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Schriftsteller Zaimoglu: "Moslems müssen Saustall aufräumen"


Schriftsteller Zaimoglu zu Köln
"Wir Moslems müssen unseren eigenen Saustall aufräumen"

Von dpa, t-online
Aktualisiert am 29.01.2016Lesedauer: 3 Min.
Schriftsteller Feridun Zaimoglu: "Wir haben eine Krise moslemischer Männer mit Minderwertigkeitskomplexen."Vergrößern des BildesSchriftsteller Feridun Zaimoglu: "Wir haben eine Krise moslemischer Männer mit Minderwertigkeitskomplexen." (Quelle: dpa-bilder)
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Die sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht in Köln sorgen weiter für Gesprächsstoff. Männer muslimischen Glaubens sehen sich dabei nicht selten unter Generalverdacht gestellt. Jetzt hat sich der muslimische Schriftsteller Feridun Zaimoglu zu Wort gemeldet und fordert eine schonungslose, aber besonnene Aufarbeitung der Vorfälle.

Zwar müssten die Übergriffe von Köln auch innerhalb der islamischen Gemeinschaft schonungslos offen aufgearbeitet werden, so der 51-Jährige. Gleichzeitig gibt er aber zu bedenken: "Frauenverachtung ist geradezu ein Gebot im Judentum, im Christentum und im real existierenden Islam."

Das sei vor allem an die Adresse "der Heuchler" gerichtet, "die vom Abendland schwätzen und nicht ein einziges Mal die Bibel aufgeschlagen haben.", sagt der Kieler Schriftsteller türkischer Herkunft.

"Das wäre ein bisschen feige"

"Gleichzeitig ist es aber auch genauso falsch im relativierenden Ton zu sagen: Weil es so ist, müssen wir uns nicht damit auseinandersetzen, wir Moslems."

Zaimoglu, der sich selbst als Moslem mit einem Kinderglauben bezeichnet, fordert: "Wir Moslems müssen in unserem eigenen Saustall aufräumen. Denn wir haben einen Saustall. Der gelebte Dorf-Islam ist unter aller Sau." Er als Schriftsteller könne sich dabei nicht aus der Verantwortung ziehen: "Das wäre ein bisschen feige."

"Ein sehr anständiger Umgang mit dem Thema"

Seiner Ansicht nach waren die Übergriffe in Köln keineswegs nur eine Ausnahme. Es handle sich nicht um eine Krise des Islam, "sondern wir haben eine Krise des moslemischen Mannes. Wir haben eine Krise moslemischer Männer mit Minderwertigkeitskomplexen. Wenn ein Mann unfähig ist, die starke mündige Frau als gesellschaftliche Realität zu sehen, und sich in seiner Herrlichkeit beeinträchtigt fühlt, dann lege ich ihm professionelle Hilfe nahe."

Insgesamt bewertet Zaimoglu die Debatte über die Kölner Silvesternacht aber als sehr positiv: "Entgegen irgendwelcher seltsamen Vermutungen ist die freie Rede bei uns in Deutschland vorherrschend - und das ist wunderbar." Die sexuellen Übergriffe müsse man geißeln, so wie man sonst von ostdeutschen Nazis oder westdeutschen Hooligans spricht.

"Ich verstehe nicht, warum man sich plötzlich an dieser Stelle zurückhalten muss oder wieso die Beschwichtiger dann darauf hinweisen wollen, dass man jetzt vorsichtig sein soll", sagt Zaimoglu. Deshalb zollt er den beteiligten Journalisten Anerkennung: "Ein sehr anständiger Umgang mit dem Thema." Das einzige was falsch laufe sei, dass Männer schon wieder über Frauen sprächen.

"Vollidioten träumen von einem reinem Abendland"

Nichtsdestotrotz befürchtet Zaimoglu eine wachsenden Kluft in der Gesellschaft. Es fehle an Solidarität untereinander. Die Stimmung sei gekippt wegen bestimmter seltsamer Entscheidungen von oben. "Und unten zünden jetzt irgendwelche Vollidioten Flüchtlingsheime an oder träumen von einem reinen Abendland. Die armen Schweine gehen aufeinander los. So war es immer, so wird es immer weitergehen."

Dabei führten die christlichen Kirchen und die islamischen Verbände schon seit einiger Zeit einen Dialog und kämen friedlich miteinander aus. "Es geht nicht um Religionen, es geht darum, dass Menschen mit religiösem oder nationalem Anstrich den sozialen Frieden zu Klump schlagen wollen. Und darüber müsste man sich unterhalten", sagte Zaimoglu.

Opfer von Stereotypen oder Vorurteilen sei er selber noch nie geworden. "Deutschland ist mein herrliches Land." Ja, er habe einen sauschweren Nachnamen, sagt er lachend. Aber wenn er bei einer Taxi-Zentrale anrufe, seinen Name nenne und zugleich zu buchstabieren beginne "Zeppelin, Anton, Martha...", herrsche schnell Heiterkeit.

Zur Person:

Feridun Zaimoglu wurde 1964 im anatolischen Bolu geboren und verbrachte die ersten zwei Jahrzehnte seines Lebens in München, Berlin und Bonn. 1985 kam er nach Kiel, um dort Kunst und Medizin zu studieren. Zaimoglu arbeitet als Journalist, er schreibt Theaterstücke ("Die zehn Gebote") , Romane ("Siebentürmeviertel", "Leyla") und Drehbücher. Außerdem ist er bildender Künstler. Zu seinen vielen Auszeichnungen gehören der Berliner Literaturpreis, Mainzer Stadtschreiber, Kieler Kulturpreis, Grimmelshausen Preis und der Adelbert-von-Chamisso-Preis.

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