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Silvester 2023: Krawalle zu Neujahr? Polizei & Feuerwehr fürchten Eskalation


Drohende Eskalation an Silvester
"Sie fühlen sich stark und zahlreich genug"

Von Liesa Wölm

21.12.2023Lesedauer: 5 Min.
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Silvester 2022Vergrößern des Bildes
Polizisten stehen in der Silvesternacht 2022 hinter explodierendem Feuerwerk in Berlin. (Quelle: Julius-Christian Schreiner/TNN/dpa/dpa-bilder)

Droht in der diesjährigen Silvesternacht erneut eine Eskalation? Polizei und Feuerwehr sind zwar vorbereitet – doch womöglich nicht ausreichend.

Die Krawallszenen, die sich vergangenes Silvester in mehreren Großstädten und insbesondere in Berlin abgespielt haben, könnten sich in diesem Jahr wiederholen – das zumindest befürchtet Innenministerin Nancy Faeser. Die SPD-Politikerin warnte im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland auch vor einer schlimmeren Eskalation angesichts des Krieges im Nahen Osten.

Zum Ziel von Angriffen wurden in der Silvesternacht 2022/2023 vor allem Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr. Was also bedeutet das für den 31. Dezember in diesem Jahr? Bereiten sich die Behörden anders auf den Tag vor? Und welche Auswirkungen könnte der Konflikt zwischen Israel und den Terroristen der Hamas auf den Jahresabschluss in Deutschland haben?

"Ich teile eins zu eins die Sorgen der Ministerin"

Manuel Barth, Vizelandesvorsitzender der Deutschen Feuerwehrgewerkschaft Berlin-Brandenburg, bestätigt Faesers Ansichten im Gespräch mit t-online: "Ich teile eins zu eins die Sorgen der Ministerin." Viel mehr besorge ihn aber, dass sie die Aussagen überhaupt getätigt habe. "Das so kurz vor Silvester – das hat schon Strahlkraft."

Video | Angst vor neuen Silvester-Krawallen
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Doch zugleich kritisiert der Gewerkschafter die Innenministerin: "Ich frage mich, was sie selber denn in den vergangenen elf, zwölf Monaten dazu beigetragen hat, dass es gegebenenfalls nicht zu solchen verschärften Situationen kommt." So seien etwa Schreckschusswaffen immer noch frei verkäuflich. Wenige Tage nach den Silvesterkrawallen 2022 hatte die SPD-Ministerin noch angekündigt, dass es künftig eine Erlaubnis für den Kauf derartiger Waffen geben müsse. Bislang wurde diese Maßnahme jedoch nicht durchgesetzt.

Mangelhafte Vorbereitung

Barth bemängelt außerdem die mangelhafte Vorbereitung der Feuerwehr-Einsatzkräfte für die kommende Silvesternacht. "Ich habe meine Kolleginnen und Kollegen befragt, die im Einsatz sein werden: 99 Prozent fühlen sich gar nicht vorbereitet."

Laut dem Gewerkschafter fehlt es an Kommunikationswegen und Personal. Die Berliner Polizei habe in Zusammenarbeit mit der Berliner Feuerwehr durchaus ein Konzept und Handlungsempfehlungen ausgearbeitet, um Feuerwehrleute bei den Einsätzen an Silvester besser zu schützen. "Das ist auch sehr gut. Aber das ist natürlich auch alles neu und hat seine Grenzen", sagt Barth.

 
 
 
 
 
 
 

Zudem sei die Kommunikation sehr kurzfristig erfolgt. "Die Vorstellung der Maßnahmen für die Kolleginnen und Kollegen im Neujahrsdienst war vergangene Woche – nur 16 Tage vor Silvester", kritisiert der Gewerkschafter. Es sei sinnvoll und nötig, dass die Polizei die Feuerwehrleute verstärkt bei ihren Einsätzen begleite, gerade in Bereichen, in denen ein höheres Gefahrenpotenzial herrscht. Aber solche Gefahrensituationen müssten auch geübt werden.

"Die Kolleginnen und Kollegen überlegen in dem Moment nicht, wo sie am besten parken oder welche Route sie am besten fahren. So was sitzt nur, vor allem in Stresssituationen, wenn man das vorher mal durchgespielt hat. Das muss in Fleisch und Blut übergehen", sagt Barth. Er befürchtet, dass nicht alle Einsatzkräfte dieses Wissen in Gefahrensituationen abrufen könnten, weil sie zu wenig geübt hätten.

"Die Angst vor der Eskalation ist riesengroß"

Für Probeeinsätze fehle jedoch die Zeit und das Personal. Barths Kritik: "Die hohe Stabsebene vergisst, an wen die Botschaft letzten Endes gehen muss – an die Frauen und Männer, die für die Feuerwehr im Einsatz sind." Der Gewerkschafter fürchtet zugleich, ebenso wie Innenministerin Faeser, eine größere Eskalation als im vergangenen Jahr. "Die Angst vor der Eskalation ist riesengroß." Die Demoszenen der vergangenen Wochen in Berlin verstärkten diese Besorgnis.

Dennoch setzt Barth darauf, dass aus der Silvesternacht 2022 Lehren gezogen wurden: "Polizei und Feuerwehr haben den direkten Draht. In einer Notsituation können die Feuerwehrleute Beamte zur Hilfe holen. Das ist ein Vorteil." Zudem hätten die Einsatzkräfte mithilfe eines Tablets mit Lagebild die Möglichkeit, bedrohliche Ecken bestenfalls zu meiden. Die Nachsorgeteams seien verstärkt worden, um die Feuerwehrleute nach dem Einsatz gegebenenfalls zu betreuen, etwa wenn es zu Angriffen gekommen ist.

Video | Mann attackiert Krankenwagen mit Feuerlöscher
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Quelle: t-online

"Erhebliche Lücken bei der Bereitstellung moderner Videotechnik"

Doch nicht nur die Feuerwehr, auch die Polizei hat ihre Strategie für die Silvesternacht angepasst. Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, erklärt auf t-online-Anfrage: "Polizei und Justiz haben sich auf vielfältige Weise auf die kommende Silvesternacht vorbereitet." Die Einsatzkräfte hätten den klaren Auftrag, Krawalle zu verhindern und konsequent einzuschreiten. Die Zahl der Staatsanwälte, die in der Silvesternacht und auch am Neujahrstag im Einsatz sind, sei verdoppelt worden. "Das ist vor allem wichtig, um sofort alle Verfahrensschritte durchzuführen, die für eine eventuelle Untersuchungshaft einzelner Tatverdächtiger nötig sind", so Wendt.

Angesichts der drohenden Eskalation fehlt es der Polizei allerdings teils an angemessener Ausstattung. Laut Wendt gibt es teilweise "erhebliche Lücken bei der Bereitstellung moderner Videotechnik zur Identifizierung von Tatverdächtigen und Dokumentation von Delikten". Es brauche moderne Kameras, die das Geschehen rund um Einsatzfahrzeuge in hoher Auflösung aufzeichnen. "In der letzten Silvesternacht wurden Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei massiv attackiert, trotzdem wurden nicht einmal Hundert Tatverdächtige ermittelt", kritisiert der Gewerkschaftschef.

"Dominanzverhalten junger Männer"

Zieht die Polizei Lehren aus 2022? Rainer Wendt sieht ein Problem im "Dominanzverhalten junger Männer". "Sie beanspruchen den öffentlichen Raum für sich und dulden niemanden anders dort – keine Frauen und den Staat auch nicht. Sie sagen, dass dies 'ihr Gebiet' sei." Ein solches Verhalten müsse ernst genommen werden, wenn es sich nicht verfestigen solle. Gesetzgeber und Justiz sollten deshalb darüber nachdenken, mit welchen Sanktionen der Staat auf ein solches Verhalten antworten wolle, sagt Wendt. "Die bisherige Strafrechtssystematik sieht immer wieder sehr geringe Sanktionen vor, das beeindruckt die Täter nicht."

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Angesichts des Krieges im Nahen Osten, der auch in Deutschland zu teils heftigen Ausschreitungen auf anti-israelischen und pro-palästinischen Demos geführt hat, warnt der Gewerkschaftschef, ebenso wie Ministerin Faeser, vor Gruppen, die den Konflikt in der Silvesternacht für Hass und Gewalt nutzen könnten. "Sie fühlen sich stark und zahlreich genug, um mit vielen Menschen auch an mehreren Stellen gleichzeitig zu agieren und mit den Einsatzkräften ins Kräftemessen zu gehen. Und wo viele Menschen unterwegs sind und sich in Gruppen aufhalten, ist die Terrorgefahr nicht zu unterschätzen." Deshalb seien auch Nachrichtendienste und Staatsschutzkommissariate alarmiert und bereiteten sich mit offenen und verdeckten Maßnamen auf den Jahreswechsel vor, sagt Wendt.

Er betont: "Terroristen geht es immer wieder darum, möglichst viele Opfer zu treffen – ihnen ist es egal, wer die Opfer sind. Deshalb müssen wir leider auch auf dieses Szenario vorbereitet sein." Angesichts dessen geht die Arbeit in der Silvesternacht auch mit psychischer Belastung für die Polizistinnen und Polizisten einher. "Viele Beamtinnen und Beamte werden nicht bei ihrer Familie sein können, sondern in einen gefährlichen Einsatz gehen", so der Gewerkschaftschef der Polizei.

Die Belastung liege also nicht allein bei denjenigen, die selbst im Einsatz sind, auch die Familien seien betroffen. "Sie haben Sorge um die Gesundheit und das Leben ihrer Angehörigen, die in Uniform vor Ort ihre Pflicht tun."

Verwendete Quellen
  • Anfrage an die Deutsche Polizeigewerkschaft am 21. Dezember 2023
  • Telefonat mit Manuel Barth, Vizelandesvorsitzender der Deutschen Feuerwehrgewerkschaft Berlin Brandenburg, am 21. Dezember 2023
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