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SPD-Ministerpräsident Weil: "spielt sein eigenenes Spiel"


Vor der Wahl: Ministerpräsident Weil im Interview
"Möchte Rot-Rot-Grün nicht in Niedersachsen"

t-online, Jan Hollitzer, Patrick Diekmann

Aktualisiert am 15.10.2017Lesedauer: 12 Min.
Ministerpräsident Stephan Weil möchte die Linkspartei aus dem niedersächsischen Landtag halten.Vergrößern des BildesMinisterpräsident Stephan Weil möchte die Linkspartei aus dem niedersächsischen Landtag halten. (Quelle: dpa-bilder)
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Regierungskrise, Diesel-Affäre und "Schul-Chaos": Es war kein einfaches Jahr für den niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil. Trotzdem konnte die SPD in den Umfragen zuletzt an der CDU vorbeiziehen.

t-online.de: Herr Weil, Sie haben seit August einen Vorsprung von acht Prozentpunkten der CDU aufgeholt und liegen jetzt laut der jüngsten Umfrage sogar vorn. Sie erwähnten, dass Sie im Wahlkampf bei Ina Müller abgekupfert haben? Haben Sie die Stimmung mit viel Gesang und Bier gedreht?

Stephan Weil: Nein. Ich sehe auch nicht so gut aus wie Ina Müller. (lacht) Aber ich habe mich Anfang des Jahres gefragt, was ich in einem Wahljahr machen soll, das zu drei Viertel von der Bundespolitik überlagert wird. Die erste Schlussfolgerung war, dass ich über das Land ziehe und sämtliche 87 Wahlkreise in Niedersachsen besuche. Zweitens wollte ich nicht jeden Abend die gleiche Rede halten, denn das ist für die Zuschauer und für mich eine Zumutung. Drittens sind mir aus meiner Erfahrung als Bürgermeister die Bürgerversammlungen eingefallen, bei denen es keine zentrale Beschallung von vorne gibt, sondern Fragen und Redebeiträge, auf die ich reagieren muss. Viertens kam der Gedanke mit Ina Müller dazu, die ja bekanntlich mit ihren Bierdeckelfragen dafür gesorgt hat, dass möglichst viele Leute aus dem Publikum zu Wort kommen. Und das hat auch bei mir funktioniert. Das heißt nicht, dass wir deshalb die Wahl gewinnen, aber ich fühle ich mich in diesem Wahlkampf ausgesprochen wohl. Das Format gefällt mir und ich passe zu dem Format.

Warum haben Sie diese Wahlkampf-Tipps nicht Martin Schulz gegeben?

Weil zwischen Bundespolitik und Landespolitik ein Riesenunterschied besteht. Die Wahlen in Niedersachsen sind später und ich habe früher begonnen als Martin Schulz. Und ich habe leise Zweifel, dass man dieses Format so konsequent auf der Bundesebene einsetzen kann, wie auf der Landesebene.

Bernd Althusmann ist mit seiner CDU von 40 auf aktuell 32 Prozent förmlich abgestürzt. Die SPD liegt bei 33 Prozent. Welche Fehler hat die CDU im Wahlkampf gemacht?

Ich spiele, wie man beim Fußball sagt, mein eigenes Spiel. Ich muss nicht die Konkurrenz bewerten. Es ist uns gelungen, dem Wahlkampf unseren Stempel aufzudrücken. Die SPD ist mit deutlichem Abstand die aktivste Partei. Wir waren schon sehr weit in unserer Planung, als die Entscheidung durch den Wechsel von Elke Twesten von den Grünen zur CDU für die vorgezogenen Neuwahlen gefallen ist. Wir waren sofort handlungsfähig.

Sie haben in der Vergangenheit die Bundes-SPD scharf kritisiert.

Ich habe vor zweieinhalb Jahren der SPD den Rat gegeben, ihre Schwerpunkte zu klären, durchzuarbeiten und konkrete Vorgaben auf den Tisch zu legen. Damit bin ich damals unter dem Strich nicht durchgedrungen und das haben wir auch im Wahlkampf gesehen. Man kann es so zusammenfassen: Die SPD hatte viele Themen, aber kein Thema.

Wird die Niedersachsenwahl eine Schicksalswahl für Martin Schulz?

Nein, sicher nicht.

Aber müsste es nach einer möglichen erneuten Wahlschlappe in diesem Jahr nicht endlich auch personelle Konsequenzen an der Spitze geben?

Die SPD auf Bundesebene hat seit mindestens drei Bundestagswahlen ein Problem. Jede Diskussion, die sich nur mit dem Spitzenkandidaten befasst, kratzt ausschließlich an der Oberfläche. Die SPD wird sich sehr viel gründlicher und tiefer fragen müssen, wie eine linke Volkspartei im Jahre 2017 aufgestellt sein muss: Thematisch, strategisch, kommunikativ und dann am Ende sicherlich auch personell, damit sie wieder mehrheitsfähig werden kann. Die SPD auf Bundesebene hat die Mehrheitsfähigkeit verloren, sie muss sie jetzt mit Überzeugungsarbeit zurückerobern. Die SPD in Niedersachsen ist mehrheitsfähig. Ich hoffe, das wird auch der Sonntag ergeben.

Sie sagten kürzlich, dass es eher Neuwahlen gebe, bevor die SPD in eine neue Große Koalition geht. Hätte dieses Szenario nicht noch einen größeren Absturz Ihrer Partei zur Folge?

Die Wählerinnen und Wähler müssen sich auf die SPD verlassen können und auf ihre Aussagen nach der Wahl. Die SPD hat sich kein Hintertürchen offen gelassen. Wir sind bei 20 Prozent angekommen. Das ist kein Regierungsauftrag. Die SPD braucht unbedingt eine Phase der Erneuerung. Außerdem dürfen wir nicht die Oppositionsführung der AfD überlassen. Die Alternativen zu einer Regierungspolitik dürfen nicht zuerst ausgerechnet von der AfD formuliert werden. Das muss aus dem demokratischen Zentrum der Gesellschaft heraus geschehen.

Suggeriert man den Bürgern dadurch nicht, dass es Absprachen zwischen den etablierten Parteien gibt?

Gewiss nicht. Ich finde aber die Vorstellung abstoßend, dass ausgerechnet die AfD so tut, als wäre sie das Sprachrohr der Bürger gegen die etablierte Politik. Wir müssen wieder dazu kommen, dass insbesondere zwei große politische Kräfte in Deutschland miteinander streiten. Genau das erleben wir derzeit in Niedersachsen. Hier funktioniert das Modell der zwei Volksparteien eigentlich nach wie vor gut. Eine Große Koalition macht immer auch die Ränder stärker. Man kann unter besonderen Bedingungen in eine Große Koalition gehen, aber man sollte vorsichtig sein, sie zum Dauerzustand zu erklären. Österreich ist ein mahnendes Beispiel.

Werden Sie sich in den Erneuerungsprozess der Bundes-SPD einbringen?

Ja. Ich bin mit Leib und Seele Sozialdemokrat. Es tut mir weh zu sehen, dass wir jetzt auf Bundesebene bei 20 Prozent sind. Ich bin der festen Überzeugung, dass die SPD sehr genau intern beraten muss, was die Partei falsch macht und verbessern kann. Das ist mir ein großes persönliches Anliegen.

Haben Sie dann noch genug Zeit für Niedersachsen?

Aber sicher, Niedersachsen hat immer die erste Priorität! Wenn wir tatsächlich am Sonntag gewinnen sollten, würden wir damit auch der deutschen Sozialdemokratie insgesamt einen Dienst leisten. Das wäre am Ende eines miserablen Politikjahres 2017 ein ermutigendes Zeichen.

Aber 2013 lag die SPD bei 26 Prozent nach der Bundestagswahl. Man entschied sich für eine Große Koalition, um eigene Inhalte umzusetzen. War diese Entscheidung im Rückblick falsch?

Der Unterschied war, dass diese Entscheidung damals vor dem Hintergrund sehr konkreter Leitprojekte getroffen wurde. Die SPD wollte den Mindestlohn, die Rente nach 45 Arbeitsjahren und die Mitpreisbremse realisieren. Es war ein Fehler, dass die Partei in Vorbereitung auf die Bundestagswahl 2017 vor zwei oder drei Jahren darauf verzichtet hat, neue programmatische Schwerpunkte zu setzen. Man hat in der Großen Koalition Erfolge erzielt, aber der programmatische Vorrat war ein Stück weit aufgebraucht.

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Auch in Niedersachsen kam es in diesem Jahr zu politischen Turbulenzen. Kamen der Verlust der Regierungsmehrheit und die Neuwahlen überraschend für Sie?

Völlig. Ich hatte wirklich einen schönen Sommerurlaub hinter mir, wir waren ganz viel gewandert. Es war geradezu ein Fitnessurlaub und das hat sich rückblickend als sehr schlau erwiesen. Am letzten freien Tag hatten meine Frau und ich beschlossen, es uns gut gehen zu lassen und lange zu schlafen. Beim Frühstück rief mich Regierungssprecherin Pörksen direkt an, was selten etwas Gutes bedeutet. Normalerweise schickt sie mir zunächst eine SMS oder eine Mail. Mit einem Wechsel von Freu Twesten hatte ich nicht gerechnet.

Trotzdem konnte die SPD von diesen Regierungskrise politisch profitieren. Laden Sie Elke Twesten zu einer Currywurst ein, falls Sie die Wahl gewinnen?

Nein, bestimmt nicht. Ich kann ausschließen, dass sie mir einen Gefallen tun wollte und ich bin ihr auch gar keinen Dank schuldig. Bei den zahlreichen Hausbesuchen sagen uns viele Bürger, dass man so etwas wie Frau Twestens Wechsel - mit den bekannten Folgen - nicht macht. Es gehört zum Konsens in Niedersachsen, dass sich Politiker an Spielregeln zu halten haben. Durch eine einsame, nicht einmal inhaltlich begründete Entscheidung ist die demokratische Entscheidung der Wählerinnen und Wähler ins Gegenteil verkehrt worden. 2013 wollten die Bürger Rot-Grün haben. Jetzt haben sie auf einmal Schwarz-Gelb präsentiert bekommen und das drei Monate vor der nächsten Wahl. Meines Erachtens war das ein Fehler, ein grober Verstoß gegen die Spielregeln.

Der Wechsel von Frau Twesten hat die CDU geschwächt?

Es gibt einen großen Unterschied zwischen Taktik und Strategie. Die CDU konnte bei der Gelegenheit die Mehrheit im Parlament bekommen, aber sie haben nicht bedacht, wie es dann weitergehen sollte. Wir haben richtig reagiert und sehr schnell, hart und konsequent Neuwahlen gefordert. Wir haben den Takt vorgegeben und ihn seitdem auch nicht mehr verloren. Tempo und Themen der letzten Wochen haben wir bestimmt.

Sie haben während der Regierungskrise von Intrigen und persönlichen Winkelzügen gesprochen. War bei Twesten nicht auch große Unzufriedenheit bei den Grünen und mit Rot-Grün im Spiel?

Honorige Menschen, mit denen sie im Gespräch war, haben berichtet, dass Frau Twesten mit ihnen über unseriöse und unmoralische Angebote gesprochen habe. Ich weiß nicht, wer und was dahinter steckt. Die Union hätte klugerweise Frau Twesten sagen sollen: „Du magst bei den Grünen austreten – das ist deine Entscheidung. Wir können dich aber, wegen der damit verbundenen Konsequenzen, nicht in unsere Fraktion aufnehmen.“ Stattdessen hat man sie mit offenen Armen empfangen und das haben die Wählerinnen und Wähler in Niedersachsen durchaus registriert. Die CDU hat sich an dieser Stelle schwer verkalkuliert. Dieses Thema hängt ihr jetzt wie ein Mühlstein um den Hals.

Durch die Regierungskrise ist der Wahltermin in Niedersachsen zeitlich näher an die Bundestagswahl gerückt. Dadurch wurden landespolitische Themen in den Hintergrund gerückt. Ein Problem in Niedersachsen ist beispielsweise der Lehrermangel: Warum haben Sie in der letzten Legislaturperiode nicht mehr dagegen gemacht?

Wir haben viel getan und werden im nächsten Schuljahr hoffentlich wieder 100 Prozent Unterrichtsversorgung haben. Es gab und gibt zwei Probleme: Erstens haben wir in Niedersachsen rund 22.000 Kinder und Jugendliche in unseren Schulen aufgenommen, die einen deutlich höheren Förderbedarf hatten, insbesondere Sprachförderbedarf. Zweitens haben wir in niedersächsischen Schulen heute deutlich mehr Schülerinnen und Schüler, als es noch vor sieben Jahren erwartet worden war. Damals wurde von einem viel deutlicheren Schülerrückgang ausgegangen, als er dann tatsächlich eingetreten ist. Nur sind aber leider damals die Lehrerausbildungskapazitäten auf die Prognose hin geplant worden, da mache ich niemandem einen Vorwurf.

"Schulchaos" ist eines der Hauptwahlkampfthemen der CDU...

Der frühere Kultusminister Althusmann sollte der letzte sein, der sich darüber echauffiert, denn er hatte die genannten Prognosen zu verantworten. Im nächsten Jahr erwarte ich eine spürbare Entlastung. In diesem Jahr haben 400 junge Leute in Niedersachsen ihre Grundschullehrerausbildung abgeschlossen , im nächsten Jahr werden es voraussichtlich 1000 sein. Das wird die Verhältnisse auf einem Schlag wesentlich entkrampfen - vor allem in den Grundschulen.

Aber auch Sie und Ihre jetzige Kultusministerin stehen in der Kritik. Philologen behaupten, dass sie Lehrern einen Maulkorb verpassen, die öffentlich über diese Probleme sprechen möchten.

Dieser Vorwurf ist abwegig und wird durch die Kritik ja gerade widerlegt. Die Landesschulbehörde hat leider über die notwendigen Abordnungen viel zu kurzfristig informiert und das kurz vor Schuljahresbeginn. Dass das an den Schulen einen riesigen Ärger ausgelöst hat, kann ich ausdrücklich verstehen. Die Abordnungen an sich sind aber vertretbar, da so eine Schulform der anderen aushelfen kann, wenn es klemmt.

Die Lehrer sprechen über "Abordnungsexzesse" unter Rot-Grün.

Das ist sehr polemisch. Die Unterrichtsversorgung an den niedersächsischen Gymnasien ist um einiges besser als an den Grundschulen. Das hängt übrigens auch damit zusammen, dass wir derzeit auf Vorrat Gymnasiallehrer einstellen. Wir waren das erste Land, das das Turboabitur abgeschafft hat. Aktuell stellen wir über Bedarf ein, da wir für das Schuljahr 2020 vorsorgen müssen. Bei den Abordnungen von Gymnasien an Grundschulen sprechen wir über höchstens 150 Mitarbeiterkapazitäten, gemessen an über 16.000 Lehrerinnen und Lehrern in Niedersachsen. Dabei geht es nicht um eine Dauerlösung, sondern um einen befristeten Zeitraum und deswegen halte ich dieses Vorgehen für gut vertretbar.

In der Diesel-Affäre von Volkswagen wurden zahlreiche Autofahrer im In- und Ausland betrogen. Die anderen Parteien plädieren nach dem Skandal für Veränderungen im Aufsichtsrat. Die SPD lehnt das ab. Also politisch alles weiter so, wie gehabt?

Diesel-Gate entstand in den Jahren 2005, 2006 und 2007 zu einer Zeit als in Niedersachsen CDU und FDP regierten und das Land im VW-Aufsichtsrat vertraten. 2015 ist Dieselgate bekannt geworden – zuvor hatten wir keine Anhaltspunkte dafür. Seit Herbst 2015 können die Landesvertreter für sich in Anspruch nehmen, Treiber der Aufklärung und der Erneuerung bei Volkswagen zu sein. Es gibt kein Unternehmenswohl außerhalb oder oberhalb des Gemeinwohls. Das Unternehmen kann erfolgreich nur tätig sein, wenn es innerhalb des Gemeinwohls agiert. Man sieht an der existenzbedrohenden Krise, die wir vor zwei Jahren hatten, welche Risiken man eingeht, wenn man sich nicht an diese Regeln hält.

In Niedersachsen hängen 250.000 Arbeitsplätze von Volkswagen ab. Können Sie überhaupt neutral bleiben?

Als Ministerpräsident vertrete ich das Gemeinwohl und das gilt auch in den Gremien von Volkswagen. Ich kann keinen sinnvollen Gegensatz zwischen Unternehmenswohl und Gemeinwohl erkennen. Im Gegenteil. Man geht hohe Risiken ein, wenn man glaubt, man könne sich jenseits des Gemeinwohls begeben. Ich hatte noch keine Situation, wo ich meine Amtspflicht als niedersächsischer Ministerpräsident gegen meine Pflichten als Aufsichtsrat abwägen musste.

Aber in der Bevölkerung kam schlecht an, dass Volkswagen Einfluss auf Ihre Regierungserklärung nehmen durfte.

Das war eine bösartige Kampagne, die mittlerweile klar widerlegt ist. Wir hatten VW gebeten, über einen Entwurf zu schauen und uns rechtliche oder tatsächliche Bedenken mitzuteilen. Wer die letztlich vorgenommenen Veränderungen betrachtet, muss zu dem Schluss kommen, dass keinerlei Weichspülen stattgefunden hat. Der Meinung war auch Lobby Control und die haben wirklich keinen Grund, uns einen Gefallen zu tun. Wir konnten uns in der damaligen Situation gar nicht anders verhalten. Anders ausgedrückt: In derselben Situation würde ich mich wieder so verhalten. Es war eine existenzbedrohende Phase für Volkswagen und ich musste in dieser Situation bei öffentlichen Aussagen sorgfältig darauf achten, keinen weitern Schaden anzurichten.

In Berlin haben CDU und CSU sich auf einen Obergrenzen-Kompromiss geeinigt. Sie bezeichneten ihn kürzlich als "Wurschtelei" und "politische Übung am Hochreck". Fällt Ihnen noch ein markiger Spruch ein?

Nein. Das finde ich schon ganz gut. (lacht)

Aber mal im Ernst. Warum?

Ich halte die Einigung der Union über die Obergrenze für einen durchsichtigen Formelkompromiss. Die Union verfolgt das Ziel, dass Frau Merkel weiter behaupten kann, es gäbe keine Obergrenze und Herr Seehofer weiter behaupten darf, es gäbe eine. Eines kann aber nur stimmen. Der einzige Zweck der Veranstaltung am Sonntagabend bestand darin, endlich mit den Sondierungen für eine Regierungsbildung in Berlin beginnen zu können. Der Kompromiss wird nicht lange halten, FDP und Grüne werden – so klingt es schon an - größten Wert darauf legen, zu erfahren, woran sie bei der Union sind. Diese vorgezogenen Koalitionsvereinbarungen innerhalb der Union, die wir da am Sonntag erlebt haben, sind im Grunde genommen mit einem Nicht-Ergebnis ausgegangen und das wird in den nächsten Wochen noch deutlich werden. Der Kompromiss ist tatsächlich nur eine etwas plump ausgeführte politische Übung am Hochreck und kein Durchbruch.

In Salzgitter sahen auch Sie sich gezwungen, eine Obergrenze einzuführen.

Das ist keine Obergrenze, sondern eine vorübergehende, örtlich eng gesteckte Zuzugsbegrenzung. Und es gibt einen weiteren großen Unterschied: Wir können auf regionaler Ebene – in einer ganz besonderen Ausnahmesituation wie in Salzgitter – einen befristeten Zuzugsstopp beschließen, bleiben aber als Land Niedersachsen dennoch aufnahmebereit für Menschen, die vor Gewalt und Krieg flüchten.

Bundesweit sehen Sie so eine Ausnahmesituation nicht?

Nein. Das Ganze ist aber eine theoretische Diskussion, weil ja offenbar schon die CDU eine Obergrenze nicht mitmachen möchte, geschweige denn die FDP oder die Grünen im Bund.

In Niedersachsen ist die AfD deutlich schwächer als im bundesweiten Vergleich: Was machen Sie anders als andere Bundesländer?

Zum Beispiel gibt es beim Thema Innere Sicherheit in Niedersachsen keine wirklich gravierenden Probleme. Es spielt längst nicht die Rolle wie in anderen Ländern. Etwas anderes mag wesentlicher sein: Die niedersächsische Mentalität ist durch ein hohes Maß an Nüchternheit, Bodenständigkeit und Sachlichkeit gekennzeichnet. Die Menschen neigen nicht zu extremen Ausschlägen zu der einen oder zu der anderen Seite und nehmen extreme Positionen eher distanziert auf.

Frau Nahles brachte in Niedersachsen Rot-Rot-Grün als mögliche Regierungskoalition ins Gespräch. Sie haben kürzlich im Hamburger Abendblatt ihr Statement erneuert, dass es ihr politischer Ehrgeiz ist, dass die Linke nicht in den Landtag kommt. Sind das gute Voraussetzungen für Sondierungen?

Das ist eine sehr freie Interpretation einer völlig anders lautenden Äußerung von Andrea Nahles vom Wochenende. Heute wird sie übrigens mit dem Satz zitiert, dass Rot-Rot-Grün kein Projekt der Niedersachsen-SPD sei. In der Tat würde ich mich freuen, wenn die Linke nicht in den Landtag käme. Die SPD ist für Menschen in Niedersachsen, die sich mehr Solidarität und Gerechtigkeit wünschen, aus meiner Sicht die bessere Alternative.

Ist Rot-Rot-Grün nur ein Modell, was in den neuen Bundesländern funktionieren kann? Oder funktioniert es für Sie überhaupt?

Ich möchte Rot-Rot-Grün nicht in Niedersachsen, meine Wunschkoalition lautet Rot-Grün!

Für Rot-Grün wird es aber laut aktueller Umfragen in Niedersachsen nicht reichen. Bleibt also nur die Ampel?

Ich kämpfe bis zum 15. Oktober für die Fortsetzung der rot-grünen Koalition in Niedersachsen. Bis dahin werde ich mich an Spekulationen nicht beteiligen.

Sie wollen rund 800 Millionen Euro aus dem Haushaltsüberschuss in Digitalisierung und dabei vor allem den Breitbandausbau stecken. Sie haben während des Wahlkampfs ein WhatsApp-Tagebuch geführt, auch um jüngere Menschen zu erreichen. Haben die schlechten Verbindungen auf dem Land Sie dazu bestärkt?

Wir werden bis zum Jahr 2025 das Giganetz überall in Niedersachsen realisieren und können die Vorhaben auch finanzieren. Das ist für den ländlichen Raum in unserem Flächenland von größter Bedeutung. Niedersachsen soll zu den Vorreitern der digitalen Infrastruktur in der Bundesrepublik gehören.

Wie viele Menschen haben ihr WhatsApp-Tagebuch abonniert?

Knapp 600.

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