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AKW-Streit: Begrenzter Streckbetrieb oder Laufzeit bis mindestens 2024?


Streit um Atomenergie
Begrenzter Streckbetrieb oder AKW-Laufzeit bis 2024?

Von t-online, afp, dpa, reuters, mm, fls

Aktualisiert am 17.10.2022Lesedauer: 4 Min.
Finanzminister Lindner und Wirtschaftsminister Habeck (Archiv): Die FDP verlangt den Weiterbetrieb mehrerer Akws bis 2024.Vergrößern des BildesFinanzminister Lindner und Wirtschaftsminister Habeck (Archiv): Die FDP verlangt den Weiterbetrieb mehrerer AKW bis 2024. (Quelle: IMAGO/Jean MW)
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Die Ampelkoalition streitet um den Weiterbetrieb der letzten AKW – eine Einigung scheint nicht in Sicht. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Die Energiekrise hat die Debatte um die Atomkraft neu angefacht – und damit auch Streit in der Ampelkoalition. Am Wochenende scheiterte erneut der Versuch einer Einigung. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) setzt auf einen möglichen Streckbetrieb von zwei süddeutschen Atomkraftwerken bis zum Frühjahr. Die FDP fordert einen AKW-Weiterbetrieb bis mindestens 2024.

Wie ist die Ausgangssituation?

Unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 hatte die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung nach mehrfachem Hin und Her den Ausstiegsbeschluss bekräftigt. Demnach müssen die letzten deutschen Atomkraftwerke bis Ende 2022 vom Netz gehen. Noch in Betrieb sind derzeit die AKW Emsland (Niedersachsen), Isar 2 (Bayern) und Neckarwestheim 2 (Baden-Württemberg).

Was sieht das Konzept von Habeck vor?

Zur Sicherung der Netzstabilität will Habeck einen Weiterbetrieb der AKW Isar 2 und Neckarwestheim 2 bis zum 15. April 2023 ermöglichen. Ob die Kraftwerke tatsächlich benötigt werden, soll vom Wirtschaftsministerium per Verordnung festgelegt werden. Das AKW Emsland soll wie geplant bis zum Jahresende vom Netz gehen. Diesem Konzept stimmte am Freitag der Grünen-Bundesparteitag mehrheitlich zu, einen weitergehenden AKW-Betrieb schlossen die Delegierten aus.

Was fordert die FDP?

FDP-Chef Christian Lindner will alle drei verbliebenen AKW sowie möglichst noch zwei weitere, bereits stillgelegte Atomkraftwerke bis 2024 am Netz halten oder reaktivieren. Dafür müssten neue Brennelemente bestellt werden, die dann jedoch deutlich länger zur Verfügung stünden. Um die FDP-Ziele durchzusetzen, blockiert Lindner derzeit die für den Streckbetrieb der beiden süddeutschen AKW notwendige Gesetzesänderung. Ohne die Neuregelung bliebe es beim Aus für alle drei Kraftwerke zum Jahresende.

Was sind die Argumente?

Habeck begründet sein Konzept damit, dass Risiken für die Netzstabilität in Süddeutschland wegen fehlender Ökostrom-Kapazitäten und Leitungen vor allem in Bayern sowie wegen des Ausfalls französischer AKW ohne die beiden deutschen Kraftwerke nicht völlig ausgeschlossen werden könnten. Für das AKW Emsland gelte dies nicht, vor allem wegen höherer Windstrom-Kapazitäten im Norden.

Lindner argumentiert, dass in der Energiekrise alle Kapazitäten genutzt werden sollten, auch für den Winter 2023/24. Er erhofft sich davon auch einen Beitrag zur Dämpfung der hohen Strompreise. Dies wird von den Grünen aber angezweifelt.

Wie positionieren sich die SPD und Bundeskanzler Scholz?

Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich in der Debatte bisher zurückgehalten. In einem gemeinsamen Papier von Scholz, Habeck und Lindner ist von der Einsatzreserve für die beiden süddeutschen AKW die Rede, was Lindner aber nicht als Zustimmung zu Habecks Plan verstanden wissen will. Längere AKW-Laufzeiten über den Streckbetrieb hinaus lehnen auch große Teile der SPD ab.

Die Grünen wünschten sich am Montag eine klarere Positionierung des Koalitionspartners. "Ich würde manchmal gerne wissen, was die Haltung der SPD bei diesem Thema ist", sagte die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang am Montag in Berlin. "Das war mir nicht so klar innerhalb der letzten Wochen." Lang war nach ihren Erwartungen an Kanzler Scholz gefragt worden.

Wann wird weiter verhandelt?

Im Koalitionsstreit um die weitere Nutzung von Atomkraftwerken ist am Montag kein Spitzentreffen von Scholz, Lindner und Habeck geplant. Wann es einen neuen Termin gibt, ist nach Informationen von t-online noch offen.

Der Kanzler, der Finanzminister und der Wirtschaftsminister waren am Sonntagnachmittag im Kanzleramt zu einem Krisentreffen zusammengekommen. Über die Inhalte wurde im Anschluss nichts bekannt.

In der Koalition hieß es zuletzt, eine Lösung sei nicht in Sicht – obwohl eigentlich noch diese Woche ein entsprechender Entschluss für den Streckbetrieb im Bundestag gefällt werden muss, damit zumindest das AKW Isar 2 bei München Planungssicherheit über den 31. Dezember hinaus hat. Ob und wie sich dafür eine Lösung finden ließe, blieb bis zum Abend offen.

Nach Einschätzung von Grünen-Co-Chefin Lang jedoch werde die Ampelkoalition an dem Streit nicht zerbrechen. "Es ist natürlich kein schöner Zustand im Moment", sagte sie. "Wir befinden uns nicht nur in einer Zeit, wo wir einen Krieg auf europäischem Boden haben, sondern in einer Energiekrise, in einer Wirtschaftskrise. Wir sind ganz klar: Wir wollen da in der Ampel, aber auch mit der Ampel Verantwortung übernehmen."

Die Beratungen im Regierungsbündnis würden am Dienstag fortgesetzt. Lang ließ offen, ob auch die Partei- und Fraktionsspitzen hinzugezogen würden: "Wenn ein Koalitionsausschuss gebraucht wird, dann werden wir ihn natürlich veranlassen und dann wird es ihn auch geben."

Welche Rolle haben die Atomkraftwerke für die Energieversorgung?

Atomkraftwerke erzeugten im zweiten Quartal 2022 amtlichen Angaben zufolge sechs Prozent des Stroms in Deutschland. Der Anteil der Gaskraftwerke war vor dem Ukraine-Krieg gut doppelt so hoch. Weil diese häufig neben Strom auch Heizwärme für Haushalte und Industrie erzeugen, können sie aber nicht ohne weiteres durch AKW ersetzt werden. Zudem sind Atomkraftwerke nur schwer regelbar und daher für eine flexible Kombination mit Wind- oder Solarstrom ungeeignet. Eigentlich längst fällige Sicherheitsüberprüfungen der AKW sind mit Blick auf deren Ende 2022 erwartete Abschaltung nicht mehr erfolgt.

Was würde ein AKW-Weiterbetrieb im Streckbetrieb bedeuten?

In dem Fall würden keine neuen Brennstäbe beschafft, sondern noch vorhandene Kapazitäten genutzt. Damit kann der Reaktor über das natürliche Zyklusende hinaus betrieben werden, wenn auch mit stetig abnehmender Leistung. Wie lange ein Streckbetrieb technisch möglich ist, dazu gab es zuletzt unterschiedliche Informationen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen afp, dpa und Reuters
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