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Festgenommener Carles Puigdemont: Deutsche Polizei verwundert über Dänemark


Festgenommener Carles Puigdemont
Deutsche Polizei verwundert über Dänemark

Von t-online, pdi

26.03.2018Lesedauer: 4 Min.
Carles Puigdemont während einer Pressekonferenz in Brüssel: Der ehemalige Chef der katalanischen Regierung wurde in Schleswig-Holstein verhaftet. Ihm drohen 30 Jahre Haft.Vergrößern des BildesCarles Puigdemont während einer Pressekonferenz in Brüssel: Der ehemalige Chef der katalanischen Regierung wurde in Schleswig-Holstein verhaftet. Ihm drohen 30 Jahre Haft. (Quelle: dpa-bilder)
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Der frühere katalanische Regierungschef Carles Puigdemont ist in Deutschland verhaftet worden. Die Polizei rechtfertigt ihr Vorgehen – und wundert sich über die dänischen Kollegen.

Der in Deutschland festgenommene frühere katalanische Regierungschef Carles Puigdemont will seinem Anwalt zufolge kein politisches Asyl in der Bundesrepublik beantragen. Der 55-Jährige habe keine entsprechenden Pläne, sagte sein Anwalt Jaume Alonso-Cuevillas im katalanischen Rundfunk.

Puigdemont soll im Tagesverlauf einem Amtsrichter in Neumünster vorgeführt werden. Das Amtsgericht muss ihm in einer sogenannten Festhalteanordnung eröffnen, warum er festgehalten wird. Das Gericht prüft zudem, ob es sich bei der Person tatsächlich um Puigdemont handelt.

Nach Ansicht seines Anwaltes könnte Puigdemont erst einmal in Untersuchungshaft bleiben. "Wir ziehen alle Möglichkeiten in Betracht, wir können nichts ausschließen", sagte Alonso-Cuevillas dem TV-Sender TV3. Man werde mit Puigdemonts deutschen Anwälten "alles" prüfen.

Puigdemont war am Sonntag auf der Rückreise von Finnland nach Belgien auf einer Autobahnraststätte an der A7 bei Schleswig in Schleswig-Holstein gestoppt und festgenommen worden. Grundlage war ein europäischer Haftbefehl. Alonso-Cuevillas wollte noch am Montag nach Hamburg reisen, um sich dort mit den deutschen Anwälten von Puigdemont abzusprechen.

Verwunderung über dänische Polizei

Der Bundesvorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft (DPolG), Ernst Walter, hat sich unterdessen verwundert darüber gezeigt, dass Puigdemont nicht schon in Dänemark festgenommen wurde. Die dänische Polizei hätte im europäischen Verbund eigentlich genauso arbeiten müssen wie die deutsche, sagte Walter dem Radiosender Bayern 2.

Walter machte deutlich, dass die Bundespolizei bei internationalen Haftbefehlen keinen Ermessensspielraum habe. "Wir haben das zu vollziehen, was die Justiz auf den Weg bringt. Wir müssen die Strafverfolgung gewährleisten", sagte er.

Mit Blick auf eine Auslieferung von Puigdemont an Spanien sagte Walter, es gebe Fälle, in denen "aus rein politisch motivierten Gründen Haftbefehle ausgestellt wurden". Diese würden allerdings von der internationalen Polizeibehörde Interpol nach entsprechender Prüfung wieder zurückgenommen. "Aber das scheint hier nicht der Fall zu sein", fügte Walter hinzu.

Über die Frage, ob Puigdemont in Auslieferungshaft zu nehmen sei, entscheide das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht, erklärte Vize-Generalstaatsanwalt Ralph Döpper.

Spanien muss nach Angaben von Döpper nun Unterlagen vorlegen, aus denen sich ein Grund für eine Auslieferung ergibt. Das Oberlandesgericht prüfe dann, ob eine Übergabe Puigdemonts an die spanischen Behörden rechtlich zulässig sei. Sollten keine rechtlichen Hindernisse einer Auslieferung im Wege stehen, entscheide anschließend die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig, sagte Döpper.

"Es ist aussichtslos"

Wie Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) der Deutschen Presse-Agentur bestätigte, wurde Puigdemont in die Justizvollzugsanstalt Neumünster gebracht. Gegen Puigdemont wird in Spanien wegen des Unabhängigkeitsreferendums vom Oktober unter anderem wegen Rebellion ermittelt.

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Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) hielt sich mit einer politischen Bewertung zurück. In der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" betonte sie, zunächst liege dieses Verfahren in den Händen der schleswig-holsteinischen Behörden. "Die ersten Schritte sind jetzt erst mal rein juristische und die gilt es jetzt erst mal abzuwarten."

Nach Ansicht des CDU-Europaabgeordneten Elmar Brok sollte sich Puigdemont in Spanien vor Gericht verantworten. "Puigdemont hat eindeutig gegen spanisches Recht und gegen die Verfassung verstoßen", sagte Brok der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Ihm ist zu raten, die Sache friedlich zu beenden."

Brok forderte die Katalanen auf, ihre Autonomiebestrebungen zu begraben. "Ich würde den Katalanen raten, ihr Streben nach Unabhängigkeit aufzugeben, denn es ist völlig aussichtslos." Stattdessen sollten Madrid und Barcelona über Verbesserungen des Autonomiestatus Kataloniens verhandeln.

Bis zu 30 Jahre Haft

Dagegen forderte die Linke eine sofortige Freilassung Puigdemonts. "Dialog ist das Gebot der Stunde, Puigdemont sollte auf freien Fuß kommen", sagte der Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch. Der europapolitische Sprecher der Linksfraktion, Andrej Hunko, nannte die Festnahme eine "Schande": "Die Strafverfolgung ist ganz offensichtlich politisch motiviert."

Die Grünen forderten Verhandlungen der spanischen Regierung mit Katalonien unter Beteiligung Brüssels. "Der Fall zeigt: Es ist höchste Zeit, dass in Spanien ein politischer Ausweg gefunden wird", sagte die europapolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Franziska Brantner. Die Bundesregierung solle sich für eine Vermittlung der EU-Kommission einsetzen.

Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff forderte eine zügige Stellungnahme der Bundesregierung. "Rechtlich ist die Verhaftung von Herrn Puigdemont nicht zu beanstanden, politisch aber schafft sie große Probleme", sagte er der "Augsburger Allgemeinen".

Proteste in Spanien

Puigdemonts Festnahme und mögliche Auslieferung an Spanien ist die jüngste Wendung in dem Konflikt um Kataloniens Abspaltung von Spanien, der nach dem Referendum und der einseitigen Ausrufung der Unabhängigkeit der Region im Oktober eskaliert war.

Bei Protesten nach der Festnahme von Puigdemont kam es in Katalonien zu schweren Krawallen. Am Rande einer Demonstration in Barcelona, bei der mehr als 50.000 Menschen gegen die Festnahme Puigdemonts protestierten, kam es am Sonntagabend zu Zusammenstößen mit der Polizei.

Dabei wurden nach Angaben der Gesundheitsbehörden mehr als 90 Menschen verletzt, darunter mehr als 20 Beamte. Die Polizei setzte Schlagstöcke ein und gab auch Warnschüsse in die Luft ab. Es gab mindestens vier Festnahmen. Auch in anderen Städten Kataloniens gingen Menschen für Puigdemont auf die Straße. Bei Protesten in Lleida wurden sieben Menschen verletzt, in Tarragona eine Person.

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Auch im Internet sorgte die Nachricht von der Festnahme Puigdemonts für Aufruhr. "Spanien sorgt nicht für einen fairen Prozess, sondern nur für Rache und Unterdrückung", twitterte Elsa Artadi, Sprecherin von JxCat (Gemeinsam für Katalonien), der Liste, der auch Puigdemont angehört. Sie schloss sich auch dem Protestmarsch in Barcelona an.

Gegen den katalanischen Ex-Regierungschef wird in Spanien wegen des Unabhängigkeitsreferendums vom Oktober unter anderem wegen Rebellion ermittelt. Unmittelbar nach seiner Amtsenthebung im Oktober 2017 hatte sich Puigdemont nach Brüssel abgesetzt, um der spanischen Justiz zu entkommen. Am Freitag eröffnete der Oberste Gerichtshof Spaniens Strafverfahren gegen Puigdemont und weitere Regionalpolitiker wegen Rebellion, Veruntreuung oder Gehorsamsverweigerung. Ihnen drohen bis zu 30 Jahre Haft.

Verwendete Quellen
  • dpa, Reuters, afp, AP
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