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"Hart aber fair"-Kritik: Türkei-Talk verkommt zur "Doppelpass"-Debatte


Plasberg verpasst Chance
Türkei-Talk verkommt zur aufgewärmten "Doppelpass"-Debatte

t-online, Nico Damm

Aktualisiert am 16.08.2016Lesedauer: 3 Min.
Der Moderator Frank Plasberg bei seiner wöchentlichen ARD-Talkshow "hart aber fair".Vergrößern des BildesDer Moderator Frank Plasberg bei seiner wöchentlichen ARD-Talkshow "hart aber fair". (Quelle: Archivbild/dpa-bilder)
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Unter dem bedrohlich anmutenden Sendungstitel "Halbmond über Deutschland" fragte der eher zurückhaltende Moderator Frank Plasberg bei "hart aber fair" seine Gäste: "Wie viel Erdogan verträgt unser Land?" Mit dem Ergebnis: Statt echter Diskussion gab es hauptsächlich eine aufgewärmte "Doppelpass"-Debatte.

Die Gäste

  • Jens Spahn, Parlamentarischer Staatssekretär, Finanzministerium (CDU)
  • Mustafa Yeneroğlu, AKP-Mitglied
  • Malu Dreyer, Ministerpräsidentin Rheinland-Pfalz (SPD)
  • Wilma Elles, deutsch-türkische Schauspielerin
  • Christoph Schwennicke, Chefredakteur "Cicero"
  • Im Einzelgespräch: Emre Yavuz

Das Thema

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan mobilisiert nach dem Putschversuch die Massen - auch in Deutschland. Anlass für Plasberg, nach dem türkischen Einfluss auf hiesige Moscheen und "auf die Herzen der Deutschtürken" zu fragen. Und eine uralte Debatte aufzuwärmen: die nach der doppelten Staatsbürgerschaft. Außerdem ging es darum, wie groß der Einfluss des türkischen Staates auf die Imame der Ditib-Gemeinde ist. Mit dem islamischen Dachverband arbeiten mehrere Bundesländer auch in der Ausbildung von Lehrern für den islamischen Religionsunterricht zusammen.

Die Fronten

...waren bei diesem Reizthema verhärtet. Yeneroğlu nahm als Mitglied der Erdogan-Partei den Staatschef in Schutz und kritisierte die deutschen Medien für ein verzerrtes Bild der Türkei. Spahn, Auslöser der neuerlichen "Doppelpass-Debatte", forderte, Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft hätten eine gespaltene Loyalität und sollten sich im frühen Jugendalter für einen Pass entscheiden müssen. Malu Dreyer nannte diesen Konflikt "erfunden": Deutsche mit türkischen Wurzeln stünden laut Studien besonders fest zum deutschen Grundgesetz. Schwennicke hatte Sympathien für die Position Spahns, nannte die Debatte jedoch "etwas überhöht". Wilma Elles setzte sich verbal kaum durch, zeigte sich jedoch als begeisterte Erdogan-Anhängerin und warb um Verständnis: Das Volk stehe hinter dem Staatschef.

Aufreger des Abends

Den einen Aufreger gab es nicht. Hoch her ging es eigentlich immer: In der Einschätzung von Erdogans aktueller Politik, beim Stand der Integration von Deutschen mit türkischem Hintergrund, bei der Rolle von Ditib oder der Debatte um den "Doppelpass".

Tiefpunkt des Abends

Ausnahmsweise mal keiner! Keine Nazi-Vergleiche, keine supersteilen Thesen, keine schlimmen persönlichen Angriffe, keine sonstigen Ausfälle.

Gerade bei Spahn und Yeneroğlu merkte man deutlich: Man kennt sich schon aus anderen TV-Debatten. Yeneroğlu wirkte manchmal geradezu drollig - zum Beispiel als er sich zum Schluss mit Spahn darüber stritt, wer denn nun während der Zuschauer-Kommentare öfter reingeredet habe. Da hatte er ein geradezu schelmisches Lächeln im Gesicht. Die Szene packte Plasberg dann folgerichtig in die Kategorie "Kindergarten".

Fakt des Abends

Ein Redaktions-Highlight: der Live-Faktencheck! Während der Sendung kursierten diverse Meinungen, wer denn nun die größte Gruppe mit doppelter Staatsbürgerschaft in Deutschland sei: Menschen mit türkischen oder russischen Wurzeln? Die Redaktion schaute bereits während der Sendung nach und fand heraus: Weder noch! Die meisten doppelten Staatsbürgerschaften sind deutsch-polnisch.

Was fehlte

Dass Anhänger der Gülen-Bewegung, die Erdogan für den Putsch verantwortlich macht, in Deutschland bedroht werden, wurde in der Sendung vielfach behauptet. Was ist dran an den Vorwürfen, es kursierten auch in Deutschland Listen mit Sympathisanten? Hier hätten ein paar Fakten oder wenigstens ein Einspieler mit Meinungen aus der deutsch-türkischen Gemeinde gut getan.

Außerdem sprangen sowohl Plasberg als auch Dreyer äußerst handzahm mit Jens Spahn um: Der rechtfertigte den Milliarden-Deal mit der Türkei und verurteilte zugleich Erdogans aktuelle Politik. Eigentlich eine ideale Angriffsfläche, die nicht genutzt wurde. Wie schafft die Kanzlerin den Spagat zwischen enger Partnerschaft und Kritik an den Massenverhaftungen und "Säuberungen"?

Im Gegenteil, Plasberg erhob Spahns Forderung nach weitgehender Abschaffung des "Doppelpasses" sogar noch zum Hauptthema der Sendung. Dabei wurde diese vom Innenminister und Parteikollegen de Maizière schon längst abgebügelt, und der Koalitionspartner SPD ist ohnehin dagegen.

Sprich: Es ist eine Debatte mit abgelaufener Haltbarkeit - wieder einmal.

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