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"German Angst": Gründe für die Angst bleiben spekulativ


Rückkehr der "German Angst"?
"Donald Trump hätte auch bei uns gute Chancen"

ckr mit Material von dpa

Aktualisiert am 17.12.2015Lesedauer: 3 Min.
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Ein Polizist bewacht ein Fußballstadion: Düstere Stimmungen begleiten die Deutschen ins Jahr 2016.Vergrößern des Bildes
Ein Polizist bewacht ein Fußballstadion: Düstere Stimmungen begleiten die Deutschen ins Jahr 2016. (Quelle: Reuters-bilder)

"German Angst" - damit meinen Sozialforscher die Neigung der Deutschen, die Zukunft pessimistisch zu betrachten. Eigentlich gilt dieses Bild als überholt. Jetzt jedoch sieht der Zukunftsforscher Ulrich Reinhardt von der Hamburger BAT-Stiftung die "German Angst" wieder auf dem Vormarsch. Ihm widerspricht der Angstforscher Borwin Bandelow.

Vor allem die Älteren blicken nach einer von Reinhardt in Auftrag gegebenen Umfrage angstvoll in die Zukunft. Eine Herausforderung an die Politik, wo rechte Demagogen jetzt auf dem Vormarsch seien, die mit diffusen Ängsten spielen: "Wenn ein Donald Trump in Deutschland auftauchte, hätte er gute Chancen, zumindest in ein Parlament gewählt zu werden", sagt Reinhardt im Gespräch mit t-online.de.

Tatsächlich blickt die Mehrheit der Deutschen eher mit Angst als mit Zuversicht auf das kommende Jahr. Das ergibt eine Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK im Auftrag der BAT-Stiftung.

Mehr noch: Die GfK stellte einen starken Stimmungsumschwung im Vergleich zu den Vorjahren fest: Während sich aktuell 55 Prozent der Befragten angsterfüllt zeigten, waren es im Vorjahr nur 31 Prozent, 2013 lediglich 28 Prozent.

Der Göttinger Psychiater und Angstforscher Borwin Bandelow glaubt dagegen nicht so recht an die Umfrageergebnisse: "Es gibt Ängste - zum Beispiel nach Anschlägen wie denen in Paris - die würde ich als "Modeerscheinungen" bezeichnen", so Bandelow.

"Das hört in der Regel nach etwa vier Wochen auf", weiß der Wissenschaftler. Spätestens dann hätten in der Regel alle gemerkt, dass sie die Gefahr vermutlich nie selbst betreffen werde. Als Beispiel nennt er unter anderem die Vogelgrippe. Umfragen wie die der GfK enthielten viele Moment-Effekte. Das wahre Ausmaß der Ängste bleibe nach seiner Erfahrung immer auf einem ähnlichen Niveau. "Sowieso würde ich eher von "Sorgen" als von "Angst" sprechen", so Bandelow zu t-online.de.

Gründe für die Angst bleiben spekulativ

Eine Schwachstelle hat die Erhebung der GfK ohnehin: Die Forscher haben nicht nach den Gründen für die Sorgen der Bürger gefragt. Was die Ängste auslöst, bleibt also der Spekulation der Wissenschaftler überlassen.

Dass die Ängste eher diffus, als konkret sind, glaubt Reinhardt aber nicht: "Die gegenwärtige humanitäre Krise und die zunehmende Angst vor Terroranschlägen hat die Bevölkerung tief verunsichert und lässt sie an einer positiven Zukunft zweifeln", interpretiert er selbst das Ergebnis.

"Dass diese Ängste irrational sind, würde ich sofort unterschreiben", gesteht Reinhardt ein. "Aber sie sind vorhanden."

Mittlere Generation am pessimistischsten

Besonders die Älteren ab 55 Jahren äußerten sich in der Umfrage besorgt. 64 Prozent sagten: "Ich blicke angstvoll in die Zukunft." Bei den Jüngeren von 14 bis 34 Jahren waren dies 42 Prozent. Allerdings hat sich damit der Anteil der Furchtsamen in der jüngeren Generation seit 2013 - als es noch 19 Prozent waren - mehr als verdoppelt.

Am pessimistischsten äußerte sich die mittlere Generation im Alter von 35 bis 54 Jahren, von der 83 Prozent mit schlechteren Zeiten rechnen. "Besonders die Erwerbstätigen erwarten zusätzliche Belastungen und fürchten, ihren Lebensstandard nicht halten zu können", erklärt Reinhardt. Er prophezeite eine abnehmende Konsumlust und ein Comeback des Sparens.

"German Angst" oder "European Angst"?

Mehr als zwei Drittel (70 Prozent) der Deutschen gehen der Umfrage zufolge außerdem davon aus, dass Europa weiter auseinanderdriftet. 2014 hatten sich erst 60 Prozent, im Jahr davor 61 Prozent entsprechend geäußert.

Der "German Angst" erscheint auch eher als "European Angst": Auch Reinhardt sieht das neue Umfrageresultat im Einklang mit jüngsten Wahlergebnissen: "Der Rechtstrend bei Wahlen in Polen, Frankreich, Ungarn, Österreich, Schweden, Großbritannien, Dänemark oder der Schweiz zeigt in ganz Europa die große Verunsicherung der Bevölkerung, die Angst um den eigenen Wohlstand hat, sich vor Überfremdung fürchtet und nationale Interessen in den Vordergrund stellt."

Vor allem aber sind es nach Reinhardts Ansicht die Politiker, die ihren Job schlecht machen: "Sie müssten Vertrauen wieder aufbauen", fordert der Sozialforscher. Im Moment kämen ihre Äußerungen bei den Menschen als bloße Sonntagsreden und Inszenierungen an - ausgerichtet auf die nächste Wiederwahl und sonst auf nichts.

"Vor allem", so Reinhardt, "dürfen Politiker die Ängste nicht herunterreden, sondern müssen die Menschen da abholen, wo sie stehen - sonst wandert das in die Stammtische."

Wirtschaftswachstum bleibt stabil

Wie immer geht die Realität derweil eigene Wege. So steht es um die wirtschaftliche Entwicklung derzeit alles andere als schlecht. Das hat gerade das Markit-Institut herausgefunden: Demnach hat die deutsche Wirtschaft zum Jahresende trotz schwacher Weltkonjunktur kaum an Schwung verloren.

"Die deutsche Wirtschaft beendet das vierte Quartal 2015 in ausgesprochen solider Verfassung", sagte Markit-Ökonom Oliver Kolodseike.

"Das Wirtschaftswachstum blieb überdurchschnittlich hoch, obwohl sich die Produktions- und Auftragszuwächse im Dezember geringfügig abgeschwächt haben."

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