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Drama in Texas | Schulmassaker in den USA: Eine gebrochene Nation


Nach Massaker an US-Grundschule
Der Führer einer gebrochenen Nation

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, Washington

Aktualisiert am 25.05.2022Lesedauer: 4 Min.
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Joe Biden zum Schulmassaker in Uvalde: "Ich wollte das nie wieder tun müssen."Vergrößern des Bildes
Joe Biden zum Schulmassaker in Uvalde: "Ich wollte das nie wieder tun müssen." (Quelle: imago-images-bilder)

Ein 18-jähriger Attentäter tötet an einer Grundschule 19 Kinder. In den USA ist das Entsetzen groß. Mal wieder. Doch an den liberalen Waffengesetzen wird sich nichts ändern.

"Ein Kind zu verlieren", beginnt Joe Biden den Satz, den er nach einem 17-Stunden-Flug aus Japan an seine Nation richten muss, "ein Kind zu verlieren, das ist so, als würde dir ein Stück deiner Seele einfach weggerissen". Die nächtliche Ansprache des US-Präsidenten gleicht einem 19-fachen Nekrolog, einer Trauerrede an eine erstarrte Nation.

Nur wenige Tage nachdem Joe Biden nach Buffalo gereist war, um die zehn Toten des rechtsterroristischen Anschlags in einem Supermarkt zu beklagen, bricht die nächste Katastrophe über die USA herein: ein erneuter Massenmord. Noch während der Präsident in der Air Force One auf dem Rückflug nach Washington sitzt, werden 19 Kinder und zwei weitere Menschen, darunter eine Lehrkraft, an einer Grundschule in der texanischen Kleinstadt Uvalde brutal ermordet. Der Täter: der gerade einmal 18-jährige Teenager Salvador R. (Lesen Sie hier eine Zusammenfassung der Geschehnisse.)

"Da ist diese Leere in deiner Brust, und du fühlst dich, als würdest du dort hineingesaugt. Es fühlt sich so an, als würdest du da nie mehr herauskommen, so als würdest du ersticken", sagt Joe Biden in seiner Rede. Er weiß, wovon er spricht. Auch er hat mit Naomi und Beau Biden eine Tochter und einen Sohn verloren. Naomi zusammen mit seiner ersten Frau bei einem Verkehrsunfall. Beau starb an Krebs.

Sprachlos, hilflos und machtlos

"Nie wieder werden sie in die Betten ihrer Eltern hüpfen können, um mit ihnen zu kuscheln", sagt Biden. Neben ihm steht seine Frau Jill, First Lady und selbst Lehrerin. "Warum sind wir bereit, mit diesem Gemetzel zu leben? Warum lassen wir das immer wieder zu? Wo in Gottes Namen ist unser Rückgrat, um uns gegen die Lobbys zu erheben?". Der mächtigste Mann der Welt wirkt in diesem Moment zugleich wie der hilfloseste. Statt Antworten hat Joe Biden nur Fragen für das Volk, welches er eigentlich schützen soll.

Zahlreiche Politiker und Prominente melden sich seither zu Wort und fordern, endlich zu handeln. Steve Kerr, Trainer des Basketballteams der Golden State Warriors in San Francisco, wurde besonders deutlich. 90 Prozent der Amerikaner seien für härtere Kontrollen. Aber 50 Senatoren würden 90 Prozent der Amerikaner als Geiseln halten und nichts unternehmen. "Es macht mich krank", so Kerr. Dann verlässt er das Podium und ruft: "Es ist erbärmlich! Ich habe wirklich genug!". Lesen Sie hier weitere emotionale Reaktionen.

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Alles wie bisher

Doch die Waffengesetze der Vereinigten Staaten bleiben so, wie sie sind. Im Kongress fehlt den Demokraten die Mehrheit, die sie bräuchten, um wirklich etwas zu verändern. Die Macht der Waffenlobby, der National Rifle Association, ist zu groß, der Wille der gewählten Abgeordneten und Senatoren zu klein, um nach all den Massakern der vergangenen Jahrzehnte endlich zu handeln. Mehr als 300 Millionen Waffen befinden sich in den USA in privaten Händen. In keinem anderen Land kommen so viele Menschen durch Schusswaffengewalt zu Tode.

Ausgerechnet am kommenden Wochenende ist es wieder so weit. Die National Rifle Association (NRA) kommt in Houston, Texas, zum Jahrestreffen zusammen. Sowohl der ehemalige Präsident Donald Trump als auch der texanische Gouverneur Greg Abbott und Senator Ted Cruz werden dort als Redner erwartet. Sie alle sind Verfechter des liberalen Waffenrechts in den USA.

Politische Spielchen

Während vor allem im politischen Lager der Demokraten das Entsetzen groß ist, bemühen sich die Republikaner um Ablenkung. Vom "absoluten Bösen", das über die USA hereingebrochen sei, ist die Rede. Davon, dass das Massaker nicht politisch instrumentalisiert werden dürfe. Davon, dass Lehrer endlich bewaffnet werden müssten.

Die Fragen, die in diesem politischen Lager gestellt werden, lauten: "War der Schütze ein illegaler Einwanderer?" oder "Hatte er psychische Probleme?". Viel bekannt ist über den Täter bislang nicht. Außer, dass er über Instagram schon vor dem Attentat mit seinen Waffen geprahlt hatte.

Es ist angesichts der politischen Verhältnisse im Land und des offensichtlichen Unwillens, die Ursache der Waffengewalt zu bekämpfen, davon auszugehen, dass einfach alles so bleibt, wie es ist.

Die engagierte Rede des demokratischen US-Senators Chris Murphy wird deshalb wie so viele davor wohl einfach verhallen. Zu später Stunde bat er seine Kollegen darum, endlich zu handeln. "Wozu sind wir hier?", flehte der Mann aus Connecticut. Die First Lady Jill Biden twitterte: "Gott, es ist genug." Die Vizepräsidentin Kamala Harris blieb gewohnt stanzenhaft. "Als Nation müssen wir den Mut haben, Maßnahmen zu ergreifen und zu verhindern, dass dies jemals wieder geschieht", ließ sie das Land wissen. Wie, das sagte sie nicht.

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In seiner Traueransprache an die Nation hatte Joe von der Leere und Ausgehöhltheit gesprochen, die man als Elternteil spüre, wenn einem das eigene Kind genommen werde. Nichts außer Leere ist es, die wohl jetzt wieder in der Seele dieser Nation bleibt.

Von Columbine 1999 über Sandy Hook 2012 bis Uvalde 2022: leere Worte. Immer wieder. Und sonst nichts.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Ansprache von Joe Biden
  • Pressekonferenzen der Polizei in Uvalde
  • Pew Research Center: Key facts about Americans and guns (englisch)
  • Pew Research Center: What the data says about gun deaths in the U.S. (englisch)
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