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Olav Gutting über Flüchlingspolitik von Angela Merkel


Merkel-Kritiker in der CDU
"Ich hätte gesagt: Moment, so war das nicht gemeint"

Von t-online
Aktualisiert am 31.08.2016Lesedauer: 4 Min.
März 2016: "Merkel" und "Germany" rufen Flüchtlinge an der griechisch-mazedonischen Grenze.Vergrößern des BildesMärz 2016: "Merkel" und "Germany" rufen Flüchtlinge an der griechisch-mazedonischen Grenze. (Quelle: dpa-bilder)
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Schon mehrfach ist Olav Gutting bei t-online.de zu Wort gekommen. Der Grund: Der Bundestagsabgeordnete der CDU gilt in seiner Partei als einer der wichtigsten Kritiker der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Anfang des Jahres initiierte Gutting einen offenen Brief, in dem er eine Umkehr der Politik der offenen Grenzen forderte. Am Mittwoch schien Merkel andeutungsweise Selbstkritik zu üben: In einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" gesteht sie Fehler in der Flüchtlingspolitik ein - allerdings spricht sie dabei nicht über den Entschluss vom vergangenen Herbst, die Grenzen zu öffnen.

t-online.de sprach mit Gutting über die Gegenwart von "Wir schaffen das": Die Bundesregierung habe in der Zwischenzeit viel richtig gemacht, sagt der Abgeordnete. Ein entscheidender Punkt fehlt ihm aber mehr, als alles andere.

Herr Gutting, die Bundeskanzlerin hat zum ersten Mal Bedauern über Fehler in der Flüchtlingspolitik geäußert - scheinbar. Eine Kehrtwende?

Die Fehler in der Flüchtlingspolitik, die sie anspricht, sind die Versäumnisse des Jahrzehnts zuvor. Es ist richtig, dass sie das sagt. Es sind Fehler in der Füchtlingspolitik gemacht worden. Wir haben uns auch als Deutsche mit dem Dublin-Abkommen bequem zurückgelehnt und uns zu wenig um den Schutz der Außengrenzen und eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge gekümmert. Auch wir haben Italien und Spanien allein gelassen. Alles richtig. Aber: Wenn man die Ursachen sucht, gehört eben auch zur Wahrheit, dass die Kommunikation im Frühherbst 2015 in der Welt so ankam, dass Deutschland in der Welt alle einlädt.

Also keine Selbstkritik?

Nein.

Sind Sie nach wie vor der Meinung, Merkel solle sagen: Wir haben einen Fehler gemacht?

Man muss ja nicht immer auf einem Fehler herumreiten. Man muss aber aufzeigen, wo wir den Fehler korrigiert haben. Auch das fehlt mir nach wie vor. Die ganzen Maßnahmen, die wir getroffen haben, um die Flut einzudämmen, werden meines Erachtens von der Regierung viel zu wenig kommuniziert.

Aber es gibt diese Maßnahmen?

Ja, klar. Man sieht es ja an den Ergebnissen.

Sie meinen, dass weniger Flüchtlinge kommen?

Ja. Die Zahl der Grenzübertritte ist massiv zurückgegangen.

Das heißt: die Politik, die jetzt betrieben wird, ist die Richtige?

Absolut.

Aber die Kanzlerin spricht zu wenig darüber?

Ich finde schon. Man muss ja beim vergangenen Herbst schon von einer Kommunikationspanne sprechen. Merkel hat ja nicht gesagt: Ihr Beladenen der ganzen Welt – kommt zu uns, wir freuen uns auf Euch. Aber so kam es eben bei vielen in den Herkunftsländern an. Und in dem Moment, in dem ich das erkenne, muss ich das doch korrigieren und relativ schnell klarstellen, dass es so nicht gemeint war.


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Das hat sie aber nicht getan. Warum eigentlich?

Das weiß ich, ehrlich gesagt, auch nicht. Wir haben ja dann reagiert und die Weichen gestellt: Es wurde das Asylrecht verschärft, der Westbalkan zu sicheren Drittstaasten erklärt oder der EU-Türkei-Deal eingefädelt. Aber da hätte ich einfach mal gesagt: Moment, so war das mit der Einladung nicht gemeint. Dieser Satz ist nie gekommen. Der wäre mir wichtiger gewesen, als: Wir schaffen das.

Was ist denn jetzt das Wichtigste?

Zumindest erkennt sie jetzt, dass es nicht mit "Wir schaffen das" getan ist, sondern dass man sich den Sorgen der Menschen widmen muss. Der erste Schritt ist, dass sie dafür Verständnis zeigt, dass Menschen sich Sorgen machen, wegen Terrorgefahr oder wegen Überfremdung. Da kam ja die ganzen Monate auch nichts. Da erkenne ich jetzt zum ersten Mal, dass die Erkenntnis kommuniziert wird. Ja, ich habe verstanden, dass die Menschen Sorgen haben. Aber vorher ist da - bei mir und vielen anderen jedenfalls – nichts angekommen, sondern immer nur: "Wir schaffen das".

Wenn Merkel heute von Fehlern spricht und es so klingen lässt, als sei es Selbstkritik, ist das schon ein bisschen Wahlkampf?

Gut, wir haben jetzt Landtagswahlen und kommendes Jahr Bundestagswahl. Im Prinzip sind wir ja immer im Wahlkampf. Das ist eher ein Prozess, durch den wir alle gehen – und sie mit. Ich würde es nicht als Wahlkampf bezeichnen. Es ist einfach das Thema, dass die Menschen beschäftigt.

Kann Merkel es bis zur Bundestagswahl schaffen, das Vertrauen eines größeren Teils der Bevölkerung zurückzugewinnen?

Ich hoffe es.

Und mal abgesehen von der Hoffnung?

Wenn man mal ein Jahr zurückschaut: Da war die Union noch bei rund 40 Prozent - und bei überragenden Zustimmungswerten für Angela Merkel. Zwölf Monate später sieht es nun ganz anders aus. Noch mal zwölf Monate später kann es wieder ganz anders aussehen. Ich gehe auch davon aus, dass sie wieder unsere Spitzenkandidatin wird. Alles andere ist eigentlich gar nicht vorstellbar. Jetzt müssen wir alle daran arbeiten, dass wir das verlorene Vertrauen wieder zurückgewinnen.

Ist das jetzt ein Mangel an Alternativen oder ist sie wirklich die Richtige?

Die Angela Merkel macht schon einen Spitzenjob. Es drängt sich auch aus meiner Sicht niemand auf, der es besser machen könnte. Bei vielen Aufgaben stecken wir ja mittendrin. Da könnte sie gar nicht von Bord gehen. So viel Verantwortungsbewusstsein hat sie auf jeden Fall. Ich gehe davon aus, dass sie das durchzieht.

Die Fragen stellte Christian Kreutzer

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