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Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel stellt sich bei Günther Jauch


TV-Kritik
Jauch scheitert an kühler Pegida-Sprecherin

t-online, Marc L. Merten

Aktualisiert am 19.01.2015Lesedauer: 5 Min.
TV-Kritik zu Jauch-Talk: Ruhig, beherrscht, emotionslos - Kathrin Oertel von Pegida im Berliner GasometerVergrößern des BildesRuhig, beherrscht, emotionslos - Kathrin Oertel von Pegida im Berliner Gasometer (Quelle: Müller-Stauffenberg/imago-images-bilder)
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Erst wurde die Pegida-Demonstration am Montag in Dresden wegen einer Terrordrohung abgesagt. Dann stand sogar auf der Kippe, ob sie tatsächlich kommen würde: Am Ende aber war Kathrin Oertel doch bei Günther Jauch zu Gast. Die Sprecherin von Pegida stellte sich im Gasometer den Fragen des ARD-Moderators. Das erwartete Kreuzverhör hatte sie sich bestimmt härter vorgestellt. Dafür sorgte AfD-Mann Alexander Gauland gleich zu Beginn für einen Eklat.

So sieht sie also aus, die Pegida-Vertreterin. Die blonden Haare zum Zopf gebunden, ganz in schwarz gekleidet, den Mantel hoch geschlossen. Ein Lächeln kommt ihr kaum einmal über die Lippen, der Blick bleibt kühl, emotionslos. Die Unerfahrenheit im Fernsehen, noch dazu in der ARD, elementarer Teil der „Lügenpresse“, aufzutreten, ist ihr nur selten anzumerken. Sie redet meist ruhig, ihre Stimmlage im Griff, auch, wenn sie kritisiert oder attackiert wird. Ob sie geahnt hat, dass gerade vom Moderator so wenig Gegenwind kommen würde?

Schon mehrfach hatte Günther Jauch versucht, in seiner Sendung Personen und ihre Ansichten zu überführen und zu entlarven. Er scheiterte grandios mit einem radikalen Imam, er ließ dafür AfD-Chef Bernd Lucke geschickt ins Messer laufen. Bei Oertel setzte er auf das, was man erwarten konnte: Aufklärung durch Dialog.

Kathrin Oertel – eine FDP-Wählerin gegen Islamisierung

Oertel durfte sich und Pegida vorstellen. Sie klagte, dass Pegida „immer wieder falsch bei Politik und Medien angekommen“ sei. Sie sei „eine ganz normale Frau aus dem Volk“, die aber „nie das Gefühl hatte, dass eine Partei meine Interessen vertreten“ hätte. Am Ende der Sendung erklärte Oertel jedoch: „Ich war die klassische FDP-Wählerin.“ Eine „klassische“ Liberale also, die seit 2013 AfD wählt. Man darf auf die Reaktion von FDP-Chef Christian Lindner gespannt sein.

Pegida, so Oertel, sei gegründet worden „wegen der Unruhen in Deutschland“, vor allem wegen einer Demonstration von Kurden in Dresden, die gefordert hatten, Deutschland solle Waffen an die PKK liefern. „Da haben wir gedacht: Wir müssen was tun.“ Der Anlass, Pegida zu gründen, seien die Probleme gewesen, „die aufgrund der Islamisierung entstanden sind“ und dass „das [deutsche] Volk gar nicht mehr wahrgenommen“ werde, „was mit der Islamisierung zu tun hat“.

Ein Beispiel für das, was passiere, wenn der Islam „in unsere Kultur eingreift“, sei doch Frankreich, referierte die Pegida-Sprecherin. Sehr geehrte Frau Oertel, es mag von Günther Jauch ein schrecklicher Lapsus gewesen sein, Ihnen diese Aussage durchgehen zu lassen. Aber bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass es zwischen Frankreich (beziehungsweise den Franken) und dem Islam schon vor 1300 Jahren erste Berührungspunkte gab. Und in der Geschichte liegt auch der Grund, warum es gerade in Südfrankreich so viele Moscheen gibt. Aber das nur als kleiner Einwurf am Rande...

Angst vor der Islamisierung oder vor der GEZ?

Nachdem der Rahmen gesteckt war und Jauch bereits mehrere Momente verpasst hatte, Oertels oberflächliche Aussagen („Es haben sich viele Probleme angestaut“) zu hinterfragen, durften auch die anderen Gäste mittun. Auffällig dabei einmal mehr: Bei einer Diskussion um die Islamisierung Deutschland und um die Flüchtlings- und Migrationspolitik der Bundesregierung war einmal mehr weder ein Moslem noch ein Flüchtling oder Migrant zu Gast. Einmal mehr wurde also wieder nur über sie diskutiert, aber nicht mit ihnen.

Mit dabei war an diesem Abend dafür Jens Spahn. Das Mitglied des CDU-Präsidiums zeigte sich als der kritische Nachfrager, der Jauch eigentlich hätte sein sollen. Um was es Oertel wirklich gehe, wollte er wissen. Ob Oertel selbst auch Frust schiebe, so, wie viele Menschen, die unter der Pegida-Flagge demonstrierten, denen es aber eigentlich gar nicht um die Islamisierung gehe, sondern um alltägliche Probleme, die mit Ausländern und anderen Religionen herzlich wenig zu tun hätten (wie zum Beispiel die Abschaffung der GEZ, wie aus einem Einspieler hervorging).

Auch Frank Richter, Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, vermutete, dass hinter den Begriffen „Patrioten“ und „Islamisierung“ eigentlich „ganz andere Probleme“ steckten. Jedoch erwies sich Richter im Gegensatz zu Spahn als heimlicher Unterstützer Oertels. Die deutsche Gesellschaft entsolidarisiere sich, so der Theologe, weil die Politik ihre Bürger von oben herab behandele. Die Politik halte sich nicht an ihre eigenen Gesetze. Deshalb sei auch Angela Merkels Aussage zu Pegida in ihrer Neujahrsansprache eine unpassende und falsche Ferndiagnose einer Gruppe Deutscher, die der Bundeskanzlerin völlig fremd sei.

„Wir sind das Volk“-Rufe eine „Anmaßung“

Das wiederum brachte einen alten Polit-Haudegen auf die Palme. Wolfgang Thierse, ehemaliger Präsident des Deutschen Bundestags, machte deutlich: „Man diffamiert eine Organisation nicht, wenn man Ausländerfeindlichkeit Ausländerfeindlichkeit nennt. Wer glaubt, durch rabiate Forderungen etwas ändern zu können, der täuscht.“ Und an Oertel gewandt, machte er deutlich, was er von den „Wir sind das Volk“-Rufen der Pegida-Demonstranten hält. „Das ist eine Anmaßung. Das ärgert mich.“ 1989 seien diese Rufe historisch gewesen gegen ein Regime wie das der DDR. Gegen eine demokratisch gewählte Regierung aber, die man wieder verändern könne als Bürger, seien diese Rufe unverschämt. Vor allem, so Thierse, „weil 75 Prozent der Deutschen Pegida ablehnen“ und „Wir sind das Volk“ im Kern daher nicht stimme.

Das wiederum fand ein Mann der AfD unpassend. Vize-Parteichef Alexander Gauland sorgte nicht nur direkt zu Beginn der Sendung für einen Eklat, indem er erklärte, die Absage der Demo am Montag sei ein deutliches Zeichen für den „Beginn der Islamisierung“ Deutschlands. Er machte auch klar: „Wir [Pegida und die AfD] sind die Folge Ihres [Thierse und Spahn] politischen Versagens.“ Die Politik sei in der Migrations- und Flüchtlingspolitik gescheitert.

"Nicht so billig"

Spahn schoss umgehend zurück. Gauland solle das „nicht so billig machen“. Thierse schüttelte missbilligend den Kopf und kritisierte, dass gerade Leute wie Gauland die ersten wären, die im Falle eines tatsächlichen Anschlags die Politik kritisieren würden, sie hätte nicht alles zum Schutz der Demonstranten getan.

Doch das Gründungsmitglied der Alternative für Deutschland ließ sich nicht beirren. „Ich stelle nur fest, dass in Deutschland offenbar keine Islam-kritische Demonstration von der Polizei abgesichert werden kann.“

Gauland und Oertel betonten zwar beide, dass Hilfe für Flüchtlinge außerhalb jeder Diskussion stünde. Doch es müssten härtere Gesetze für die Migrationspolitik her. In Gaulands Worten: „Wir können nur Menschen aufnehmen, die hierher passen und die uns weiterhelfen.“ Verwunderlich, dass ausgerechnet er in diesem Zuge Max Frisch zitierte. Der hatte einmal gesagt: „Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen.“ Wenn Gauland den Satz verstanden hätte, hätte er wie Thierse argumentiert: Immer nur zu fordern, Menschen anderer Herkunft oder Religion müssten sich integrieren, reicht nicht. „Wir haben die Pflicht, den Menschen zu helfen sich zu integrieren.“ Eine Bewegung wie Pegida, so Thierse, bewirke das Gegenteil.

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