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YouTube | AfD-naher Influencer Niklas Lotz tobt nach t-online-Recherche


Geldsammeln mit Anzeigen
Spenden-YouTuber tobt nach t-online-Recherchen

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 01.03.2023Lesedauer: 5 Min.
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Niklas Lotz: Der YouTuber schlachtet es zum Spendensammeln aus, wenn er echten opder vermeintlichen Gegenwind bekommt. In seinem neuesten Video sagt er, sein Leben solle zerstört werden.Vergrößern des Bildes
Niklas Lotz: Der YouTuber schlachtet es zum Spendensammeln aus, wenn er Gegenwind bekommt. In seinem neuesten Video sagt er, sein Leben solle zerstört werden. (Quelle: Screenshot YouTube/@Neverforgetnikichannel)

Der AfD-nahe Influencer Niklas Lotz ist auf der Palme: Nach Recherchen von t-online spricht er von "seelischer Grausamkeit" – und nutzt den Fall zum Spendensammeln.

Der YouTuber Niklas Lotz, der mit weitgehend inhaltslosen Videos in Erscheinung tritt, ist nach der Berichterstattung von t-online über die Art seines Spendensammelns in Rage geraten. Er bezeichnet den Text als "brutalen" und "feigen Angriff" und versucht in einem Video einige Ungereimtheiten auszuräumen.

Lotz gibt in dem Video zu, dass er alle Anfragen von t-online bewusst ignoriert hat. Die Redaktion hatte ihm damit die Gelegenheit geben wollen, seine Sicht der Dinge darzustellen und offene Fragen zu klären. Erst nach Erscheinen des Textes liefert er in einem Video vermeintliche Beweise und will so den Eindruck erwecken, der ganze Artikel sei "nur auf Lügen" aufgebaut. "t-online-Journalist Lars Wienand möchte mein Leben zerstören", behauptet er darin. Dabei ignoriert er wichtige Punkte und löscht am Fließband Hinweise und Nachfragen unter seinen Beiträgen. In einem wichtigen Punkt widerspricht er allerdings einer Darstellung der Staatsanwaltschaft Ulm, über die t-online berichtet hatte.

Darum geht's: t-online hatte geschrieben, Lotz animiere seine Zuschauer zu Spenden mittels Strafanzeigen, von denen die Betroffenen nichts wissen. Einerseits verlinkt er in seinen Meinungsbeiträgen oft Überschriften seriöser Medien. Zum anderen stellt er sich als Opfer dar und sagt, dass es anderen auch so ergehen könnte. In seinen Videos suggeriert er den Zuschauern einen sinnvollen Kampf, bei dem sie ihn unterstützen sollen – und dies offenbar auch tatkräftig tun: Auf Twitter trägt er inzwischen den Spitznamen "Schickiniki", weil er in einigen Videos teure Designerklamotten trägt. Lotz erklärt den t-online-Beitrag zum Teil einer linken Kampagne, ignoriert die meisten Kritikpunkte in seinem Video.

Medienjournalist: "Das ist Methode 'Lotzlöffel'"

Der Medienjournalist Holger Kreymeier ("Massengeschmack.tv"), der selbst schon mehrfach über Lotz berichtet hat, hält das für typisch: "Das ist die Methode 'Lotzlöffel': Kleinigkeiten dramatisieren, sich zum Opfer machen, sich wichtiger darstellen als man ist – und vor allem: die berechtigten Vorwürfe nicht erwähnen und darüber schweigen." Lotz habe sich aus einem Artikel voller berechtigter Vorwürfe nur den Teil herausgepickt, der Angriffsfläche biete. Zugleich nutzt er das als Aufhänger, neue Spenden zu erbitten.

Der YouTuber zeigt in dem Beitrag, dass er tatsächlich Anzeige erstattet hat. So auch gegen den ARD-Journalisten Georg Restle, den Leiter und Moderator des Politikmagazins Monitor. "ES REICHT!" hatte Lotz ein zehnminütiges Video betitelt. Er lasse sich "von öffentlich-rechtlicher Diffamierung nicht einschüchtern". Dass Restle von der Anzeige im September bis heute nichts gehört hat, erwähnt er nicht: "Ich habe nie etwas davon gehört", sagte Restle t-online. Keine Konsequenzen bisher für seine Aussage, man könne Lotz "getrost eher zu den hartgesottenen Rechtsextremen zählen".

So ähnlich erging es der Kommunalpolitikerin Barbara Domke, Stadtverordnete der Grünen in Cottbus. Lotz hatte seine Fans angestachelt: "Lehren wir die Grünen, dass Verleumdung Konsequenzen hat!", als er sie im Oktober anzeigte. Domke hatte gesagt, Lotz würden 80.0000 russische Bots folgen. Lotz stellte das als unerhörten Angriff dar. Sie bekam nach der Anzeige keine Post von der Justiz – aber Lotz' Zuschauer hatten das Gefühl, etwas zu bewegen. "Er sucht kreativ Vorwände, um nach Geld zu fragen", sagt Domke. Mit einer Anzeige hat Lotz billigen Stoff, den er für sein Publikum spektakulär aufblasen kann – egal, ob an den Vorwürfen etwas dran ist oder nicht.

Ermittlungen nach den Anzeigen eingestellt?

Der Würzburger Jurist Chan-jo Jun, der sich intensiv mit dem Thema Hasspostings beschäftigt, sagt: "Wenn es ein halbes Jahr nach einer Anzeige mit bekanntem Verdächtigen noch keine Anhörung gibt, spricht das dafür, dass der Fall kompliziert ist – oder dass das Verfahren bereits eingestellt ist oder eingestellt werden soll". Im Falle einer Einstellung würde Lotz benachrichtigt – erzählt hat er davon aber nichts. Auch auf Nachfrage antwortete er wieder nicht. Die Staatsanwaltschaft Ulm konnte zum Stand zunächst keine Angaben machen.

Lotz selbst bekam prompt Post von den Behörden, als er im Oktober 2022 schrieb, die Grünen-Chefin Ricarda Lang sitze "ohne Intelligenz" im Bundestag. Innerhalb von vier Wochen wurde er als Beschuldigter zum Vorwurf der Beleidigung vernommen. Das Video zu der Anzeige bezeichnete er als sein "wichtigstes Video". Er betitelte es mit "ICH KANN NICHT MEHR". In den darauffolgenden Tagen konnte er allerdings zahlreiche Posts über die angeblichen Versuche veröffentlichen, ihn zum Schweigen zu bringen.

Aktuell hat er nun Annalena Baerbock ausgewählt, ein zehnminütiges Video ist überschrieben mit "ES REICHT! ANZEIGE gegen BAERBOCK IST RAUS!" Mit sehr einfachen Mitteln präsentiert sich Lotz so als Kämpfer gegen Grüne, Klimaschützer, Journalisten.

Er selbst arbeitet dabei permanent mit absurden Übertreibungen wie "bricht zusammen", "stürzt ab" gegen Politiker und Journalisten und bedient mit seinen Angriffen einen "Wutbürger-Mob, den Pöbel", wie Medienjournalist Kreymeier das nennt. Tatsächlich bringt das Lotz auch regelmäßig viel Widerspruch ein, wie t-online berichtete. Auf Twitter trenden Formulierungen wie "#NikischreibtKacki".

Immer wieder berichtet Lotz von Morddrohungen. Tatsächlich gibt es digitale Gewalt gegen Vertreter aller politischen Richtungen, auch rechte Blogger wie Lotz können zur Zielscheibe werden, sagt Anna-Lena von Hodenberg, Geschäftsführerin von der Beratungsstelle HateAid. Die Beratungsstelle hilft auch in solchen Fällen, wenn die Opfer nicht selbst digitalen Hass verbreiten. Lotz ist kein Klient.

Er hatte auch kurz vor Weihnachten am 22. Dezember erklärt, eine "Morddrohung" bekommen zu haben. Am 5. Januar meldete er sich wieder zu dem Fall und erklärte, die Inhaberin des anonymen Accounts, die von "Vergasen" geschrieben hatte, sei ermittelt und er sei von der Polizei gebeten worden, Strafantrag zu stellen.

"Morddrohung" ist in Wahrheit Beleidigung

Die ungewöhnlich schnelle Klärung des Sachverhalts über Weihnachten und Neujahr hatte viele Nutzer verwundert. Auf Nachfragen antwortete Lotz nicht, sondern fügte die Fragesteller seiner langen Liste gesperrter Accounts hinzu. Auch Leute, die nie etwas mit ihm zu tun hatten, sind gesperrt und wundern sich, wenn er von "Meinungsfreiheit" spricht.

Nachfragen von t-online per Mail, Twitter, auf seiner Mailbox und per WhatsApp ignorierte er. Jetzt stellt sich heraus: Er hätte bestätigen können, dass es sehr wohl eine Anzeige gab – anders als von der Staatsanwaltschaft Ulm angegeben. Sie hatte t-online auf Anfrage mitgeteilt, "dass eine entsprechende Strafanzeige datiert vom 22.12.2022 beim Polizeipräsidium Ulm [das auch die Polizeidienststellen in Lotz Wohnort einschließt] nicht verzeichnet ist. Es erübrigt sich daher auch die Beantwortung, ob eine Person in diesem Zusammenhang vorgeladen wurde, um einen Strafantrag schriftlich zu stellen." t-online hatte das auch so berichtet.

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Lotz hat nun ein Bild dieses Strafantrags gepostet. Auf eine erneute Anfrage an die Staatsanwaltschaft konnte die Polizei zunächst dennoch nichts dazu finden. Nach einer dritten Anfrage von t-online mit dem Aktenzeichen aus dem Video wurde die Staatsanwaltschaft selbst fündig. Sprecher Michael Bischofberger: "Es gibt diese Anzeige, und die Polizei hätte sie finden müssen. Dort wurde offenbar nicht gut genug nachgeschaut." Die Staatsanwaltschaft bedauere das. Lotz hat damit also den Verdacht ausgeräumt, er könnte die Anzeige erfunden haben.

Das von Lotz verbreitet Bild seines Strafantrags verrät aber auch: Ermittelt wird gar nicht wegen "Morddrohung", sondern wegen Beleidigung. Das klingt aber weit weniger dramatisch.

Verwendete Quellen
  • Anfragen an Staatsanwaltschaft Ulm
  • Gespräch mit Holger Kreymeier
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