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Atom-Ausstieg: Kernkraftwerke brauchen wir gerade jetzt länger


Debatte um Atom-Aus
Der deutsche Irrweg ist unverständlich

  • Florian Schmidt
  • Peter Schink
Pro & KontraVon Florian Schmidt, Peter Schink

Aktualisiert am 13.04.2023Lesedauer: 1 Min.
Interview
Was ist ein Pro & Kontra?

Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.

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Das Kernkraftwerk Neckarwestheim: Am Samstag steht die Stilllegung an. (Quelle: Thomas Niedermueller/getty-images-bilder)

Der lang geplante Atomkraftausstieg Deutschlands steht kurz bevor. Am Sonntag gehen die letzten Meiler vom Netz. Doch ist jetzt der richtige Zeitpunkt?

Deutschland befreit sich von der Kernkraft. Ab Sonntag stehen die drei noch verbliebenen Reaktoren still, gelangt kein "gelber" Strom aus deutscher Produktion mehr ins Netz.

Doch diese Entscheidung sorgt weiter für Diskussionen – auch innerhalb der Ampelkoalition. Während SPD und Grüne die Pläne verteidigen, spricht sich die FDP für einen Weiterbetrieb aus.

t-online diskutiert die Frage: Kommt das endgültige Aus für die Atomkraft zur rechten Zeit?

Kontra
Florian SchmidtFlorian SchmidtLeiter Hauptstadtbüro

Nein, gerade jetzt brauchen wir die Kernkraft länger

Um den deutschen Irrweg in der Atomfrage zu verstehen, braucht es eigentlich nur zwei Zahlen. 494 Gramm und 83 Gramm. Klingt beides wenig, doch die Differenz ist gewaltig: Im vergangenen Jahr hat Deutschland je Kilowattstunde produzierten Strom 494 Gramm CO2 ausgestoßen, weil wir hierzulande stark auf Kohlestrom gesetzt haben. Das ist sechsmal so viel wie in Frankreich, auf das sich die zweite Zahl bezieht – und das fast drei Viertel seines Stroms aus Atomkraftwerken bekommt.

Das zeigt, wie zu erwarten: Die Quadratur des Kreises, der gleichzeitige Ausstieg aus der Kernkraft und aus der Kohleverstromung, funktioniert nicht. Wo wir AKW abschalten, müssen wir auch künftig klimaschädliche Kohlemeiler ans Netz nehmen – sonst gibt es Unwuchten im Stromnetz, sonst gehen schlimmstenfalls die Lichter aus.

Das endgültige Aus für die Kernenergie kommt deshalb zum schlechtestmöglichen Zeitpunkt. Gerade jetzt, inmitten der Energiekrise brauchen wir die Atomkraftwerke. Wenigstens als Reserve, besser noch als dauerhafte, verlässliche Quelle für günstigen Strom, dessen Produktion das Klima nicht belastet.

Es mag illusorisch klingen, doch selbst über den Bau neuer Reaktoren sollten wir nachdenken und damit dem guten Beispiel von Ländern wie Polen, Schweden und Großbritannien folgen. Denn der Strombedarf in Deutschland und Europa wird steigen, Studien zufolge allein bis 2035 um bis zu 50 Prozent.

Dieser Strom muss zwingend klimaneutral sein. Ein weiteres Abbrennen fossiler Energieträger wie Kohle und Gas verbietet sich, wollen wir die Klimaziele auch nur annähernd erreichen.

Sicher, mittelfristig muss dieser Strom aus genügend Solar- und Windkraftanlagen stammen. Bis die aber fertig sind, sollten wir die – inzwischen nicht mehr so großen – Risiken der Kernkraft in Kauf nehmen und die AKW weiterlaufen lassen.

Pro
Peter SchinkPeter Schinkstellvertretender Chefredakteur

Das Gegenteil ist richtig: Atomstrom braucht keiner mehr

Es ist natürlich genau andersherum. Die Debatte, ob wir Kernkraftwerke brauchen, um das Klima zu schützen, ist völlig rückwärtsgewandt. Sieht man sich die Stromerzeugung im ersten Quartal 2023 an, haben wir weniger Kohle und Gas verstromt als noch vor zwei Jahren. Damals waren noch sechs Meiler am Netz, heute sind es drei. Warum? Weil wir inzwischen deutlich mehr regenerativen Strom im Netz haben. Die verbliebenen drei Atomkraftwerke machten in dem Zeitraum nur noch knapp vier Prozent der Stromerzeugung aus.

Wir exportieren übrigens deutlich mehr Strom, als wir importieren. Selbst nach Frankreich, das ja noch auf Atomstrom setzt. Bislang kam es sogar vor, dass Energie aus Wind und Sonne zurückgeregelt werden musste, weil der Atomstrom völlig unflexibel immer ins Netz strömen musste. Die Wirklichkeit ist eben komplex.

Was folgt daraus? Fakt ist, wir haben heute noch viel zu viel fossile Energie in unserem Strommix. Wir brauchen deshalb aber keine neuen Atomkraftwerke, sondern einen deutlich schnelleren Ausbau der regenerativen Energieträger. Warum nicht beides? Weil Atomstrom nicht nur gefährlich ist, sondern auch noch deutlich teurer. Je nachdem welche Kosten man einrechnet, kostet eine Kilowattstunde Atomstrom zwischen 15 und 42 Cent. Erneuerbare Energien sind wesentlich günstiger.

Warum sollte man auf teuren, gefährlichen Strom setzen, wenn andere Energieerzeugung deutlich zukunftssicherer, preiswerter und nachhaltiger ist?

Was mich wirklich ärgert: dass wir diese Debatte noch im Jahr 2023 führen. Der Atomausstieg wurde in Deutschland zweimal beschlossen. Zunächst von SPD und Grünen im Jahr 2005, dann noch einmal von CDU/CSU und FDP im Jahr 2011 (die das irgendwie inzwischen vergessen haben). Es wäre genug Zeit gewesen, die Energiewende deutlich schneller voranzutreiben.

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