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Merz' Migrations-Gipfel | Landtrat sieht "keine Reserven" für Geflüchtete


Merz vor CDU-Flüchtlingsgipfel
"Wir müssen den irregulären Zuzug stärker begrenzen"

  • Kati Degenhardt
Von Kati Degenhardt

Aktualisiert am 30.03.2023Lesedauer: 4 Min.
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Friedrich Merz organisiert unter dem Motto "Wir hören zu" einen Kommunalgipfel zu Problemen mit der Migrations- und Asylpolitik. (Quelle: IMAGO/Bernd Elmenthaler)

Die zahlreichen Flüchtlinge überfordern Städte und Gemeinden. CDU-Chef Merz will mit dem Thema die Ampel vor sich hertreiben – aber auch mit ihr Lösungen finden.

Anfang Januar ließ Friedrich Merz einen Testballon steigen. In der Talkshow von Markus Lanz nannte der CDU-Chef Migrantenkinder "kleine Paschas". Eine Welle der Empörung rauschte durchs Land: Darf ein so prominenter Politiker so abfällig und pauschal urteilen, muss er nicht präziser formulieren? Der Aufschrei war kurz und heftig. Doch Merz hatte sein Ziel erreicht: Integration war als Gesprächs- und politisches Streitthema gesetzt.

Der erste Versuch des Oppositionschefs, das Thema auf die Tagesordnung zu hieven, war im vergangenen September noch schiefgegangen. Als Friedrich Merz einigen ukrainischen Flüchtlingen "Sozialtourismus" vorwarf, flog ihm das abfällige Urteil gewaltig um die Ohren.

Die Lehre, die Merz daraus ziehen konnte: Die Bevölkerung unterscheidet offenbar zwischen Ukrainern, die aus ihrem nicht allzu fernen Land gebombt werden und denen zugetraut wird, sich ohne größere Probleme zu integrieren, und Flüchtlingen aus weitgelegeneren Regionen, bei denen manch einer eher skeptisch ist, ob die Integration wirklich klappt.

Entsprechend differenziert behandelt die Union das Thema jetzt auch.

Sie hat ein Positionspapier mit dem Titel "Für Humanität und Ordnung in der Asyl- und Flüchtlingspolitik" erarbeitet. Der Tenor: Der humanitären Verantwortung für Schutzbedürftige müsse man gerecht werden, aber irreguläre Migration steuern und begrenzen – national, europäisch und international. Zuwanderung in den Arbeitsmarkt ja, aber bei strikter Trennung von Asylverfahren und Einwanderung.

Zahl der Asylanträge steigt

Und wie sehen die Fakten aus? Seit Kriegsbeginn sind mehr als eine Million Geflüchtete aus der Ukraine nach Deutschland gekommen. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland gut 244.000 Asylanträge gestellt. Die Schutzsuchenden kommen aus Syrien, Afghanistan, der Türkei und dem Irak. Gut der Hälfte der Anträge wurde entsprochen. Die Zahl der Asylanträge steigt seit 2020 wieder an, im Vergleich zur Flüchtlingskrise 2015/16 ist sie aber geringer.

Merz interpretiert diese Zahlen so: "Bis zu 200.000 Menschen pro Jahr gelten als verträglich, integrationsfähig", sagte er am Mittwochabend bei einer CDU-Veranstaltung in Berlin. Momentan kämen pro Monat rund 30.000 Menschen nach Deutschland. "Am Ende des Jahres werden es mehr als 300.000 sein. Das ist zu viel." Deshalb forderte er: "Wir müssen den irregulären Zuzug nach Deutschland stärker begrenzen."

Seine Botschaften sind klar: "Macht Aufnahmezentren an den europäischen Außengrenzen, schützt diese besser und stellt dafür auch deutsche Polizeikräfte zur Verfügung." Und Merz' Ultima Ratio lautet: "Kontrollen an den europäischen Binnengrenzen, anders wird es nicht gehen."

Merz antwortet mit einem "Kommunalgipfel"

Der politischen Debatte steht die Realität in den Kommunen gegenüber, die die Unterbringung und Integration der Migranten stemmen müssen. Und die sich vom Bund im Stich gelassen fühlen. Proteste im mecklenburgischen Dorf Upahl gegen eine geplante Flüchtlingsunterkunft etwa oder der viel beachtete Hilferuf des Grünen-Landrats Jens Marco Scherf machen deutlich, dass es im Land brodelt.

An diesem Donnerstag will Friedrich Merz zeigen, dass er die Sorgen und Probleme der Kommunalpolitiker ernst nimmt – anders als die Bundesregierung, die in den Augen der Opposition bisher nur weitgehend ergebnislose Gipfel veranstaltet hat. Unter dem Motto "Wir hören zu" hat die Unionsfraktion Landräte und Bürgermeister aus ganz Deutschland eingeladen. Zugesagt haben gut 200 Kommunalpolitiker aller Parteien. Friedrich Merz – der Kümmerer.

Zugesagt hat auch Achim Brötel aus dem Neckar-Odenwald-Kreis in Baden-Württemberg. Er sei zunächst einmal froh, dass es sich wirklich um einen Gipfel handle, sagte er t-online. "Der Bundeskanzler hat es am 16. Februar bekanntlich vorgezogen, lieber eine Bäckerei in Hannover zu besuchen. Das war für mich der Gipfel!"

Der CDU-Landrat ist nicht nach Berlin gekommen, weil es um eine Veranstaltung seiner Partei geht: "Einer allein wird die Welt sicher nicht retten können." Aber es gehe darum, "jenseits parteipolitischer Überlegungen Koalitionen zu schmieden." Er hofft deshalb, "dass die Opposition ganz konkrete parlamentarische Initiativen ergreift, bei denen sich auch die Regierungsfraktionen nicht mehr wegducken können."

Geldregen löst keine Probleme

Von den bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung, die Kommunen bei der Bewältigung des Flüchtlingsansturms zu unterstützen, ist Brötel enttäuscht. Geld löse in der derzeitigen Situation keine Probleme, sondern decke sie allenfalls zu. "Selbst wenn es morgen Goldstücke regnen würde, hätten wir nicht einen einzigen Menschen mehr zur Seite, um alle Herausforderungen bewältigen zu können." Geld mache auch zeitnah keine zusätzliche Gemeinschaftsunterkunft oder Wohnung verfügbar und schaffe keine zusätzlichen Kita- oder Schulplätze für die Kinder geflüchteter Menschen. "Alle diese Systeme haben keine Reserven mehr."

Brötels Botschaft an die Regierung ist eindeutig: "Wir brauchen ein klares Signal in die Herkunftsländer, aber auch in die Lager in Nordafrika und der Türkei, dass die Grenzen der Aufnahmefähigkeit bei uns überschritten sind." Er fordert einen wirksamen Schutz der EU-Außengrenzen, eine lastengerechte Verteilung aller Schutzsuchenden in Europa, eine europäische Harmonisierung der Sozialleistungen. "Nationale Ankerzentren, die eine schnelle Identifikation und Klärung des rechtlichen Status ermöglichen. Keine Verteilung von Personen ohne reale Bleibeperspektiven auf die Kommunen. Eine Verstärkung der Rückführungsaktivitäten."

Mehr Rücksicht auf den ländlichen Raum

Das setze eine auskömmliche Finanzierung aller kommunalen Lasten voraus, sagt Brötel und fordert eine große Investitionsoffensive zugunsten der ländlichen Räume. "Dort stehen mindestens 1,7 Millionen Wohnungen leer, die mit einem vertretbaren finanziellen Aufwand zu ertüchtigen wären."

Klar ist also, dass Merz mit der Einladung zum Gespräch auf Kommunalebene einen Nerv trifft. "Ich möchte keinen unnötigen politischen Streit in der Frage", sagte er. Aus den Ergebnissen des Gipfels soll eine Bundesratsinitiative entstehen. Die damit verbundene Hoffnung: "Wir haben auch schon in den letzten Monaten gezeigt, dass wir durchaus in der Lage sind, aus der Opposition heraus das eine oder andere im Kurs der Regierung zu korrigieren."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Schriftliches Interview mit Achim Brötel
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