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Friedrich Merz wirbt für Kernfusion – Experten sind irritiert


Drohende Energiekrise
Merz wirbt für Kernfusion – Experten sind irritiert

Von dpa, lr

27.07.2022Lesedauer: 3 Min.
Friedrich Merz: Der CDU-Chef hofft auf Kernfusion als Energielösung der Zukunft.Vergrößern des BildesFriedrich Merz: Der CDU-Chef hofft auf Kernfusion als Energielösung der Zukunft. (Quelle: Political-Moments/imago-images-bilder)
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In einem Interview erwähnt der CDU-Chef Kernfusion im Zusammenhang mit der drohenden Energiekrise. Experten kritisieren ihn dafür deutlich.

In der aktuellen Situation ist diese Vorstellung so verlockend wie nie zuvor: Aus Gestein und wenigen Litern Wasser lässt sich der Strombedarf einer Familie für ein Jahr decken. Unmöglich? Das Zauberwort heißt Kernfusion. Sterne erzeugen auf diese Art ihre Energie. Doch kann diese Methode auch auf der Erde in großem Maßstab angewendet werden und Deutschland dabei helfen, die Energieabhängigkeit von Russland zu reduzieren?

Das hat CDU-Chef Friedrich Merz jetzt in einem Interview suggeriert. Auf die Frage, wie lange die drei verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland nun am Netz bleiben sollen, antwortete er den Zeitungen der Funke Mediengruppe zunächst: "Die Bundesregierung muss sich jetzt um neue Brennstäbe bemühen und kann sich hier auch nicht länger hinter den Betreibern der Kernkraftwerke verstecken. Es kann nicht nur ein vorübergehender Streckbetrieb mit den alten Brennstäben aufrechterhalten werden. Wir müssen einen Weiterbetrieb so lange ermöglichen, bis die Gefahr eines Engpasses beseitigt ist."

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Kraftwerk wohl erst nach 2050 bereit

Wenig später, Merz antwortete immer noch auf die gleiche Frage, machte er dann eine Bemerkung, die Experten irritiert. Er betonte: "Außerdem plädiere ich dafür, dass wir uns intensiver mit Kernfusion befassen, auch mit ganz neuen Formen der Energieerzeugung aus Kernenergie."

Kernfusion gilt unter Wissenschaftlern seit Jahrzehnten als große Hoffnung. Dabei verschmelzen Atomkerne und eine enorme Menge nutzbarer Energie entsteht. Die in der Forschung verwendeten Grundstoffe Deuterium und Tritium sind in der Natur reichlich vorhanden beziehungsweise lassen sich einfach herstellen. Zugleich wäre die Methode sicherer, weil kein hoch-radioaktiver Abfall anfällt und keine katastrophale Kettenreaktion wie bei der Kernspaltung droht.

Das Problem: Selbst Optimisten rechnen mit dem ersten Kernfusionskraftwerk, das dauerhaft und in großem Maßstab Energie für das Stromnetz produzieren kann, erst nach dem Jahr 2050. ITER, der auch von der EU geförderte Forschungsreaktor in Frankreich, soll überhaupt erst ab 2035 erste Energie erzeugen. In Deutschland wird in Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) und Garching (Bayern) an verschiedenen Methoden zur Kernfusion geforscht. Derzeit gibt es aber noch viele ungelöste Probleme.

Investitionen versäumt?

Zumindest im Zusammenhang mit der durch den Ukraine-Krieg entstanden Energiekrise ist Kernfusion deshalb keine Lösung. Ob sie überhaupt jemals als größere Energiequelle funktionieren wird, ist offen.

In den sozialen Netzwerken erntete Merz deshalb scharfe Kritik, wohl auch weil er die Kernfusion bei der Beantwortung einer Frage zur aktuellen Krise erwähnt und keinen möglichen Zeitrahmen genannt hat. "Abwegig", beurteilte Britta Haßelmann, Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, seine Aussagen. "Nicht zu fassen", schrieb Wolf-Peter Schill, stellvertretender Abteilungsleiter für Energie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

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Muss sich Deutschland trotzdem intensiver mit dem Thema Kernfusion beschäftigen, wie Merz in dem Interview fordert? Thomas Klinger, Projektleiter des Greifswalder Forschungsreaktors Wendelstein 7-X, beklagte 2021, es sei in der Vergangenheit zu wenig in die Forschung investiert worden: "Da gab es genug Öl, genug Gas." Der Fokus habe nicht auf einer möglichen Energiequelle der Zukunft gelegen.

Innerhalb kürzester Zeit lässt sich das aber wohl nicht aufholen. Deshalb äußerten sich vor allem Experten mit Schwerpunkt Klima- und Umweltschutz zuletzt kritisch. "Wir brauchen jetzt Lösungen für den Klimaschutz", betonte zum Beispiel Claudia Kemfert vom DIW im vergangenen Jahr gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Auch der frühere niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) erklärte: "Im Kampf gegen die Klimakrise kommt die Kernfusion Jahrzehnte zu spät, sollte sie je funktionieren." Atomexperte Heinz Smital von Greenpeace nannte die Technologie einen "Etikettenschwindel". Dabei handele es sich um spannende Grundlagenforschung, die auf absehbare Zeit aber nicht zur Energiegewinnung beitragen könne.

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