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FDP-Debakel in Berlin: Wie viele Klatschen hält die Partei noch aus?


FDP nach Berlin-Wahl
Wo endet das?


Aktualisiert am 13.02.2023Lesedauer: 4 Min.
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FDP-Chef Lindner: Die Wahl in Berlin hat jetzt auch Auswirkungen auf die Bundespolitik.Vergrößern des Bildes
FDP-Chef Lindner: Die Wahl in Berlin hat jetzt auch Auswirkungen auf die Bundespolitik. (Quelle: IMAGO/Bernd Elmenthaler)

Die FDP verpasste bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin den Einzug ins Landesparlament. Es ist ein erneuter Rückschlag für die Liberalen, der sich zur Gefahr für die Ampel-Koalition im Bund auswachsen könnte.

Es ist Montagmittag, als Christian Lindner in der FDP-Zentrale eine Niederlage verkünden muss. Schon wieder. Der Parteichef tritt im dunkelgrauen Sakko ans Rednerpult und sagt: "Am Ende ist der Erfolg versagt geblieben." Neben ihm steht der Berliner Spitzenkandidat Sebastian Czaja. Er sieht niedergeschlagen aus. Czaja ergänzt: "Wir hatten andere Vorstellungen."

Die Vorstellung ging so: Die FDP zieht wieder ins Berliner Abgeordnetenhaus ein, so wie bei der Wahl 2021, die jetzt wiederholt wurde. Damals kamen die Liberalen auf 7,1 Prozent. Und bis wenige Tage vor der Wahl wirkte das Ziel angesichts der Umfragen auch durchaus realistisch.

Die Realität stellt sich im Lichte des vorläufigen Endergebnisses allerdings so dar: 4,6 Prozent. Die FDP ist an der Fünfprozenthürde gescheitert, nicht haarscharf, sondern recht deutlich. Sie zieht nicht ins Landesparlament ein. So wie schon im vergangenen Jahr in Niedersachsen und im Saarland.

Jetzt auch noch Berlin

Die jüngste Wahlklatsche ist ein weiterer Rückschlag für die Partei. In den bundesweiten Umfragen liegt die FDP einigermaßen stabil bei unter zehn Prozent. Mal sind es sechs, mal sind es neun, aber zweistellig ist es schon länger nicht mehr. Ernste Sorgen, dass die Partei auch auf Bundesebene der Fünfprozenthürde bedrohlich nahekommt, macht sich aber niemand.

Das eigentliche Problem liegt in den Bundesländern: Seitdem die FDP im Bund in der Ampel-Koalition mitregiert, bekommen die Liberalen miserable Ergebnisse bei Landtagswahlen. Die Liberalen verpassten schließlich zuletzt nicht nur den Wiedereinzug im Saarland und in Niedersachsen. Auch in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen halbierte sich das Ergebnis — und die Regierungsbeteiligung ging jeweils verloren. Und jetzt auch noch der Rückschlag von Berlin.

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Die Verluste bei den Landtagswahlen sind damit längst eine Serie. Und deshalb wird bei den Liberalen manch einer eben doch langsam unruhig: Wie lange soll das so weitergehen?

Der nach unten zeigende Trend könnte auch Auswirkungen auf die Ampel-Koalition in Berlin haben. Der parlamentarische Geschäftsführer der Liberalen im Bundestag, Stephan Thomae, sagte t-online: "Der FDP ist es in Berlin offensichtlich nicht gelungen, für ihre klaren Botschaften hinreichend Unterstützung zu bekommen. Das hat sicherlich auch Auswirkungen auf die Bundespolitik. Wir müssen daran arbeiten, dass die Menschen die Stimme der FDP in der Ampel noch sehr viel deutlicher wahrnehmen."

Ausgerechnet die CDU nimmt den Liberalen die Stimmen weg

Weil das öffentliche Scheinwerferlicht an diesem Montag noch auf der Wahl zum Abgeordnetenhaus liegt, will Lindner in seiner Pressekonferenz noch etwas klarstellen. Er bemüht sich, seinem lokalen Parteifreund den Rücken zu stärken. Die Wahl sei nicht eine "Frage des Spitzenkandidaten" gewesen, so Lindner über Czaja. Die Botschaft: Hier muss erst mal niemand zurücktreten. Czaja gilt als gut verdrahtet in der Partei.

Und vor allem hatte er in Berlin keine einfache Aufgabe. Die Hauptstadt wählt eher links als rechts, der CDU-Sieg ist beinahe schon eine historische Überraschung. Viele waren die Politik des rot-grün-roten Senats satt, auch die Regierende Bürgermeisterin von der SPD, Franziska Giffey, hat schlechte Zustimmungswerte.

Allein: Die Liberalen konnten nicht davon profitieren. Das Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap bilanzierte: Die FDP verlor an fast alle anderen Parteien Wähler — und am meisten an die Christdemokraten. Etwa 29.000 frühere FDP-Wähler liefen direkt zur CDU über. 25.000 wählten dieses Mal nicht. Die Grünen bekamen dagegen nur etwa 2.000 Stimmen von den Liberalen.

Der lindnersche Dreiklang für die Zukunft

Bei den Liberalen beginnt jetzt die Aufarbeitung, wie man ausgerechnet an die Konservativen so viel verlieren konnte. Das beschäftigt primär Berliner Landespolitiker. Im Bundespräsidium um Christian Lindner geht es dagegen um die Konsequenzen aus den vielen schlechten Landtagswahlen. Um das große Ganze also. Man habe schon vor einigen Monaten den "Kurs justiert", sagte Lindner.

Der justierte Kurs umfasst drei Punkte. Und damit die auch wirklich ankommen, wiederholt sie Lindner am Montag noch mal: Deutschland werde gut regiert, es gebe eine Reihe von "liberalen Modernisierungsprojekten", an denen man arbeite, und man sei in der Ampel der "Garant für eine Politik der Mitte".

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Das ist ein rhetorischer Dreiklang in der Lindner-Strategie: Sich selbst etwas loben, den FDP-Kern herausstellen und dabei noch die Botschaft setzen: Ohne uns wäre alles viel schlimmer. Das werde sich auf eine "mittlere Sicht" auch bei Landtagswahlen auszählen, glaubt Lindner. Wann diese mittlere Sicht dann gute Ergebnisse bringt, das sagt er nicht.

Kubicki ist eben Kubicki – und attackiert schon mal Habeck

Es könnte nun vor allem um zwei FDP-Minister der Koalition gehen: Justizminister Marco Buschmann und Verkehrsminister Volker Wissing. Die sollen dabei helfen, dass auch bei der Strategie der "mittleren Sicht" schnell positive Resultat sichtbar werden.

Bei Wissing ist es die bevorstehende Verkehrswende, bei Buschmann die Gesellschaftspolitik. Beide Minister könnten durchaus noch deutlicher auftreten. Nur ist da die entscheidende Frage: Ist die FDP eigentlich selbst schuld an ihren Problemen, weil sie eben zu oft als Störenfried auftritt? Oder ist es genau umgekehrt und die Liberalen gehen bislang eher unter?

Für manche scheint die Antwort klar zu sein. "Für die Freien Demokraten zeigt das Berliner Ergebnis, dass es notwendig ist, die eigene Handschrift in der Regierung besser herauszuarbeiten", sagte FDP-Bundesvorstandsmitglied Marcus Faber t-online.

Schon bald könnte sich der neue Kurs in Verhandlungen niederschlagen. Aktuell streitet die Ampel-Koalition über die sogenannte Planungsbeschleunigung: Diverse Bauvorhaben sollen in Deutschland künftig schneller realisiert werden. Doch während die Grünen den Neubau von Autobahnen von dieser Regelung ausnehmen wollen, will die FDP ihn unbedingt mit in die Gesetzgebung aufnehmen. "Eine Politik gegen das Auto ist offensichtlich nicht im Interesse der Menschen", sagt Lindner.

Der "Spiegel" zitiert FDP-Vize Wolfgang Kubicki auf der Wahlparty vom Sonntag folgendermaßen: "Wenn es keinen Straßenbau mehr geben soll, dann gibt es auch keine neuen Stromleitungen mehr." Und weil Kubicki eben Kubicki ist, gab es noch eine ordentliche Attacke in Richtung des grünen Wirtschaftsministers Habeck dazu: "Da kann sich der Robert gehackt legen. Die Zeit des Appeasements ist vorbei."

Die Verhandlungen zur Planungsbeschleunigung in den nächsten Wochen dürften spannend werden.

Verwendete Quellen
  • Pressekonferenz der FDP am Montagmittag
  • Eigene Recherche
  • Zitat von Marcus Faber (FDP)
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