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Fall Anis Amri: Sonderermittler wirft Behörden schwere Fehler vor


Anschlag auf Berliner Breitscheidplatz
Sonderermittler wirft Behörden Versagen vor

Von dpa, afp, df

12.10.2017Lesedauer: 3 Min.
Mit einem gestohlenem Lkw raste der Attentäter auf den Weihnachtsmarkt vor der Gedächtniskirche in Berlin.Vergrößern des BildesMit einem gestohlenem Lkw raste der Attentäter auf den Weihnachtsmarkt vor der Gedächtniskirche in Berlin. (Quelle: Archivbild/Michael Kappeler/dpa-bilder)
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Der Sonderermittler des Berliner Senats im Fall Anis Amri macht den Behörden schwerwiegende Vorwürfe. Hätten sie alle Regeln befolgt, wäre es mit "hoher Wahrscheinlichkeit" nicht zu der Attentat gekommen.

Der Abschlussbericht des früheren Bundesanwalts Bruno Jost über das Handeln der Behörden liest sich stellenweise wie ein unterirdisch schlechtes Schulzeugnis: Die Feststellung der Identität Amris sei "mangelhaft", die Auswertung der Telefonüberwachung "unzureichend" und die Beendigung der Observation des Tunesiers wegen des Verdachts des Drogenhandels "nicht sachlich begründbar" gewesen, heißt es unter anderem im Schlussteil des Berichtes.

Amri hätte verhaftet werden können

Und das sind nur einige der Versäumnisse, die Jost auflistet. Im Bericht des Sonderermittlers wird das Ausmaß des Versagens auf Seiten der Behörden im Umgang mit dem seit 2015 der Polizei bekannten Amris deutlich.

Amri war als sogenannter islamistischer Gefährder bekannt. Er hätte wegen seines Drogenhandels und gefälschter Ausweise verhaftet und in Untersuchungshaft gesperrt werden können, sagte Jost.

Jost lehnt pauschale Verurteilungen ab

Schon in seinem Zwischenbericht hatte Jost Versäumnisse und Fehlinformationen der Polizisten bestätigt, aber zugleich auch die Arbeit gegen pauschale Verurteilungen verteidigt. Jost benannte viele Fehler einzelner Kriminalpolizisten, die vor dem Anschlag für Ermittlungen gegen Amri zuständig waren. Auch wurden Innensenator Andreas Geisel (SPD) und sein Staatssekretär in den Tagen nach dem Anschlag von der Polizei offenbar falsch informiert.

Ungeachtet der Reihe von Fehlern lehnt Geisel personelle Konsequenzen in der Polizeispitze weiter ab. "Es stellt sich doch die Frage: Wer sollte dann die nötigen Veränderungsprozess organisieren?", sagte Geisel am Montag der "Welt". "Im Fall Amri ist eine Menge schiefgelaufen – bei uns, in anderen Bundesländern und im Bund", sagte Geisel. "Die Möglichkeiten bestanden, ihn früher aus dem Verkehr zu ziehen."

Geisel: Zusammenarbeit "war suboptimal"

So hätte man ausländerrechtlich etwa in NRW oder Baden-Württemberg mehr unternehmen können, sagte Geisel. "Auch das Zusammenwirken von Polizei und Staatsanwaltschaft war suboptimal. Hier haben wir bereits entsprechend reagiert."

Attentäter Amri hatte am 19. Dezember 2016 einen Lastwagen entführt und ihn in den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gesteuert. Insgesamt starben zwölf Menschen, fast 70 wurden verletzt. Amri konnte ungehindert aus Berlin flüchten und wurde später in Italien erschossen.

Mahnmal soll am Jahrestag enthüllt werden

Am ersten Jahrestag des Terroranschlags wollen das Land und der Bund gemeinsam an die Opfer erinnern. Bei der Gedenkveranstaltung am 19. Dezember solle ein Mahnmal am Ort des Anschlags enthüllt werden, teilte die Senatskanzlei mit. Die Planungen würden derzeit mit der Bundespolitik abgestimmt.

Ein goldener Riss im Boden soll bald an die Opfer erinnern. Eine Jury hatte sich im September für diesen Vorschlag entschieden. Der Entwurf des Designerbüros Merz Merz GmbH & Co. KG sieht vor, dass der Riss einen Teil des Bodens auf dem Breitscheidplatz durchzieht und mit einer goldfarbenen Legierung aufgefüllt wird. Die Namen der Todesopfer und ihre Herkunftsländer sollen auf der Vorderseite der Stufen vor der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche stehen.

Die Inschrift soll lauten: "Zur Erinnerung an die Opfer des Terroranschlags auf dem Weihnachtsmarkt am 19. Dezember 2016. Für ein friedliches Miteinander aller Menschen. In dieser Nacht starben:" Dann folgen die Namen. Es entpreche dem ausdrücklichen Wunsch der Hinterbliebenen, die Namen der Todesopfer am Ort des Gedenkens zu nennen, hieß es.

Opfernbeauftragter fordert höhere Entschädigung

Der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Kurt Beck (SPD), forderte unterdessen höhere Entschädigungen für Opfer von Terroranschlägen. "Die Entschädigung mit 25.000 Euro beim Todesfall eines Angehörigen trägt bei Weitem nicht mehr dem Gedanken Rechnung, dass es eine Art Schmerzensgeld sein soll, das beim Regeln der unmittelbaren finanziellen Sorgen helfen soll", sagte Beck der Koblenzer "Rhein-Zeitung". Er wies darauf hin, dass in anderen europäischen Ländern teils deutlich höhere Beträge gezahlt würden.

Der SPD-Politiker mahnte aus diesem Anlass auch, Lehren aus den Fehlern zu ziehen, die nach dem Anschlag gemacht wurden. "Wir brauchen dauerhafte Strukturen mit hervorragenden Mitarbeitern beim Bund und bei den Ländern", sagte Beck. Wenn es einen Anschlag gebe, dann solle rasch ein Opferbeauftragter ernannt werden, "der dann auf diese Strukturen zurückgreifen kann".

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