen, die an Kassen arbeiten, hören in den USA derzeit täglich diesen Satz: "This is insane!" Denn der Wahnsinn findet dort statt, wo eingekauft wird. Ob an der Supermarktkasse, im Restaurant oder an der Tankstelle – überall sind die Preise in den Vereinigten Staaten innerhalb kürzester Zeit so stark gestiegen wie seit mehr als 30 Jahren nicht mehr.

Das Leben ist so teuer geworden, dass selbst Gutverdiener in der US-Hauptstadt Washington ihren Augen nicht trauen wollen, wenn sie für ihren Einkauf von etwas Gemüse, Käse und einer Flasche Wein plötzlich 100 Dollar los sind. Wie weniger gut verdienende Amerikaner mit den Preissteigerungen klarkommen sollen? Das zeigen unter anderem die immer länger werdenden Schlangen vor den Food Banks, den amerikanischen Tafeln.

Wie dramatisch die Lage damit auch politisch ist, verdeutlicht ein Statement des US-Präsidenten. Zwischen seinem Treffen am Mittwoch mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Weißen Haus und einem Besuch im Hafen von Baltimore sollte dieser Satz unbedingt gehört werden: "Die Inflation richtet Schaden an in den Geldbörsen der Amerikaner. Und die Umkehr dieses Trends hat für mich oberste Priorität", beteuerte Joe Biden.

Das US-Arbeitsministerium hatte da gerade die neuesten Zahlen zur Teuerung gemeldet. Im Oktober erreichte die Inflationsrate 6,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Der höchste Anstieg seit 1990.

Benzinpreise treiben alle Preise

Insbesondere die Benzinpreise sind ein Problem, denn sie treffen im Autoland Amerika nicht nur jeden Fahrer an der Tankstelle. Sie verteuern auch alle Produkte, die in irgendeiner Form transportiert werden müssen. Im vergangenen Monat stieg der Benzinpreis gegenüber dem Vorjahresmonat im Schnitt um fast 50 Prozent.

Die Lebensmittelpreise legten um 5,4 Prozent zu, wobei Preise für Fleisch, Milchprodukte und Eier noch einmal deutlich teurer geworden sind. Speck etwa wurde mit 15 Prozent so viel teurer wie seit 1990 nicht mehr. Von Autos, ob neu oder gebraucht, über Möbel bis hin zu Sportgeräten – alles, bis auf ein paar wenige Ausnahmen wie etwa Smartphones, ist plötzlich sehr viel teurer. Dazu wird es Winter und die Menschen fürchten höhere Heiz- und Stromkosten.

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Ist Joe Bidens Agenda schuld?

Das Wort "Bidenflation" macht schon seit Juni vornehmlich bei Ex-Präsident Donald Trump und den Republikanern die Runde. Sie wollen dem demokratischen US-Präsidenten die Schuld an den explodierenden Preisen geben. "Amerikaner bezahlen den Preis für Joe Bidens fiskalischen Wahnsinn", sagt der texanische Senator Ted Cruz. Floridas populärer Gouverneur Ron DeSantis beklagt eine "unsichtbare Steuer für die Bürger". Mehrere führende Republikaner versuchen gar, eine Verbindung zur Rekord-Inflation in den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts zu ziehen. Es sei die schlimmste Zeit seit Jimmy Carter.

Aber selbst aus den eigenen Reihen gibt es Kritik. Nicht nur sehen selbst demokratisch orientierte Ökonomen einen Zusammenhang zwischen Bidens Billionen-Programmen und der Inflation. Der renitente US-Senator Joe Manchin etwa bringt sie nun als Argument in das innerparteiliche Gezänk um die großen Investitionspakete von Joe Biden ein. Solange nicht von unabhängiger Stelle geklärt sei, ob die staatlichen Billionenausgaben die Inflation nicht weiter anfeuern würden, so Manchin, solange könne er der sogenannten "Build back better"-Agenda auch nicht zustimmen.

Es gibt zahlreiche und ziemlich komplexe Gründe für die aktuelle Inflation in den USA. So verringern etwa die wegen der Pandemie noch immer stockenden Lieferketten das Warenangebot. Durch zwei große finanzielle Hilfspakete (eines von Donald Trump, eines von Joe Biden) haben die Amerikaner insgesamt betrachtet mehr Geld in ihren Taschen, auch weil sie in den vergangenen anderthalb Jahren weniger ausgeben wollten. Die nun steigende Nachfrage kann vielerorts nicht bedient werden, was die Preise in die Höhe treibt. Auch die Erdöl- und Erdgasproduzenten der Welt (darunter die OPEC-Länder, Russland und die USA) beeinflussen mit ihrer Förder- und Preispolitik das Inflationsgeschehen.

Für den politischen Gegner aber ist die Sache klar: Die Klimaagenda der Demokraten sei schuld an den hohen Erdölpreisen. Dazu gehört, dass Joe Biden etwa das Pipelineprojekt Keystone XL von Kanada in die USA beerdigt hat. Die wirtschaftliche Situation des Landes hat in Wahlen immer eine große Rolle gespielt. Aber wie so vieles in den USA scheint auch die Frage nach der Bewertung der Ökonomie zunehmend gespalten beantwortet zu werden.

Im Oktober 2020, als Donald Trump noch Präsident war, dachten laut dem Washingtoner Markt- und Meinungsforschungsinstitut Gallup 55 Prozent der Republikaner, dass die Wirtschaft sich erholen werde. 67 Prozent der Demokraten waren der Ansicht, es werde schlimmer. Kurz nachdem Joe Biden Präsident geworden war, hatten sich diese Wahrnehmungen ins Gegenteil gekehrt.

Heikle Situation für den Präsidenten

Joe Biden muss nun aber aufpassen, dass der politische Schaden durch die eigenen Anhänger nicht zu groß wird. Noch im September nannte laut Gallup nur ein Prozent der Befragten die Inflation als das wichtigste Problem des Landes. Im Oktober sprang der Anteil auf fünf Prozent. Das mag wenig klingen, aber es könnte schließlich derjenige Teil der potenziellen Wählerinnen und Wähler sein, die ihre Stimme bei den wichtigen Zwischenwahlen im kommenden Jahr dann den Republikanern geben werden.

Ob und wie schnell die Billionen-Investitionspakete, die – so das Versprechen von Joe Biden – für mehr und besser bezahlte Jobs sorgen sollen, wirklich wirken, ist unklar. Sie pumpen aber ohne Frage noch mehr Geld ins System. Schwarzmaler warnen bereits vor einer Hyperinflation. Die US-Notenbank Fed allerdings spricht nach wie vor von einer vorübergehenden Inflation. Noch belässt sie die Leitzinsen nahe null. Die Aktienkurse an der Börse steigen weiter.

Um seinem Wunsch nach der Heilkraft seiner Wirtschaftsagenda mehr Nachdruck zu verleihen, holte sich der US-Präsident in seinem Statement am Mittwoch noch schnell Hilfe. "17 Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften haben gesagt, dass mein Plan 'den Inflationsdruck verringern' wird", sagte Biden.

Für die Verbraucher heißt das aber vorerst trotzdem: Aufregen, Abwarten und Tee trinken. Der ist mit derzeit durchschnittlich rund drei Dollar pro Tasse immerhin noch verhältnismäßig günstig.

Verwendete Quellen
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