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Sibylle Lewitscharoff redet sich in Dresden um Kopf und Kragen


Skandalrede in Dresden
Sibylle Lewitscharoff redet sich um Kopf und Kragen

Von t-online, dpa
Aktualisiert am 07.03.2014Lesedauer: 3 Min.
Die Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff stößt mit ihren Äußerungen zu künstlicher Befruchtung auf Kritik.Vergrößern des BildesDie Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff stößt mit ihren Äußerungen zu künstlicher Befruchtung auf Kritik. (Quelle: dpa-bilder)
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"Widerwärtig" und "absolut grauenerregend", so äußerte sich die Schriftstellerin und Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff über künstliche Befruchtung. Ihre Rede im Dresdner Staatsschauspiel sorgt für Empörung.

Lewitscharoff, eine der wichtigsten deutschen Schriftstellerinnen, hatte am vergangenen Sonntag laut Manuskript über Kinder, die durch künstliche Befruchtung gezeugt wurden, gesagt: "Nicht ganz echt sind sie in meinen Augen, sondern zweifelhafte Geschöpfe, halb Mensch, halb künstliches Weißnichtwas."

Die Schriftstellerin hatte die künstliche Befruchtung laut Manuskript als eigentlichen "Horror" bezeichnet. Die "weithin geschätzten Reproduktionsmediziner" nannte sie "Frau Doktor und Herr Doktor Frankenstein". Mittlerweile gehe es dabei "sehr rein und fein und überaus vernünftig" zu. "Der Vorgang selbst ist darum nichts weniger als abscheulich", so die 59-Jährige.

Die Autorin will nichts zurücknehmen

Die vielfach preisgekrönte Autorin wollte in einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" nichts von ihren umstrittenen Äußerungen zu Reproduktionsmedizin und Freitod zurücknehmen. "Darf ich in einer Rede nicht sagen, was ich denke?"

Allerdings gab sie mit einem Hinweis auf ihren Vater eine Erklärung, warum sie "schärfer und auch persönlicher" auf solche Themen reagiere. Der aus Bulgarien stammende depressive Gynäkologe hatte sich das Leben genommen, als die Tochter neun war.

Gegen Onanie und Leihmutterschaft

In ihrer Rede führte Lewitscharoff weiter aus: "Früher habe ich mich über das drastische biblische Onanieverbot gern lustig gemacht, inzwischen erscheint es mir geradezu als weise", sagte sie mit Blick auf die Samenspende. Doch "die Vorstellung, dass ein Mann in eine Kabine geschickt wird, wo er, je nach Belieben, mit oder ohne Hilfe von pornographischen Abbildungen, stimuliert wird, seine Spermien abzuliefern, die später in den Körper einer Frau praktiziert werden, ist mir nicht nur suspekt, ich finde sie absolut widerwärtig", heißt es in dem Manuskript. Eine künstliche Befruchtung sei zudem für das Kind verstörend. Als "absolut grauenerregend" bezeichnete Lewitscharoff auch die Praxis der Leihmutterschaft. Sie treibe "die Widerwärtigkeit auf die Spitze".

Fragwürdig ist auch die Parallele, die die Literatur-Preisträgerin zwischen künstlicher Befruchtung, Leihmutterschaft und der Nazizeit zieht: "Angesichts dieser Entwicklungen kommen mir die Kopulationsheime, welche die Nationalsozialisten einst eingerichtet haben, um blonde Frauen mit dem Samen von blonden blauäugigen SS-Männern zu versorgen, fast wie harmlose Übungsspiele vor", so der Wortlaut im Manuskript.

Menschenbild, "das Verklemmung mit Verachtung paart"

Der Chefdramaturg des Staatsschauspiels Dresden, Robert Koall, warf Lewitscharoff in einem offenen Brief gefährliche Stimmungsmache und indirekt die Verletzung der Menschenwürde vor.

"Man muss sehr viel Selbstbeherrschung aufbringen, um sich vom Sprachduktus nicht an Zeiten erinnert zu fühlen, in denen eine solche Wortwahl dazu diente, die Würde von Menschen antastbar zu machen", schreibt Koall. Eine der meistbeachteten deutschen Schriftstellerinnen pflege öffentlich ein Menschenbild, "das Verklemmung mit Verachtung paart". Die Kopulation zwischen Mann und Frau sei für sie der einzige akzeptable Weg zur Menschentstehung.

Kritik an Lewitscharoff: "Tropfenweise verabreichtes Gift"

"Das Tendenziöse, die Stimmungsmache, das tropfenweise verabreichte Gift", mache Lewitscharoffs Rede gefährlich, schreibt Koall. "Ihre Worte sind nicht harmlos, Frau Lewitscharoff. Aus falschen Worten wird falsches Denken. Und dem folgen Taten. Deshalb sind es gefährliche Worte."

Sibylle Lewitscharoff gehört zu den renommiertesten deutschen Schriftstellerinnen. Für ihren Roman "Pong" erhielt sie 1998 den Ingeborg-Bachmann-Preis. Weitere Titel sind "Montgomery" (2003), "Apostoloff" (2009) und "Blumenberg" (2011). Unter anderem erhielt sie den Preis der Leipziger Buchmesse, den Kleist-Preis und 2013 den Georg-Büchner-Preis. Letzterer gilt als Deutschlands wichtigste Auszeichnung für Literatur.

In Interviews warnt die bis heute Handy-lose Autorin immer wieder vor der "unendlichen Zerstreuung" durch den Computer. Vor allem aber bekennt sie sich als Pro-Europäerin und entschiedene Demokratin. "Wenn ich das sogenannte Faschistoide rieche, verhärtet sich alles in mir, und ich werde zum Terrier."

Das Staatsschauspiel organisiert in Kooperation mit der "Sächsischen Zeitung" regelmäßig Dresdner Reden. Vor Lewitscharoff kamen in diesem Jahr dabei auch schon die Journalisten Heribert Prantl, Roger Willemsen und der Grünen-Politiker Jürgen Trittin zu Wort.

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