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Markus Söders Ambitionen aufs Kanzleramt: Er kann es nicht lassen


Kanzlerambitionen des Markus Söder
Schade eigentlich


09.04.2024Lesedauer: 3 Min.
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Merz und Söder haben nicht das glücklichste Händchen.Vergrößern des Bildes
Friedrich Merz und Markus Söder in vermeintlich vertrautem Trunk. (Quelle: Sven Hoppe/dpa)

Markus Söder ist einer der erfahrensten Spitzenpolitiker der amtierenden Generation. Aber eine Eigenschaft fehlt ihm. Deshalb ist es besser, wenn er weder Kanzlerkandidat noch Kanzler wird.

Ungefähr da, wo sich Markus Söder in dem Moment am Kopf kratzt, kurz hinterm Ohr, ungefähr da muss dieses kleine Teufelchen sitzen, das ihm in solchen Augenblicken zuraunt: "Tu's, Markus! Mach ihn rein!" Eine ganze Weile schon hat ihn Sandra Maischberger am Montag in ihrer Sendung kritisch zu seinem Trip nach China befragt, ist auf der Frage herumgeritten, weshalb er denn nicht endlich "Diktatur" zu diesem autoritären Riesenland sage.

Söder windet sich heraus, oder versucht es jedenfalls und gibt zurück, er sei gespannt, was der Bundeskanzler zu der Frage bei seiner demnächst anstehenden Reise dorthin sagen werde. (Vorher hatte er schon Wert auf die Feststellung gelegt, dass er sein Wording ja mit Olaf Scholz abgestimmt habe, und darauf, dass er ja vor dem Bundeskanzler dort gewesen sei, Bayern eben zuerst, schneller, toller, besser.) Aber er sei ja nicht der Kanzler, "noch nicht jedenfalls", gibt Maischberger zurück.

Ja, kontert Söder, "schade eigentlich". Dann das Kratzen an der Teufelchenstelle und noch mal: "Schade eigentlich."

Das erste "Schade eigentlich" ist Reflex. Affekt. Das zweite ist Kalkül. Überzogen wäre es, daraus unweigerlich abzuleiten, dass Söder eben doch in diesem Herbst Kanzlerkandidat der Union werden möchte. Was nur ginge, worauf er immer ebenso gespielt artig wie korrekt hinweist, wenn die Spitze der CDU das so wünschte.

Ein Satz als Warnung

Zutreffend aber ist die Deutung, dass diese Formulierung eine Warnung bedeutet an jeden (eine Frau kommt nach Lage der Dinge dieses Mal nicht in Betracht), der es jenseits von Söder am Ende machen wird. Denn dieses "Schade eigentlich", darauf kann sich der Betreffende schon einmal einstellen, wird Söder dann abermals intonieren, wenn es gegebenenfalls nicht ganz rund läuft bei der Operation Kanzleramt der Union. Wenn er schon nicht der Kandidat ist, dann möchte er in jedem Fall der bessere Kandidat sein. So wie er sich bei allem Respekt vor Olaf Scholz (den hat er wirklich) auch im Vergleich zu diesem als der bessere Kanzler begreift.

Damit dringt man vor zum eigentlichen Problem des Markus Söder. In diesem "Schade eigentlich" steckt so viel wie in Alkmenes weltschmerzgeschwängertem "Ach!" am Ende von Kleists Tragikomödie "Amphitryon". Das ganze Stück steckt in diesem "Ach". Und der ganze Söder steckt in diesem "Schade eigentlich".

Seine Defizite liegen nicht im genuin politischen Bereich. Er ist kundig, hat einen ungeheuren Instinkt, ist schlagfertig, eloquent und schnell im Kopf. Kann politisch komplexe Zusammenhänge in wenigen Sätzen plastisch machen. Auch Faulheit oder sagen wir: Bequemlichkeit ist ihm ganz sicher nicht vorzuwerfen. Er schont weder sich noch seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Er ist ein politisches Kraftwerk mit enorm hohem Wirkungsgrad.

Seine Positionswechsel sind Legende

Das Defizit liegt auf einer anderen Ebene. Wenn man es nicht Charakter nennen will, dann vielleicht: sittliche Reife und ein rudimentäres Maß an Anstand, das auch in der granitharten Politik gewahrt werden sollte. Und eine gewisse Geradlinigkeit. Seine Positionswechsel zu politischen Themen jeder Art sind Legende. Politik erfordert eine gewisse Geschmeidigkeit. Aber keiner wechselt seine Ansichten so geschwind wie das Chamäleon aus Bayern.

Vor allem aber: Seinen Hang zum Sticheln und Stänkern, als sei er immer noch heißsporniger Vorsitzender der Jungen Union Bayern, kann Söder einfach nicht ablegen. Davon kann Armin Laschet ein Lied singen, der bei Defiziten in anderen Bereichen über diese sittliche Reife verfügt und der von Söder als strauchelnder Kanzlerkandidat lustvoll gepiesackt wurde. Um diese Quecksilbrigkeit weiß auch Friedrich Merz, wenn er sich auf Bayernbesuch in gespielter Eintracht in angeseppeltem Jackett mit Söder auf eine Bühne stellt. Gemeinsames Bierstemmen hin oder her: Man muss immer mit einem Magenschwinger von ihm rechnen. "Schmutzeleien" hat Horst Seehofer das mal genannt. Selbst kein Kind von Traurigkeit.

Vorläufiges Fazit nach bald 30 Jahren faszinierter Beobachtung des Phänomens Söder: Kaum ein Politiker der amtierenden Generation verfügt über so viele Gaben auf einmal wie der bayerische Ministerpräsident. Aber diese eine fehlt, um sich für ganz oben zu empfehlen und für ganz oben zu eignen. Das war früher bei Franz Josef Strauß so. Und das ist bei Söder so. Schade eigentlich.

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