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Robert Habeck und die Zukunft der Wirtschaft: Das wäre eine Katastrophe


Robert Habeck
Das wäre eine Katastrophe

  • Johannes Bebermeier
  • Bastian Brauns
Von Johannes Bebermeier, Bastian Brauns

Aktualisiert am 01.02.2023Lesedauer: 5 Min.
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Robert Habeck: Was ist die Antwort auf den grünen Doppelwumms des Joe Biden?Vergrößern des Bildes
Robert Habeck: Was ist die Antwort auf den grünen Doppelwumms des Joe Biden? (Quelle: Sean Gallup)

Robert Habeck wird in diesen Wochen zum Handlungsreisenden. Seine Mission könnte wichtiger kaum sein. Für Deutschland – und für sich selbst.

Wehklagen, jammern, lamentieren – das kommt auf der großen Bühne nicht gut an. Besonders nicht in Davos, wohin die Mächtigen jedes Jahr zum Weltwirtschaftsforum pilgern, um sich gegenseitig zu versichern, dass sie das schon ziemlich super machen und zu Recht mächtig sind.

"Nein", sagt Robert Habeck also, als er dort vor zwei Wochen sitzt. Neben ihm der Chef des Vermögensverwalters BlackRock, die Generalsekretärin der Welthandelsorganisation und der belgische Premierminister. "Nein, ich habe keine Angst, dass Europa den Wettbewerb verliert", sagt Habeck. "Aber es ist natürlich eine Herausforderung, um ganz ehrlich zu sein."

Understatement kommt in Davos besser an, denkt sich Habeck wohl. Denn was der Wirtschaftsminister meint, hat er im Bundestag schon mal den "Kampf um den Leitmarkt einer zukunftsfähigen Industrie" genannt. Es geht also um nichts Geringeres als die Wirtschaft und den Wohlstand und damit um die Zukunft des Kontinents.

Robert Habeck will diesen Kampf annehmen, er muss ihn annehmen, wenn er erfolgreich sein will als Minister. Auch wenn die Gegner diesmal ausgerechnet mächtige Partner sind: die USA. Und deshalb geht es vor allem um eine Frage, wenn Habeck am Donnerstag nach Stockholm fliegt und wenig später nach Washington: Wie kontert Europa den grünen Doppelwumms des Joe Biden?

Drei Buchstaben und viele Milliarden

Die mächtige Wirtschaftswaffe des US-Präsidenten hört auf drei Buchstaben und ist milliardenschwer. Mit dem "Inflation Reduction Act", kurz IRA, will Joe Biden grüne Technologien mit mindestens 370 Milliarden Euro bezuschussen. Allerdings vor allem solche Windparks, Wasserstoffkraftwerke und E-Autos, die in den USA produziert werden.

"Klima-Protektionismus", der den Regeln der Welthandelsorganisation widerspreche, nennen das deshalb viele in der EU. Auf der großen Bühne in Davos formuliert es Robert Habeck so: "Die europäische Sorge ist, dass damit die Investitionen aus der EU abgesaugt werden." Dass große Unternehmen also künftig in den USA produzieren, um von den Subventionen zu profitieren – und Europa alt aussieht.

Die Aufregung der deutschen Wirtschaft war früh zu spüren. Etwa bei der Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds in Washington im vergangenen Oktober. Der Sound in Hintergrundgesprächen: Die fetten Jahre sind nicht nur vorbei, sie kommen vielleicht nie wieder.

Bei einem Abendessen wird der CEO einer großen deutschen Bank besonders deutlich. Die Industrie der Bundesrepublik drohe zerstört zu werden, sagt er sinngemäß. Die geplanten Milliarden-Subventionen der USA seien daran nicht alleine Schuld. Aber im Zusammenspiel mit den anderen Widrigkeiten, wie unsichere und teure Energieimporte, sei das ein tödlicher Cocktail. Und: Er habe das Gefühl, die deutsche Regierung würde die Dimension nicht begreifen.

In den Monaten darauf gleicht Washington einem Taubenschlag. Deutsche Politiker, EU-Politiker und Unternehmer fliegen ein und aus. Händeringend suchen sie hier Antworten. Antworten, die die Amerikaner teils selbst noch nicht haben. Wer profitiert am Ende wirklich von den Steuerermäßigungen? Welche Branche muss sich Sorgen machen, welche nicht? Klar scheint nur eines: Das Gesetz aufhalten kann und will niemand mehr.

Scheitern ist nicht vorgesehen

Für Robert Habeck und sein Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ist die Sache auf mehrere Arten kompliziert. Der Klimaminister Habeck müsste sich eigentlich freuen, wenn die größte Volkswirtschaft der Welt Milliarden in grüne Technologien pumpt. Erderhitzung kann man ohnehin nur global bekämpfen.

Für den Wirtschaftsminister und Grünen-Politiker Habeck ist die Sache längst nicht so eindeutig. Er muss sich am größten Versprechen messen lassen, das die Ampelregierung den Deutschen gemacht hat: dass sich Klimaschutz und Wirtschaftswachstum nämlich verbinden lassen, künftig sogar untrennbar verbunden sein müssen, weil die Zukunft der Industrie grün ist.

Scheitert das, scheitert die Ampel. Und allen voran: der zuständige Minister Robert Habeck. Es wäre eine Katastrophe, auch und vor allem für Deutschland und Europa. Habeck arbeitet in der EU deshalb gerade daran, so etwas wie den grünen Kontra-Doppelwumms aufzusetzen. Was wie so vieles in der EU nicht so einfach ist.

Steuerrabatte und ein großer Topf voll Geld

Als ausgemacht gilt, dass die sogenannten Beihilferegeln in der EU gelockert werden. Sie regeln, welche Subventionen Mitgliedstaaten an Unternehmen geben dürfen, ohne dass der Wettbewerb innerhalb der EU verzerrt wird. Der Prozess kann Jahre dauern – zu lange, um im grünen Wettbewerb mit den USA zu bestehen.

Die EU-Kommission will laut "Handelsblatt" nun vorschlagen, dass die Mitgliedstaaten Unternehmen für grüne Investitionen künftig Steuerrabatte gewähren können. Was den Vorteil hätte, dass sie erst gewährt und später überprüft würden. So ähnlich wie es die USA mit ihrem grünen Doppelwumms auch machen.

Weil kleinere EU-Staaten Bedenken haben, dass sie anders als Deutschland nicht so viel Geld für eigene Subventionen haben, wird die Lockerung des Beihilferechts wohl mit einem großen Topf voll EU-Geld ergänzt. Er soll Teil des "Green Deal Industrial Plans" sein, den die Kommission am Mittwoch vorgestellt hat.

Doch wie groß der Topf wirklich wird, ist noch offen. Manche wünschen sich, ihn durch weitere gemeinsame Schulden oder EU-Einnahmen zu füllen. Für die Bundesregierung lehnen das vor allem Finanzminister Christian Lindner und Kanzler Olaf Scholz ab. Wahrscheinlich ist deshalb, dass das Geld auch aus bestehenden und nicht ausgeschöpften Fördertöpfen zusammengesammelt wird.

Nicht zuletzt geht es nun für Habeck darum, in den Gesprächen mit den USA die Fördermöglichkeiten so weit wie möglich anzugleichen, damit es eben nicht zu einem Subventionswettlauf kommt, bei dem der Schwächere verliert. Und es geht darum, die Schlupflöcher zu nutzen, die der Inflation Reduction Act bietet.

Staatssekretärin auf einer Mission

Schon Anfang Januar reist deshalb Habecks Parlamentarische Staatssekretärin und Parteifreundin Franziska Brantner in die USA. Sie soll die Lage ausloten. Was ist noch zu ändern, was nicht? Sie spricht mit Demokraten und Republikanern. Gute Nachrichten gibt es für deutsche Autobauer, zumindest teilweise. Über ein Schlupfloch können deren E-Autos zumindest als geleaste Modelle von den Steuererleichterungen profitieren. Der Leasingmarkt in den USA ist bedeutender als der reguläre Absatzmarkt.

Klar wird aber auch: Alles, was jetzt noch machbar ist, kann nur die amerikanische Regierung im Rahmen ihrer Exekutivkompetenzen tun. Von Deutschland und den anderen Europäern wünscht sich die Biden-Administration öffentliche Zurückhaltung. Zu viel Lärm könnte die America-First-Verfechter aufschrecken, die Regierung unter Druck setzen – und am Ende würde die EU noch schlechter dastehen als ohnehin schon. Anpassungen ja, aber nur klammheimlich.

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Eine gewisse Nachsicht erfahren europäische Politiker in Washington in diesen Tagen zwar. Die USA haben verstanden, dass eine funktionierende transatlantische Wirtschaftspartnerschaft im 21. Jahrhundert eine Priorität haben muss. Gerade im Wettbewerb mit dem großen Konkurrenten China.

Aber für eine verfehlte eigene Industriepolitik der EU, dafür wollen die Amerikaner kein Verständnis aufbringen. "Wir müssen unsere Hausaufgaben selber machen", sagt Franziska Brantner immer wieder. Sie kennt die komplizierte EU-Bürokratie aus ihren vielen Jahren in Brüssel. Dort gebe es noch viel zu tun.

Möglichst mit einer Stimme

Wie wichtig Habeck den grünen Doppelwumms nimmt, zeigt sich auch an seinen Reiseplänen. Wenn er am Donnerstag und Freitag nach Stockholm fliegt, ist der offizielle Anlass der Reise zwar die EU-Ratspräsidentschaft, die Schweden Anfang Januar übernommen hat. Doch eines der wichtigsten Themen wird die europäische Antwort auf den Inflation Reduction Act sein.

Habeck wird in Stockholm drei Minister treffen, und mit mindestens zwei von ihnen darüber sprechen: mit seiner Amtskollegin Ebba Busch und dem Außenhandelsminister Johan Forssell. Ziel ist es dort auch, die Positionen abzugleichen, um in den USA mit einer Stimme sprechen zu können.

In die USA will Habeck im Anschluss reisen. Wann genau, ist noch nicht klar. Eine finale Antwort der EU auf die grüne Offensive wird er jedoch kaum im Gepäck haben. Zwar soll das Thema am 9. und 10. Februar beim nächsten EU-Rat der Staats- und Regierungschefs auf die Tagesordnung stehen. Dass dort Entscheidungen fallen, halten sie in Berlin aber für unwahrscheinlich.

Doch vielleicht bringt Habeck ja ein paar gute Nachrichten aus Washington mit.

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