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Sucharit Bhakdi: "Querdenker"-Köpfe vor Gericht – Prozess startet Dienstag


Prozess gegen Bhakdi und andere
Jetzt kommen die "Querdenker"-Idole vor Gericht

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

22.05.2023Lesedauer: 5 Min.
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Sucharit Bhakdi: Der Professor im Ruhestand löst mit einem Vergleich von Israel mit Nazi-Deutschland Empörung aus.Vergrößern des Bildes
Sucharit Bhakdi: Der Professor im Ruhestand löst mit einem Vergleich von Israel mit Nazi-Deutschland Empörung aus. (Quelle: Screenshot/Servus-TV)

Am Dienstag startet der Prozess gegen den Bakteriologen Sucharit Bhakdi wegen Volksverhetzung. Er ist nicht der einzige Star der "Querdenker"-Szene, der sich vor Gericht verantworten muss.

Sucharit Bhakdi ist 76 Jahre alt und Professor für Medizinische Mikrobiologie – zumindest momentan noch. Denn die Universität Mainz prüft derzeit den Entzug des Professorentitels. Bhakdi vertrete Positionen, die aus Universitätssicht "irreführend bis falsch" seien, heißt es auf der Webseite des Instituts für Medizinische Mikrobiologie der Universität, an der Bhakdi bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand vor zehn Jahren lehrte. Und nun wird der Blick ins schleswig-holsteinische Plön gehen: Da steht Bhakdi wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung ab Dienstag vor Gericht, und der Ausgang wird auch für die Titelfrage eine Rolle spielen.

Während der Corona-Pandemie wurde Bhakdi zu einer Galionsfigur der "Querdenker"-Szene, weil er die Regierungsmaßnahmen immer wieder massiv kritisierte und dafür scheinbar "wissenschaftliche Fakten" ins Feld führte. Dass sich vieles davon bei genauerer Prüfung als falsch erwies und Bhakdi selbst keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen dazu vorweisen konnte, tat seiner Popularität dabei keinen Abbruch.

Mit dem Prozess gegen Bhakdi steht jetzt einer der prominenten Maßnahmegegner vor Gericht, der in Konflikt mit der Justiz geriet. Drei weitere potenziell spektakuläre Prozesse gegen Ikonen der Szene stehen an.

Um diese Fälle und Personen geht es:

Prozess gegen Sucharit Bhakdi geht los

Der Professor: Sucharit Bhakdi machte zunächst mit kritischen Fragen zu Corona an die Bundeskanzlerin von sich reden, wurde dann immer mehr zu einer politischen Figur und radikalisierte sich, als er in den Medien wenig Gehör fand und seine Thesen als unbelegt, unwissenschaftlich und widerlegt dargestellt wurden. Er kandidierte erfolglos für die Anti-Corona-Partei "Basis" für den Bundestag, rief zu Demos auf und sprach dort selbst.

Die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein wirft ihm Volksverhetzung in zwei Fällen vor: Zum einen hatte er im April 2021 in einem auf YouTube verbreiteten Video die Impfpolitik der israelischen Regierung mit den Worten attackiert, das "Volk der Juden" habe von den Nazis das "Erzböse" gelernt und "umgesetzt".

Zum anderen brachte er bei einer Wahlkampfrede die Zulassung von Covid-19-Impfstoffen mit einem "Endziel" in Verbindung und sprach von einem zweiten Holocaust.

Besonderheit: Die Staatsanwaltschaft Kiel stellte das Ermittlungsverfahren gegen ihn zunächst ein. Die Generalstaatsanwaltschaft schaltete sich ein und übernahm gleich selbst, das Amtsgericht ließ dann die Anklage zu.

Prozess gegen Richter Dettmer ab 15. Juni

Der Richter: Es war ein Paukenschlag und löste ein Justizbeben aus, als der Weimarer Familienrichter Christian Dettmer mal eben am 8. April 2021 mit einem Beschluss die Maskenpflicht zu kippen schien. Ab 15. Juni steht er vor Gericht, er ist wegen Rechtsbeugung angeklagt. Er hatte in einem Verfahren zwei Schulen verboten, ihren Schülern das Tragen von Masken und Corona-Schnelltests vorzuschreiben und Präsenzunterricht verfügt. Dettmers Begründung: Die Regelungen seien verfassungswidrig, das Kindeswohl verbiete das Maskentragen. Gegner der Maßnahmen bejubelten die Entscheidung, an Gerichten gab es Solidaritätskundgebungen.

Sehr früh begannen Ermittlungen wegen des Vorwurfs, dass der Familienrichter sein Amt missbraucht habe: Er habe keine Zuständigkeit für eine solche Entscheidung oder hätte auf der Rechtsgrundlage keine Anordnung gegenüber Lehrern und Schulleitung treffen können – und hätte das wissen müssen: daher der Vorwurf der Rechtsbeugung. Schon bald nach seiner Entscheidung fand bei ihm eine Hausdurchsuchung statt.

Dabei fanden sich dann Hinweise, dass der Richter mit der Entscheidung seine grundsätzliche politische Haltung zum Ausdruck bringen wollte und in dem Fall einen Vorwand gefunden haben könnte. So war eine Familie gesucht worden, die mit dem Anfangsbuchstaben ihres Nachnamens in seine Zuständigkeit fiel, er hatte ausschließlich maßnahmenkritische Gutachter beauftragt, den Fall quasi mit anderen geplant.

Detttmer wurde mit 25 Prozent verminderten Dienstbezügen vorläufig suspendiert. Sollte er verurteilt werden, verliert er Richteramt und Beamtenstatus. Die Mindeststrafe für Rechtsbeugung liegt bei einem Jahr, damit geht die Entlassung aus dem Staatsdienst einher. Dettmer wird vom Hamburger Staranwalt Gerhardt Strate vertreten, der – wie es heißt – an einer Absprache arbeiten soll.

Prozess gegen Bodo Schiffmann sollte lange beginnen

Der Schwindelarzt: Auch der Sinsheimer HNO-Arzt Bodo Schiffmann hatte zunächst versucht, weitgehend sachlich gegen die Corona-Maßnahmen zu argumentieren und zunächst auch Masken zum Schutz gefordert. Sehr bald produzierte er aber auch Videos mit der falschen Behauptung, Kinder seien durch Maskentragen gestorben. Auch rief er dazu auf, in vorgetäuschten Telefonaten Impflügen zu verbreiten und stellte gefälschte Maskenbefreiungsatteste aus. Ende 2020 gab Schiffmann seine Praxis auf. Er lebte von Schenkungen, betreibt heute auf Tansania eine Touristenunterkunft.

Unter anderem deshalb wurden er und seine Frau, ebenfalls Ärztin, angeklagt. Dazu kommen gegen ihn Vorwürfe wegen Volksverhetzung: In einem Video habe er den Holocaust verharmlost, als er impfende Mediziner mit KZ-Lagerarzt Josef Mengele verglich. Mengele überwachte Vergasungen und führte menschenverachtende pseudomedizinische Experimente durch. Schiffmann sprach auch vom "Genozid" durch die Regierung. Weil er aufforderte, "alle, die sich das ausgedacht haben, zur Rechenschaft zu ziehen", wird ihm auch ein Aufruf zu unfriedlichen Aktionen gegen die Regierung und die Justiz vorgeworfen.

Schiffmann hatte angekündigt, er werde zu einem Prozess anreisen. Obwohl die Anklage bereits vom April 2022 stammt, gibt es aber bis heute keinen Prozesstermin. Zunächst hieß es vom Gericht, es hätten sich aus der Corona-Zeit dringendere Verfahren gestaut. Die Staatsanwaltschaft hat aber währenddessen weitere Anklagepunkte nachgereicht, die sich auf Postings von Schiffmann beziehen: In einem soll er Gesundheitsminister Karl Lauterbach und damit eine Person des politischen Lebens beleidigt oder verleumdet haben. In einem anderen teilte er ein "Fahndungsplakat" im RAF-Stil, auf dem unter anderem Annalena Baerbock abgebildet war. Schiffmann beklagte, Satiriker Jahn Böhmermann werde wegen eines satirischen Plakats mit konservativen Politikern nicht belangt.

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Prozess gegen Ballweg drängt nicht mehr

Der "Querdenken"-Gründer: Michael Ballweg setzte am 18. April 2020 die erste Demo gegen die Maßnahmen durch und ließ weitere folgen, zu denen immer mehr Menschen kamen. Er hat die "Querdenken"-Bewegung gegründet und wurde ihr Kopf. Und er ließ sich dafür Geld schenken – mehr als eine Million Euro. Im März 2023 wurde gegen Ballweg Anklage erhoben wegen versuchten Betrugs und Geldwäsche. Er soll die Spender getäuscht haben, wofür das Geld genutzt wird. Seine Anwälte weisen die Vorwürfe zurück.

Im Juni 2022 gab es bei ihm eine Hausdurchsuchung, als er kurz davor war, den Verkauf seines Stuttgarter Hauses abzuschließen. Er landete wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft. Vor der JVA Stammheim gab es regelmäßig Solidaritätskundgebungen. Nachdem Ballweg sich seit Anfang April wieder auf freiem Fuß befindet, entfällt das Beschleunigungsgebot für Beschuldigte in Untersuchungshaft: Jetzt eilt es nicht mehr. Mit dem Beginn seines Prozesses rechnen Beobachter erst gegen Jahresende.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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