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Wackelt die Autorität von Olaf Scholz? Ampelkoalition zerstritten wie nie


Ampel nach Panzer-Entscheidung
Jetzt zoffen sich auch die Häuptlinge


Aktualisiert am 25.01.2023Lesedauer: 5 Min.
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Kanzler Scholz muss schwierige Antworten geben.Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz in Berlin: Seine Koalitionäre zanken sich. (Quelle: Fabrizio Bensch/reuters)

Der größte Konflikt der Ampel ist gelöst: Deutschland schickt Kampfpanzer in die Ukraine. Doch bei anderen Themen gibt es weiter Zoff. Denn die Autorität des Kanzlers ist angeknackst.

Die Woche, in der Olaf Scholz doch noch die große Wende vollzieht, beginnt alles andere als angenehm. Bereits am Montagmittag ist Lars Klingbeil schrecklich genervt. Der SPD-Chef steht mit dunklem Sakko im Lichthof seiner Parteizentrale und gibt eine Pressekonferenz. Seit Tagen schwelt die Diskussion um die Panzerlieferungen an die Ukraine. Und seit Tagen fragt sich die halbe Welt, warum Olaf Scholz eine Entscheidung hinauszögert.

Klingbeil wird nach Politikern von Grünen und FDP gefragt, die den Kanzler für sein Zaudern kritisieren. "Ich weiß, was ich als Parteivorsitzender machen würde, wenn aus meiner Partei andauernd solche Querschüsse kämen", sagt Klingbeil ernst. Er würde "mit den entsprechenden Leuten mal reden". Es klingt wie: sie mal zurechtstutzen.

Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten. Omid Nouripour, Chef der Grünen, lächelt wenige Stunden später kurz, als er nach dem Rat von Klingbeil gefragt wird. Und sagt nur, die Parteivorsitzenden würden "ihre Partei führen, wie sie es für richtig erachteten". Beste Grüße in die SPD-Zentrale.

An diesem Montagmittag lässt sich in Berlin eine Erosion beobachten. Es ist die Erosion der Einheit in der Koalition. Und zwar nicht auf der Arbeitsebene, wo sich Parlamentarier regelmäßig streiten. Sondern in der wichtigsten politischen Frage der Zeit, in der es um das Bestehen Europas, um Leben und Tod der Ukrainer geht. Und wo sich nun die mächtigsten Ampelpolitiker auf offener Bühne streiten.

Dieser Konflikt, so wirkt es zur Mitte der Woche, ist erst einmal entschärft. Denn die Kampfpanzer-Frage hat sich am Dienstag noch aufgelöst. Aber so ist das ja in dem Krieg: Die eine Entscheidung hat die nächste zur Folge, es geht einfach immer weiter. Und meistens atemlos. Und somit mag die Entscheidung von Scholz, gemeinsam mit westlichen Partnern Panzer in die Ukraine zu liefern, vielleicht die Ukraine dem Frieden etwas näher bringen. Aber die Koalition wird noch längst nicht befriedet sein.

Das wird sich wahrscheinlich bereits am Mittwoch ab kurz nach 13 Uhr beobachten lassen. Dann steht die nächste Befragung des Kanzlers im Bundestag an. Es wird für die Opposition ein Leichtes sein, die Widersprüche der Koalition herauszuarbeiten. Bei der Frage der Panzerlieferung, aber auch bei anderen Themen. Auch wenn diese zuletzt in den Hintergrund gerückt sind.

Zumal die Regierung am Donnerstag mal wieder versucht, so etwas wie den Grundstein für mehr grundsätzliche Harmonie zu legen: Es tagt der Koalitionsausschuss. Gleich mehrere Streitpunkte wie die Planungsbeschleunigung für Infrastruktur stehen auf dem Programm. Der Ausgang des Treffens ist offen, die Gräben sind tief.

Video | Das kann der Leopard II-Panzer
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Quelle: t-online

Die Strategie des Kanzlers funktioniert nicht mehr

Dass die Koalition immer mehr den Anschein einer heillos zerstrittenen Dreierbeziehung erweckt, hat sachliche Gründe, aber auch strukturelle. Bislang musste sich in der Ampelkoalition vor allem die FDP profilieren. Die Liberalen sind der kleinste Partner in der Koalition – und wegen schlecht gelaufener Landtagswahlen unter Druck. Kanzler Olaf Scholz nimmt deshalb reichlich Rücksicht auf liberale Standpunkte. Und auf die Angewohnheit der FDP, den Streit in der Koalition zu suchen, um sichtbar zu sein.

Scholz ist schon seit Beginn der Koalition der Ansicht, dass alle Parteien die Möglichkeit brauchen, sich zu beweisen, dass sie eigene Erfolge einfahren müssen. Doch diese Strategie geht immer seltener auf, weil sie öfter bedeutet, dass sich die Parteien auf Kosten der eigenen Regierungspartner profilieren. Was auch den Kanzler unter Druck setzt. Weil er dann als zaudernd dasteht, wie in der Ukraine-Politik. Und weil die Deutschen eine zerstrittene Regierung nicht gerade schätzen.

Scholz wirkt bisweilen, als säße er in einem Swimmingpool. Und bekommt es nicht in den Griff, wenn sich die beiden Kleinen um die Poolnudel streiten.

Die neue Lust am Streit liegt auch daran, dass mit den Grünen die zweite Partei Sorge hat, in der Ampel nur noch für die Niederlagen verantwortlich gemacht zu werden. Spürbar wurde das besonders an Lützerath, dem Dorf in Nordrhein-Westfalen, das nun für die Kohle abgebaggert wird.

Die Klimabewegung lud ihren Frust darüber bei den Grünen ab. Und dort fragt sich mancher zunehmend genervt, warum eigentlich gerade bei ihnen. Sind nicht sie es, die die verkorkste Fossilpolitik anderer Parteien ausbaden müssen? Haben nicht sie zumindest das Beste herausgeholt? Den Kohleausstieg 2030 fixiert? Fünf Dörfer gerettet? Und jetzt werden ihre Parteizentralen besetzt, jetzt sollen sie bei der nächsten Wahl bestraft werden?

Eine neue Qualität

Das ist der Hintergrund, vor dem die Grünen gerade Politik in der Ampelkoalition machen. Und vor dem sie nun offenbar auch die Angst davor verlieren, das zu tun, was sie bei der FDP vorher immer kritisiert haben: sich offen gegen die Koalitionspartner zu stellen.

Am anschaulichsten wurde das in den vergangenen Tagen im Streit um die Leopard-Lieferungen an die Ukraine. Grüne gestanden hinter vorgehaltener Hand unumwunden ein, dass es ein neues Niveau war, dass plötzlich nicht nur Fachpolitiker den Konflikt mit den Partnern suchten. Sondern die Spitzen der Partei und der Fraktion.

Fragt man nach den Gründen, ist viel von Frustration die Rede und der fehlenden Zeit der Ukrainer. Aber auch von dem Wunsch, sichtbarer zu werden. Weil der interne Druck aufs Kanzleramt nichts bewirke. Oder zumindest zu wenig. Und das auch noch zu langsam.

Dass sich sogar Außenministerin Annalena Baerbock am Sonntag im französischen Fernsehen weiter hervorwagte, als es Scholz angeblich gerne gehabt hätte, und Exportgenehmigungen für andere Länder in Aussicht stellte – das wird auch damit begründet, dass sie diplomatische Schadensbegrenzung betreiben müsse. Heißt: das kitten muss, was Scholz zerdeppert.

Dass dadurch einmal mehr der Eindruck einer zankenden Ampelregierung entsteht, finden Grüne zwar nach wie vor unglücklich. Doch sie halten es gerade für notwendig, damit sich in der Sache was bewegt.

Und vielleicht auch, damit sie ihren Anhängern mal wieder zeigen können, dass sie sich nicht alles gefallen lassen, nicht alle Kompromisse mitmachen.

Streitthemen zuhauf

Denn das Problem ist, dass es der Koalition an Streitthemen nicht mangelt. Auch jetzt nicht, wo die Kampfpanzer-Frage zunächst gelöst ist. Alle Partner werden in den nächsten Jahren noch viele Niederlagen sammeln. Einige davon stehen schon früher als später an. So haben sich Grüne und FDP bei einer Frage verhakt: Sollen nicht nur Windräder, LNG-Terminals und Bahntrassen schneller gebaut werden – sondern auch Autobahnen?

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Die FDP will das unbedingt, die Grünen wollen am liebsten gar keine neuen Straßen. Nachdem die Frage eigentlich schon im Dezember entschieden werden sollte, könnte es an diesem Donnerstag im Koalitionsausschuss nun so weit sein. Da die SPD eher aufseiten der FDP steht, könnten die Grünen einmal mehr die sprichwörtlichen Kröten schlucken müssen.

Zwist zwischen Habeck und Wissing

Mittlerweile offen eskaliert ist der Streit zwischen dem liberalen Verkehrsminister Wissing und dem Wirtschafts- und Klimaminister Habeck. Beide wissen, dass Deutschland die CO2-Emissionen drastisch reduzieren muss – so steht es im Klimaschutzgesetz, das noch die letzte Bundesregierung auf den Weg gebracht hat. Der größte Anteil dabei entfällt auf den Verkehrssektor: 120 bis 170 Millionen Tonnen CO2 müssen dort eingespart werden. Es ist die Aufgabe von Volker Wissing, dafür zu sorgen.

Doch Wissing und Habeck sind sich völlig uneinig darüber, wie das gelingen soll. Wissing sieht es so: Viele Maßnahmen wirkten eher langfristig, wie das 49-Euro-Ticket, der Aufbau der Ladesäulen-Infrastruktur für E-Autos oder die Reform der Bahn, die viele Autoliebhaber zu Zugfahrern machen soll. Habeck ist das alles zu wenig.

Und die Grünen machen nicht den Eindruck, als würden sie die Sache auf sich beruhen lassen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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Von Florian Schmidt



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